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Bistum Erfurt

Kein Rechtsakt sondern vielschichtiger und langer Prozeß

Ausländerintegration

Erfurt (tdh) - "Eine Gesellschaft, die sich ihrer eigenen Werte und Identität nicht sicher ist, ist nicht zur Integration von Fremden fähig." Mit dieser nach eigenen Aussagen "zugespitzten These" provozierte der Ausländerbeauftragte der Thüringer Landesregierung, Eckehard Peters, am Ende seines Statements die Teilnehmer eines Gespräches, zu dem der Leiter des Katholischen Büros in Thüringen, Ordinariatsrat Winfried Weinrich, Verantwortliche in Politik, Verbänden, Kirche und Medien eingeladen hatte. Peters ergänzte kurz darauf: "Natürlich können wir nicht erst unsere Werteprobleme lösen und dann etwas für die Integration der bei uns lebenden Ausländer tun. Beides muß gleichzeitig geschehen."

Vor Peters hatte die Beauftragte für Migrationsfragen im Erzbistum Berlin, Schwester Cornelia Bührle, auf das gemeinsame Papier der Kirchen zu Fragen der Migration bezuggenommen und die Bedeutung einer rechtlichen, sozialen und kulturellen Integration der Ausländer herausgestellt. Dabei nahm sie ausdrücklich auch auf die Integration der muslimischen Ausländer und ihre seitens der Kirchen betonten Rechte auf Glaubensausübung und Religionsunterricht bezug, zumal Islam, Judentum und Christentum "Abraham als gemeinsamen Vater" haben

Eckehard Peters wies auf "inkompatible Werteordungen" hin: So seien die Rolle der Frau im Hinduismus und in der westeuropäischen Gesellschaft nicht in Übereinstimmung zu bringen. "Hier gibt es nur ein Entweder - Oder." Peters verwies auf erste Prozesse im Zusammenhang mit der Beschneidung von Frauen, die zur Zeit in Frankreich stattfänden: "Was für die einen Ausdruck ihrer Identität mit archaischen Lebensvorstellungen ist, ist für die anderen schwere Körperverletzung und gegen die Menschenrechte."

Im Osten Deutschlands steht für Peters die Frage, ob die Menschen sich überhaupt ihrer Identität bewußt sind. Zumindest eine der drei Säulen des Grundgesetzes, die jüdisch-christliche Tradition, sei in Ostdeutschland für die meisten Menschen kein Pfeiler der Verfassung mehr. Schwester Bührle stimmte Peters hinsichtlich seiner Fragen nach dem eigenen Identitätsbewußtsein der (Ost-)Deutschen zu, führte zugleich aber wirtschaftliche Aspekte der Ausländerfeindlichkeit ins Feld: "Wenn in Deutschland nicht eine solche Arbeitslosigkeit herrschen würde, die Grundstimmung besser wäre und der Prozeß des Zusammenwachsens zwischen Ost und West abgeschlossen sei, hätten wir keine Probleme", so ihre ergänzende These, die aber nicht unwidersprochen blieb. Es müsse oberstes Ziel bleiben, eine gleichberechtigte Beteiligung der Zugewanderten am öffentlichen Leben zu ermöglichen

Peters lehnt die voraussetzungslose generelle doppelte Staatsbürgerschaft für in Deutschland lebende ausländische Mitbürger ab, was zu massiven Angriffen eines Teilnehmers gegen ihn führte. Peters plädierte dafür, Ausländern nicht sofort zu Beginn ihres Aufenthaltes die deutsche Staatsangehörigkeit anzutragen, sondern dies erst am Ende eines Prozesses der sozialen Integration zu tun. Nur die Eindeutigkeit von Bürger und Staat schütze die Staatsstruktur und nur die staatsbürgerliche Eindeutigkeit sei wirklich integrativ, argumentierte der Ausländerbeauftragte. "Es kommt nicht darauf an, daß das Staatsangehörigkeitsrecht modern ist, sondern daß es gesellschaftlich trägt!" brachte Peters die Problematik auf den Punkt

In diesem Zusammenhang räumte er mit einem weit verbreiteten Irrtum auf: Einbürgerung bedeute nicht gleichzeitig eine ethnische Nähe zu Deutschland, sondern sie sei in einem republikanischen Verständnis zu sehen. Staatsangehörigkeit und ethnische Zugehörigkeit fielen nicht zusammen. Mit der Einbürgerung würde keine ethnische Nähe zu Deutschland erzeugt

Schwester Bührle ergänzte, indem sie feststellte, daß Integration zuerst kein Rechtsakt sei, sondern ein vielschichtiger und längerer Prozeß. Intergration bedeute vor allem Gemeinschaftsfähigkeit und Gemeinschaftswilligkeit. Es bedürfe dazu in erster Linie einer Willensentscheidung, mit anderen ethnischen Gruppen friedlich zusammenzuleben. Integration sei also ein wechselseitiger Prozeß, der ein soziales und kulturelles Lernen auf beiden Seiten voraussetze. Dies gelte vor allem und auch für die deutsche Wohnbevölkerung

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 10 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.03.1999

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