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Bistum Görlitz

Gruppe aus Görlitz verzichtet gemeinsam

Heilfasten

Görlitz (jh) - Geht das überhaupt? Wird dir da nicht schlecht? Ist das nicht gefährlich? - Diese oder ähnliche Fragen hatten die Arbeitskollegen vor Jahren, als Barbara Hupe mit dem Heilfasten begann. Eine Woche in der Passionszeit aß sie nichts mehr, sondern trank nur noch. Mittlerweile haben sich die Kollegen daran gewöhnt, daß sie in dieser Zeit zum Dienstfrühstück eben kein Marmeladenbrötchen, sondern nur eine Tasse Tee vor sich auf dem Tisch hat und: "Das Staunen darüber, daß man deswegen trotzdem lachen und arbeiten kann, ist vorbei", stellt Frau Hupe fest.

Seit einigen Jahren macht die Caritas-Sozialarbeiterin nun schon mit beim jährlichen Heilfasten in ihrer Gemeinde St. Jakobus in Görlitz. An vielen Orten gehört mittlerweile eine Fastenwoche zur Passionszeit. Vor fünf Jahren hatte Pfarrer Wolfgang Kresák in Görlitz die Idee dazu gehabt, viel darüber gelesen und es anschließend einfach mal ausprobiert. Wegen der guten Erfahrungen wurde eine Tradition daraus. So hatte sich auch in diesem Jahr wieder eine Gruppe von elf Leuten zusammengefunden, die eine Woche lang fasten wollten. Das bedeutete für die sieben Frauen und vier Männer nicht nur, einen großen Bogen um die Süßigkeiten zu machen, oder auf das Fernsehen zu verzichten, sondern sich nur von Flüssigkeit zu ernähren. Manche von ihnen machten zum ersten Mal mit, andere, wie zum Beispiel Barbara Hupe, sind "Wiederholungstäter"

Um den Körper an die neue Situation zu gewöhnen, begannen die "Faster" mit zwei sogenannten Entlastungstagen, an denen sie sich vorwiegend von leichter Kost ernährten, also von Reis oder Kartoffeln, Rohkost und Joghurt. Dann ging es richtig los: Morgens ein bis zwei Tassen Kräutertee, mittags Gemüsebrühe oder Gemüsesaft, am Nachmittag wieder Kräutertee und abends dann wieder heiße Gemüsebrühe oder Obstsaft. Ansonsten stand auf dem Speiseplan nur jede Menge Wasser. Und wenn der Hunger sich dann doch mal meldete, half ein Stückchen Zitrone zum Aussaugen. Die ersten zwei bis drei Tage seien am schwersten durchzuhalten gewesen, stellten die Teilnehmer der kleinen Gruppe fest. Danach hätten viele von ihnen keinen Hunger mehr gehabt, selbst wenn sie abends mit ihren Familien vor einem reich gedeckten Tisch saßen. Manch einer hatte sogar einige Tage eher angefangen, um das Fasten intensiver erleben zu können

Viele Mediziner empfehlen diese Form des Fastens. Denn schon nach wenigen Tagen stellt sich der Körper auf die neue Situation ein, und beginnt, aus seinen Reserven zu leben. Er kann entschlacken. Zudem schöpft der Körper Kraft, um später leistungsfähiger zu sein. Nicht zuletzt ist dies nach Aussagen einiger Mediziner die ungefährlichste Methode, das Gewicht zu reduzieren. Doch all das steht für die Görlitzer Faster nicht so sehr im Vordergrund. Bei ihnen kommt das zum Tragen, was viele Christen über Jahrhunderte erfahren haben: Fasten bedeutet nicht in erster Linie Hunger und Entbehrung, sondern die Seele des Menschen kann aufatmen. Nicht nur der Magen ist angesprochen, sondern der ganze Mensch kann Erfahrungen machen, auch mit Gott. Einige der Görlitzer, die schon mal am Fasten teilgenommen haben, können das bestätigen: Sie fühlten sich danach oft freier und entkrampfter.

Jeden Abend der Fastenwoche haben sie sich getroffen, um auf Gott zu schauen, einen geistlichen Impuls zu bekommen - sei es, um die Vesper zu beten, sich über einen Bibeltext auszutauschen, eine Gebetsstunde zu halten, den Kreuzweg zu beten oder die heilige Messe zu feiern. Natürlich gehörte es auch jeden Abend dazu, gemeinsam den Abendtee zu trinken und sich auszutauschen über die Erfahrungen beim Fasten. Das tägliche Zusammensein gehörte für die Görlitzer zur Fastenwoche wie der Kräutertee

Im vergangenen Jahr habe sie entdeckt, daß gerade die Gemeinschaft miteinander sehr schön und auch sehr intensiv gewesen sei, sagt die 17jährige Gymnasiastin Anna Elsner. Und viele der anderen nicken dazu, obwohl die Gruppe bunt zusammengemischt ist - vom Alter her, aber auch von den vertretenen Berufen. auch die individuellen Beweggründe waren unterschiedlich. Edeltraut Schönfeld, eine Rentnerin, hatte sich nach der großen Hungersnot nach Kriegsende geschworen, nie mehr auf Essen zu verzichten. Doch angesichts des großen Überflusses, der heutzutage vielerorts in Deutschland herrscht, wollte sie ganz bewußt einmal reduzieren - und fastete in diesem Jahr auch schon zum zweiten Mal mit.

Viele von ihnen haben außerdem die Erfahrung gemacht, daß sie beim Fasten sensibler wurden, beispielsweise für Gerüche, oder dafür, wie oft es in der Werbung um Essen geht. Das fällt umso mehr auf, da die meisten trotz des Fastens ihrem normalen Berufsalltag nachgehen und teilweise ihre Familie versorgen und auch "bekochen" müssen

Natürlich vernachlässigen sie auch die Gefahren nicht, die das Heilfasten mit sich bringen kann. Sie alle wissen, daß man nach Operationen oder körperlicher und nervlicher Überbelastung, sowie bei der Einnahme von Medikamenten nicht in dieser Form verzichten kann

Pfarrer Wolfgang Kresák hatte im Vorfeld kein große Reklame für die Aktion gemacht. Nur wer Lust hatte, sollte auch mitfasten, denn eine für ihn sehr wichtige Regel lautet: Nicht verkrampfen, sondern locker bleiben! Und so mußte sich in der kleinen Gruppe keiner gezwungen fühlen, sondern nur soviel mitmachen, wie er selbst es wollte und sich dabei wohlfühlen konnte

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 12 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 28.03.1999

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