Reli-Klasse ging ins Kloster
Ordensleben
Nordhausen (abl/tdh) - Eine Fahrt besonderer Art haben Schüler von Religionsgruppen der elften und zwölften Klassen zweier Gymnasien in Nordhausen unternommen. Gemeinsam mit ihren Religionslehrern Pfarrer Wolfgang Ipolt und Ursula Blaschka fuhren die 13 Jugendlichen für ein Wochenende in das Benediktinerinnen-Kloster St. Gertrud in Alexanderdorf südlich von Berlin. "Wir wollten erleben und kennenlernen, was Klosterleben bedeutet", sagt Anett Blaschka, eine der Schülerinnen
In der Abtei St. Gertrud wurden die Gymnasiasten von Schwester Johanna Schwalbe OSB begleitete. Die Ordensfrau, die seit 20 Jahren in Alexanderdorf lebt, machte uns zunächst mit dem Klostergelände bekannt und lud uns ein, am Stundengebet und der täglichen Eucharistiefeier teilzunehmen, aber auch kleine Alltagsaufgaben wie Tischdienste zu übernehmen, erzählt Anett Blaschka. "Wir waren von Anfang an von der Gastfreundlichkeit begeistert, die uns die Ordensfrau und ihre Mitschwestern entgegenbrachten."
Was Stundengebet ist, hatten die Schüler im Religionsunterricht behandelt. Nun also konnten sie dabei sein, wie die Schwestern im liturgischen Wechselgesang die mehr als 2000 Jahre alten Pslamen des Alten Testaments zu ihrem Gebet werden lassen. "Am Samstag morgen fiel es einigen von uns schon ein bißchen schwer, bereits um 6.00 Uhr zu den Laudes in der Klosterkirche zu sein", gesteht Anett Blaschka. "Aber durch die Teilnahme am Stundengebet zu den verschiedenen Tageszeiten haben wir wirklich einen kleinen Einblick bekommen", so die Gymnasiastin
Am Samstagvormittag stand Schwester Johanna dann den Jugendlichen Rede und Antwort. "Uns hat fasziniert, mit welcher Entschiedenheit die Schwestern leben und wie sie versuchen, zu vermitteln, warum ein Mensch sich entscheidet, ins Kloster zu gehen. Es war schon überzeugend, wie die relativ junge Ordensfrau von ihrem Leben und ihrer Entscheidung erzählt hat", sagt Anett Blaschka
Derzeit leben 28 Ordensfrauen in der Abtei. "Im Vordergrund steht das Gebet", berichtete Schwester Johanna. Siebenmal am Tag singen und beten die Benediktinerinnen das Stundengebet der Kirche. Für die Ordensfrauen sei aber auch die Arbeit eine Möglichkeit des Dialogs mit Gott. Ihre Arbeit verstehen die Benediktinerinnen allerdings nicht vorwiegend als Leistung, sondern als Ausdruck des Dienens füreinander. Von daher sei die Arbeit dem Beten, aber auch dem gemeinsamen Leben untergeordnet: drei Stunden arbeiten die Schwestern am Vormittag und drei am Nachmittag. Aufgaben im Haus, in der Küche, im Garten sowie in der Wäscherei, aber auch bei der Gästebetreuung und in einer Paramentenwerkstatt gehören zu den Arbeitsgebieten. Haupteinkunftsmöglichkeit der Schwestern ist jedoch eine Hostienbäckerei, die Gemeinden in ganz Deutschland beliefert
Die meiste Zeit, so berichtete Schwester Johanna, soll nach der Ordensregel des heiligen Benedikt im gemeinsamen Suchen nach Gott verbracht werden. Dabei sei den Benediktinerinnen auch der Grundsatz "ora et labora", bete und arbeite, wichtig. "Durch unsere Ausrichtung auf Gott fühlen wir uns aber auch intensiv mit dem Weltgeschehen und mit allen Menschen verbunden", so Schwester Johanna weiter. Dies solle unter anderem in der Gastfreundschaft zum Ausdruck kommen. Selbstverständlich gebe es auch Zeiten der Gemeinschaft und persönliche Zeit im Kloster. "Wir sind nichts Exotisches", so Schwester Johanna. Die Klausur verstehen die Ordensfrauen nicht als Abgrenzung, sondern in erster Linie als Schutz, um sich in Stille sammeln und im Frieden der Begegnung mit Gott nachgehen zu können
"Die Atmosphäre ist sehr ruhig", sagt Anett Blaschka. "Trotz des geregelten Tagesablaufs artet das Leben offensichtlich nicht in Streß aus - eine schöne Atmosphäre, um zu sich selbst und Zeit für Gott zu finden."
Während des Samstagvormittags lud Schwester Johanna die Schüler auch zu einer gemeinsamen Meditation ein. Am Nachmittag hatten die Gymnasiasten dann Zeit, bei einem Spaziergang in der Natur über das Erfahrene nachzudenken oder sich einfach auszuruhen. Der Abend wurde gemeinsam verbracht
"Interessant für uns war auch, zu erfahren, welchen Weg jemand gehen muß, bis er in den Orden aufgenommen wird", erzählt Anett Blaschka. Vor allem, so berichtete Schwester Johanna, müsse man "ein inneres Gespür für diesen Auftrag haben". Voraussetzung ist auch eine abgeschlossene Berufsausbildung. Erst dann kann jemand mit dem Postulat beginnen. Postulat und Noviziat bieten der Bewerberin Gelegenheit, sich einzuleben und zu prüfen, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist. Wenn dann auch die Ordensgemeinschaft dem Beitritt zustimmt, wird die Novizin nach sechs Jahren in den Orden aufgenommen.
Und auch das erfuhren die Schüler: Die Benediktinerinnen bieten Gelegenheit, zu "Tagen im Kloster" nach Alexanderdorf zu kommen oder sogar für eine Zeit im Kloster mitzuleben
Infos gibt es bei: Benediktinerinnen-Abtei St. Gertrud, Dorfstr. 1, 15806 Kummersorf-Alexanderdorf, Tel. 03 37 03 / 91 60.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 04.04.1999