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Bistum Magdeburg

Bischof Leo Nowak feiert seinen 70. Geburtstag

Interview

Der Magdeburger Bischof Leo Nowak feiert am 17. März seinen 70. Geburtstag. Im Tag des Herrn-Interview äußerte er sich aus diesem Anlaß zu persönlichen Einschätzungen und Erfahrungen.

Bei vielen Gelegenheiten in den vergangenen Monaten haben Sie die Katholiken Ihres Bistums ermutigt, stärker als bisher Glaubenszeugnis gegenüber Nichtchristen zu geben. Welche Erfahrungen machen Sie selbst im Kontakt mit ungetauften Mitmenschen?
Kirchliche Veranstaltungen wie Firmungen oder Gemeindejubiläen sind auch zu gesellschaftlichen Anlässen geworden, an denen zunehmend Nichtchristen teilnehmen. Ich sehe das als Chance zur Begegnung. Schon in der Vorbereitung eines Gottesdienstes versuche ich deshalb, mich darauf einzustellen. Ich bemühe mich um eine Sprache, die auch für Nichtchristen verständlich ist. Das gilt auch im Kontakt mit den Eltern der Schüler unserer Gymnasien, den ich sehr bewußt suche. Ich pflege auch Kontakte mit Parteien und Gewerkschaften. Wenn ich zu Empfängen und ähnlichen Anlässen komme, ist natürlich in der Regel bekannt, daß ich katholischer Bischof bin. Das heißt nicht, daß es sofort zu tiefen Glaubensgesprächen kommt. Ich stoße aber auf Neugier, teilweise auch auf echtes Interesse an kirchlichen Fragen. Politiker nutzen beispielsweise die Gelegenheit, über Themen zu sprechen, die für ihre politische Arbeit Bedeutung haben, in letzter Zeit etwa die Schwangerschaftsgesetzgebung oder der Religionsunterricht: "Ist der Unterricht ein sinnvolles Angebot zur Allgemeinbildung oder geht es der Kirche darum, ihre Doktrin unter die Leute zu bringen?" bin ich zum Beispiel gefragt worden.
Als Bischof absolvieren Sie ein sehr dichtes Programm. Wo schöpfen Sie selber Kraft für ihren Glauben?
Ich brauche Räume, wo ich allein sein kann, Zeit für Literatur, persönliches Gebet und Schriftlesung. Kraft schöpfe ich auch aus Gesprächen in einem Kreis von Gleichgesinnten, bei denen es um die Frage geht, wie wir heute als Christen leben können, Gespräche, bei denen ich einer von ihnen bin.
Haben Sie ihre Wurzeln in einer speziellen Spiritualität?
Nein. Ich bin offen für viele Impulse und ich habe ein persönliches Verhältnis zur Heiligen Schrift.
Kann man als Bischof den Kontakt zum "normalen Alltagsleben" behalten? Kaufen Sie sich beispielsweise Ihre Anzüge selbst, machen Sie Ihre eigene Steuererklärung, oder kommt es auch mal vor, daß Sie sich selber ein Ei in die Pfanne schlagen?
Meine Steuererklärung mache ich nicht, das wäre einfach zu langwierig, obwohl ich schon glaube, daß ich das hinkriegen würde. Ich gehe aber schon mal einkaufen, Kleidung, aber auch anderes, interessiere mich für die Preise. Es macht mir einfach Spaß, Kontakt mit Menschen zu haben. Für mich ist es selbstverständlich, daß ich mich auch einmal selbst versorge, wenn die Hausfrau nicht da ist. Mir ist es wichtig, ein offenes Haus zu haben, in dem Menschen freundlich empfangen werden, Wärme und Gastfreundschaft erfahren.
Zum Geburtstag wünschen Sie sich anstelle von Geschenken Spenden für den Aufbau des Klosters Helfta. Was verbindet Sie mit diesem Kloster?
In unserem Land, wo es so wenige Christen gibt, halte ich es für wichtig, an einigen Stellen intensives geistliches Leben zu beheimaten. Der besondere geistliche Weg, den die Ordensfrauen gehen, hat eine lange Tradition. Durch ihr Dasein, ihr Gebet und die Art und Weise ihres Lebens können sie hier Zeichen setzen für aufmerksame Zeitgenossen, daß es gut und wichtig ist, Gott in den Mittelpunkt des Lebens zu setzen. Ich wünsche mir, daß hier eine geistliche Oase entsteht. Ich empfinde es als großes Geschenk, daß die Seligenthaler Äbtissin Assumpta Schenkl sich entschieden hat, mit einigen Klosterfrauen nach Helfta zu kommen. Das ist eine Bereicherung, für die wir sehr dankbar sind.
Hellhörig hat mich auch die Geschichte des Klosters Helfta gemacht, das im Mittelalter ja eines der größten Frauenklöster war und Heilige hervorgebracht hat, die heilige Gertrud die Große, Mechthild von Magdeburg, und Mechthild von Hackeborn. Sie haben das mystische Leben des Mittelalters mitgeprägt, ihre Erfahrungen mit Gott niedergeschrieben in der Sprache ihrer Zeit. Auch heute noch hat das Gültigkeit. Wir können von ihnen lernen, wie tiefe Gottverbundenheit mit den Herausforderungen der Zeit verknüpft werden kann. Die Neubelebung des Klosters Helfta war nicht meine Initiative. Laien und Priester unseres Bistums und darüber hinaus fühlten sich dazu gerufen und haben sich im Verband der Freunde Helftas zusammengeschlossen. Aus Bistumsmitteln ist der Aufbau des Klosters nicht möglich, deshalb erbitte ich Spenden.
Sie gelten als Bischof, der Entscheidungen selten im Alleingang trifft, sondern möglichst viele Katholiken des Bistums einzubeziehen versucht. Das kann mitunter auch zäh und mühselig sein. Sind Sie im Laufe der Zeit autoritärer geworden? Gibt es Situationen, in denen Sie schon mal auf den Tisch hauen und sagen ,Basta, das wird jetzt so und so gemacht!'?
Entscheidungen müssen fallen, daran kann und will ich mich nicht vorbeidrücken. Die Frage ist, ob man auf dem kurzen Wege oder auf einem längeren Weg zu den Entscheidungen kommt. Bei Themen, wo das möglich ist, ziehe ich nach wie vor den längeren Weg vor. Ich bin bemüht, Verantwortung auf eine möglichst breite Basis zu verteilen. Nicht immer aber ist das möglich.
Manche Katholiken haben den Eindruck, daß die politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre in Sachsen-Anhalt zu einer Belastung der Ökumene geführt haben. Teilen Sie diesen Eindruck?
Die Ökumene zwischen den Kirchen ist in Sachsen-Anhalt nach wie vor gut. Es gibt regelmäßige Kontakte mit den anderen Kirchenleitungen. Wir bereiten uns ja auch schrittweise miteinander auf das Jahr 2000 vor durch Veranstaltungen auf Gemeinde-, Dekanats- und Bistumsebene. In der Regel werden gemeinsame Fragen, die sich deutlich abzeichnen, abgesprochen und gegenüber der Landesregierung und der Öffentlichkeit gemeinsam verantwortet. In der Frage des Religionsunterrichts zum Beispiel hat es eine Reihe veröffentlichter Stellungnahmen beider Kirchen geben. Natürlich gibt es hier und da auch unterschiedliche Meinungen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Vorherrschend muß immer unser gemeinsamer Auftrag sein, das Evangelium hierzulande zu verkünden und dafür Wege zu suchen.
Derzeit wird ein Weihbischof für das Bistum Magdeburg gesucht. Was erhoffen Sie sich von ihm?
Mit 27 000 Quadratkilometern ist Magdeburg von der Fläche her die viertgrößte Diözese in Deutschland. Die Präsenz des Bischofs in den Gemeinden könnte verbessert werden, um an den Nöten und Sorgen der Menschen mehr Anteil nehmen zu können. Allein kann ich das aber nicht leisten. Auch in der Öffentlichkeit und in der Ökumene ist das Bischofsamt immer mehr gefordert. Die Seelsorge an den Priestern und hauptamtlichen Mitarbeitern müßte vertieft werden, ebenso das Bemühen um geistliche und kirchliche Berufungen. Ich wünsche mir an erster Stelle, daß sich der Weihbischof dieser "Personalfrage" in besonderer Weise annimmt.
Haben Sie sich persönlich ein Limit gesetzt, wie lange Sie im Amt bleiben wollen?
Es ist so üblich, daß man als Bischof bis zu seinem 75. Geburtstag im Amt bleibt, sofern man gesundheitlich dazu in der Lage ist. Ich denke, daß ich das auch so halten werde, wenn ich vorher nicht krank werde, oder meine Kollegen mir nicht sagen: Es wäre jetzt wohl besser, du gingest. Bis jetzt fühle ich mich eigentlich noch ganz gut.
Eine letzte Frage zur unmittelbaren Zukunftsplanung: Ein Schwerpunkt im Jahresprogramm des Bistums soll das "offene Familienforum" sein, das im Juni in Halle stattfindet. Welche Erwartungen knüpfen Sie an diese Veranstaltung?
Ehe und Familie werden aus verschiedenen Gründen gegenwärtig zur Disposition gestellt. Wir wollen vom katholischen Selbstverständnis her deutlich machen, daß Ehe und Familie nicht nur eine beliebige Form des Zusammenlebens von Mann und Frau sind. Nach unserem christlichen Grundverständnis hat diese Art und Weise der Beziehung einen tiefen Grund im Offenbarungsgeschehen. Das Familienforum soll einerseits helfen, in den Familien selbst das Bewußtsein dafür wachzuhalten und zum anderen auch, dieses Anliegen in die Öffentlichkeit einzubringen. Auch wollen wir uns stärker für die Belange von Ehe und Familie einsetzen. Wir wollen über die Frage sprechen, wie Ehe und Familie heute gelebt werden können. Wo liegen die Chancen, wo die Gefährdungen, wie kann diese Lebensform gefördert werden und welchen Beitrag können wir als Kirche geben. Dabei geht es um den Wert menschlichen Lebens überhaupt, um Kinderfreundlichkeit, auch die aktuelle Schwangerschaftsproblematik muß dabei zur Sprache kommen.

Interview: Dorothee Wanze

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 10 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.03.1999

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