Eckpfeiler fr Kirche der Zukunft
Pastoraltag
Erfurt (ep) - Wie kann die Erfurter Ortskirche "eine gastfreundliche und wegweisende Kirche sein und immer mehr werden"? Wie kann es gelingen, den vielen Nichtchristen einladend von der Botschaft Jesu zu erzhlen? Mit diesen Fragen befaten sich die Teilnehmer des Pastoraltages, der in der vergangenen Woche in Erfurt stattfand. Motto: ",Das Licht auf den Leuchter stellen.' Eine gastfreundliche und wegweisende Kirche sein und werden"
Der Pastoraltag machte deutlich: Es gibt eine Vielzahl kirchlicher Initiativen, mit denen Christen in die Gesellschaft hinein wirken. Die vorgestellten "Mglichkeiten einer gastfreundlichen und wegweisenden Kirche" reichten von den christlichen "Gedanken zur Nacht" im MDR-Radio Thringen (dazu Tag des Herrn 28/98, S. 19) ber den Hospizdienst (Tag des Herrn 6/99, S. 15) und die Lebensweise der Kleinen Schwestern Jesu (19/95, S. 3) bis zu den Tagen der Orientierung fr Schulklassen (46/95, S. 14), Kirchenfhrungen als Chance fr die christliche Botschaft ( Tag des Herrn 24/97, S. 15; 15/98, S. 15) und kleinen Geschenken als Zeichen des Wohlwollens gegenber nichtchristlichen Teilnehmern in der weihnachtlichen Christnacht
Bischof Joachim Wanke fragte nach Kriterien fr die Berechtigung aller dieser Aktivitten aus der Sicht des Evangeliums. "Jede dieser Aktionen sollte einen Proze auslsen", so der Bischof. Zweitens sollten sich die Initiatoren fragen: "Ist das glaubwrdig, was wir machen? Ist es Ausdruck dessen, was Christen wichtig sein mu? Hat es Christusprofil?" Ein weiteres Kriterium mte sein: "Bringt ein Engagement Menschen zusammen? Werden autonome Sinnwelten (Wirtschaft, Wissenschaft) vernetzt?"
Der Eisenacher Pfarrer Dr. Hans-Andreas Egenolf berichtete von einem Tunnelanstich fr die Rennsteig-Autobahn A 71, an der er im vergangenen Jahr im Auftrag des Bischofs teilnahm. Seine Frage damals: Sollen wir als Kirche die Einladung annehmen, beim Start der Bauarbeiten eine Ansprache zu halten und den Segen zu spenden, zumal der Autobahnbau aus kologischen Grnden umstritten ist. Vor Ort stellte der Priester dann fest: Bei einem Tunnelbau spielt die heilige Anna als Patronin der Bergleute eine wichtige Rolle. Zudem sind im konkreten Fall die beteiligten Arbeiter berwiegend aus Baden-Wrttemberg und katholische Christen - Grnde, die fr seine aktive Teilnahme als Seelsorger sprachen. Egenolf: "Ich halte es jetzt so: Wenn ich gebeten werde, bei Veranstaltungen etwas zu sagen, dann nehme ich die Gelegenheit war, das zu sagen, was ich vom Evangelium her fr richtig halte."
Zu den Beratungen von Freitag- bis Samstagabend waren 120 Teilnehmer zusammengekommen, darunter die Dechanten, die Seelsorgereferenten der Dekanate, je drei (Laien-)Mitglieder aus den Dekanatsrten sowie Vertreter der Orden und geistlichen Gemeinschaften, Vertreter des Katholikenrates und der katholischen Verbnde
Auenwirkung erzielt die Kirche am ehesten dort, wo persnliche Zuwendung geschieht. Darin stimmten die Teilnehmer weithin berein. Strittiger war hingegen, welche Chancen eine solide /ffentlichkeitsarbeit bietet. Fr den Vorsitzenden des Katholikenrates, Helmut Gro, ist es sehr wichtig, da Christen ihre Positionen mit den Mitteln der Medien bekannt machen. Der Mhlhausener Pfarrer Gregor Arndt stellte eine tiefgreifende Vernderung hinsichtlich der ueren Bedingungen fr den Glaubensvollzug fest: "Orte und Zeiten des Glaubensgeschehens lsen sich auf. Menschen sind die ganze Woche ber nicht an ihrem Heimatort oder mssen frh losfahren und kommen abends erschpft nach Hause." Die Heimatpfarrei spiele eine immer geringere Rolle fr den Glaubensvollzug des einzelnen. Seine Frage: Welche Hilfestellung kann Gemeinde und Kirche bieten? Andererseits wurde festgestellt: Bei aller Notwendigkeit, aus der zu DDR-Zeiten vorrangig gemeindezentrierten kirchlichen Arbeit in den gesellschaftlichen Raum hinein aufzubrechen, hat das Mit- und Freinander in einer lebendigen Gemeinde auch weiterhin groe Bedeutung
Um ihren Auftrag zu erfllen, darf sich die Kirche nicht auf die Gemeinde beschrnken. Darin waren sich auch die Teilnehmer einer Gesprchsrunde einig, bei der "Auenansichten von Kirche und Gemeinde" zusammengetragen werden sollten. Die Gemeinden sind nach Einschtzung des Erfurter Landgerichtsprsidenten Manfred Scherer "eher nicht missionarische Orte". Stattdessen betrachtet der katholische Christ das kirchliche Engagement in Sozialeinrichtungen wie der "Erfurter Brcke" als Chance, Nichtchristen - in diesem Fall Jugendliche - mit der Botschaft des Evangeliums in Berhrung zu bringen. Solches Engagement, sofern es aus christlichem Geist geschieht, knne aber nur von Menschen geleistet werden, die in einer Gemeinde beheimatet sind. Darauf wies Dr. Eberhard Liesaus aus Heiligenstadt hin. Der Dezernent fr Jugend, Sport, Gesundheit und Soziales im Landkreis Eichsfeld kritisierte die Art und Weise der "Konkurrenz" kirchlicher Trger sozialer Einrichtungen untereinander. Zugleich mahnte Liesaus, der auch Amtsarzt ist: "Ich glaube, da wir als Kirche durch das starke Engagement in von der Gesellschaft finanzierten Bereichen wichtige andere Aufgabenfelder wie zum Beispiel die Sorge um alte und einsame Menschen zu Hause bersehen." Die Erfurter Journalistin Dr. Inge Link berichtete von "respektvollem Interesse" seitens ihrer Kollegen, "wenn man sich als Christ zu erkennen gibt". Die ihrer Meinung nach "etwas konservative, aber nicht unpolitische" Grundhaltung der katholischen Kirche beurteilt sie als "dienlich" fr das Wohl der Gesamtgesellschaft
Professor Dr. Dietrich Gall von der Universitt Ilmenau beobachtet in Intellektuellenkreisen ein "relativ neutrales Verhalten" der Kirche gegenber und praktisch keinerlei militanten Atheismus. Andererseits sei aber auch "keine Religionsbedrftigkeit" festzustellen. Allerdings bedrcke ihn, da die Kirche "in die technikfeindliche Ecke geschoben wird". Chancen, kirchliche Auffassungen ins Gesprch zu bringen, sieht Gall bei ethischer Diskussionen zum Beispiel der Bioethik oder Technikfolgenabschtzung. "Dort wird gefragt: Was sagt die Kirche", so der katholische Hochschullehrer. Der Generalintendant des Erfurter Theaters, Dietrich Taube, stellte zur Disku-sion, inwieweit die Gottesdienste einladend genug fr Nichtchristen seien
Der Mhlhausener Pfarrer Gregor Arndt, der alle Gesprche des Pastoraltages moderierte, sagte abschlieend provokatorisch: "Ich hre berall den Satz: ,Wir wollen natrlich niemanden missionieren.¥ - Ich frage euch: ,Was wollt ihr eigentlich?¥"
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 21.03.1999