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Bistum Dresden-Meißen

Malteser warnen vor Kosten-Dumping im Sozialbereich

Jahresbilanz 1998

Dresden (saad) - Mit einem lachenden und einem weinenden Auge geht der Malteser Hilfsdienst im Bistum Dresden-Meißen ins Jahr 1999. Einerseits kann Diözesan- und Landesgeschäftsführer Jörg-Michael Bornemann eine gute Bilanz ziehen. Die Malteser verzeichnen fast durchweg ein Wachstum ihrer Arbeit, und das heißt in dieser Branche: Es konnte mehr Menschen geholfen werden als in den Jahren zuvor. Dennoch trübt das zunehmende Kostendumping im Bereich der sozialen Dienste die Freude. "Wenn wirtschaftlich darstellbare Bereiche durch die Kommunen bewußt privatisiert werden und vordergründig unrentable Bereiche bei den gemeinnützigen Organisationen verbleiben sollen, dann ist die Axt an die Wurzeln der sozialen Infrastruktur gelegt", so Bornemann. Konkretes Ergebnis dieser Maßnahmen im vergangenen Jahr: Über Nacht mußte die Leitstelle der Hilfsorganisationen für den Behindertenfahrdienst schließen. Die Stadt Dresden hatte nur noch mit einigen Anbietern Verträge geschlossen - den billigsten. Mit der Folge, daß Behinderte nun keinen zentralen Ansprechpartner mehr für den Fahrdienst haben. Auch die Malteser sind diesmal leer ausgegangen - die Folge ist ein Personalabbau bei den Hilfsorganisationen

Doch die angebliche Wirtschaftlichkeit hat langfristig ihren Preis. Die billigsten Anbieter sind in der Regel nur noch "Droschkenkutscher", so Bornemann: "Eine angemessene Sozialplanung, das heißt, wie gehe ich langfristig auf die Behinderten ein, kann nicht mehr stattfinden." Auch die traditionellen Hilfsorganisationen müßten sich auf Dauer den Ausschreibungen anpassen, was über kurz oder lang zu einer "Qualitätsveränderung" führe. Der eigene Anspruch, Anwalt für die Betroffenen zu sein, werde auf diese Weise unterhöhlt. "Wirtschaftlich agieren - dazu sagen wir ja. Aber es darf im sozialen Bereich keine ganz freie Marktwirtschaft geben", appelliert der Diözesangeschäftsführer an die Kommunen. Gleichzeitig räumt er ein, daß der Druck zu mehr Wirtschaftlichkeit die Effizienz in der Organisation bereits verbessert hat. "Man kann nicht mehr ins Blaue loswirtschaften. Gerade in der Verwaltung war früher möglicherweise zuviel Luft." Die Malteser haben reagiert und 1998 alle ihre Geschäftsstellen in Dresden konzentriert, hauptamtliche Posten wie der des Stadtgeschäftsführers sind gestrichen worden

Um nicht auch bei den Hilfsleistungen einsparen zu müssen, setzen die Malteser verstärkt auf Ehrenamtlichkeit. So wurde im letzten Jahr ein eigenständiger Betreuungsdienst gegründet, um die durch Kostendumping entstandenen Lücken zu schließen: Für Besuchsdienste, Beratungen und Hospizarbeit haben sich in Pirna, Leipzig, Annaberg und Dresden bereits über 100 neue ehrenamtliche Helfer gefunden. Über 300 völlig unentgeltlich arbeitenden Menschen und etwa 200 Zivildienstleistenden stehen nur 104 festangestellte Mitarbeiter gegenüber. Jörg-Michael Bornemann freut sich: In den neuen Bundesländern sei es anfangs besonders schwierig gewesen, Menschen für ein Ehrenamt zu gewinnen, jetzt aber gebe es zu aller Überraschung in zunehmendem Maße die Bereitschaft. "Es sind andere Menschen als früher: Heute muß man ihnen klare Aufgaben geben, etwa im Besuchs- und Hospizdienst. Man kann sie nicht mehr einfach in die Verwaltung setzen."

Die Organisation ist auf die Ehrenamtlichen angewiesen. Viele der Leistungen können heutzutage nicht mehr mit den Kommunen abgerechnet werden, Geld verdienen kann man im Sozialbereich auf diese Weise nirgendwo mehr. Um so mehr können die Malteser auf die Leistungen des letzten Jahres stolz sein

Obwohl die Zuwendungen aus öffentlicher Hand seit 1996 um mehr als die Hälfte wegbrachen, konnte der Gesamtumsatz um gut eine Million Mark auf 13,6 Millionen gesteigert werden. Es konnten durchweg mehr Menschen betreut werden, sei es durch Fahrdienste, Mahlzeiten, betreutes Wohnen oder den Sanitätsdienst. Im Bereich des sozialen Hilfsdienstes und der Seniorenbetreuung erhöhte sich die Zahl der betreuten Personen von etwa 8 000 auf fast 11 000, wogegen fast 40 000 Stunden weniger abgerechnet werden konnten - hier zeigt sich die ehrenamtliche Mehrarbeit

Besonders freut die Malteser die Übernahme von zwei Kindergärten in Plauen und in Ziegelheim/Thüringen. Auch in den Bereichen betreutes Wohnen, Pflegeeinrichtungen und ehrenamtliche Gruppen gibt es Zuwachs. Allein der Jugendbereich brach im letzten Jahr ein, da es lange Zeit keinen Jugendreferenten gab. So hat sich die Zahl der Malteser-Jugendgruppen auf zwei halbiert. Hier hofft man für 1999 aber auf neuen Schwung

4500 Mitglieder haben die Malteser im Diözesanbereich heute - die Tendenz ist steigend. Trotz der kritischen Kostensituation gibt es also gute Aussichten für den Malteser Hilfsdienst im Bistum

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 10 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.03.1999

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