Anschläge gaben Anstoß zum Dialog
Christliche Jugendliche trafen Vertreter einer amerikanischen und einer islamischen Gemeinde
Senftenberg/Berlin -Die Anschläge vom 11. September haben viele Staaten zusammengeschweißt zu einer Allianz gegen den Terror. Jetzt stehen Länder in Kontakt miteinander, zwischen denen vorher kaum Gespräche stattfanden. Aber nicht nur Politiker, auch junge Menschen aus dem Raum Senftenberg nahmen die tragischen Vorfälle in den Vereingten Staaten zum Anlass, den Dialog mit anderen Menschen zu suchen: Mehr als 20 hauptsächlich katholische und evangelische Jungen und Mädchen trafen sich am 26. und 27. Oktober in Berlin mit Mitgliedern einer amerikanischen und einer islamischen Gemeinde.
Das Dekanat Senftenberg und der Kirchenkreis Senftenberg-Spremberg hatten zum ersten Mal eine solche ökumenische Jugendfahrt veranstaltet. Die Initiatoren, Pfarrer Thomas Besch und Gemeindereferentin Ingrid Schmidt auf katholischer und Pfarrer Christian Weber auf evangelischer Seite, wollten damit gleich mehrere Ziele erreichen: Zum einen sollten die Jugendlichen beider Konfessionen sowie die drei konfessionslosen Teilnehmer Gelegenheit haben, einander besser kennen zu lernen. Pfarrer Besch äußerte die Hoffnung, dass davon auch die Ökumene im Raum Senftenberg profitieren könne. Zum anderen wollten die Organisatoren den jungen Deutschen Begegnungen mit Menschen aus anderen Ländern -zwei der Teilnehmer stammten aus Afrika -und Angehörigen einer anderen Religion ermöglichen.
Ein Thema bei diesen Geprächen waren die Anschläge vom 11. September und die Reaktion der USA darauf. Die sechs Jugendlichen der amerikanischen Gemeinde äußerten sich sehr kritisch zu den Luftangriffen auf Afghanistan. Eine von ihnen, die 15-jährige Margit, stellte sie sogar auf eine Ebene mit den Terroranschlägen in den Vereinigten Staaten.
Einige der Teilnehmer überraschte diese Haltung. In ihren eigenen Reihen gab es auch andere Stimmen. Zum Beispiel findet es Alfred Lyonga (26) aus Sedlitz richtig, dass die Amerikaner mit Waffengewalt gegen die Taliban vorgehen. Denn wer einem Kriminellen Unterschlupf gewähre, sei selbst ein Verbrecher, sagte Alfred.
Auch die beiden Frauen von der islamischen Gemeinschaft in Berlin, die den Jugendlichen am Samstagvormittag die Alnur-Moschee im Stadtbezirk Neukölln zeigten, bezogen deutlich Stellung zum Vorgehen von Präsident Bush. "Für das, was jetzt politisch passiert, habe ich persönlich kein Verständnis", sagte die deutsche Muslima Beate Heinrich. Die Behauptung, dass islamische Fundamentalisten die Anschläge verübt hätten, rechtfertige nicht das Bombardieren eines Landes. "Das Recht zu Gewalt hat niemand", meinte Beate Heinrich. Gegen Frauen und Kinder Krieg zu führen, sei nach der Lehre des Islam "absolute Sünde". Das hätten sicher auch die Attentäter in den Flugzeugen gewusst.
Das Thema Israel beschäftigte die jungen Leute aus dem Raum Senftenberg am Samstagnachmittag. Zwar erfuhren sie im neu eröffneten Jüdischen Museum nichts über die politische Situation im Nahen Osten, dafür aber umso mehr über die Religion der dort lebenden Juden und über die deutsch-jüdische Geschichte. Den Abschluss des Wochenendes bildete am Sonntagvormittag ein gemeinsamer Gottesdienst mit der Ostberliner Studentengemeinde, in deren Räumen die Jugendlichen übernachtet hatten.
Karin Hammermaier
Drei Tage, um den eigenen Horizont zu erweitern: Das Gespräch mit Mitgliedern einer amerikanischen Gemeinde, der -für fast alle -erste Besuch in einer Moschee und der Abstecher ins Jüdische Museum boten den Jugendlichen aus dem Raum Senftenberg Gelegenheit, ein Wochenende lang bewusst über den eigenen Tellerrand zu blicken. Vier der Teilnehmer sagen, was ihnen besonders gut gefallen hat und welche Eindrücke sie von dieser ökumenischen Jugendbegegnung mit nach Hause nehmen:
[Teilnehmer 1 wurde auf eigenen Wunsch gelöscht]
Christopher Platta (15), Sedlitz: Die Moschee fand ich interessant, vor allem der Teppich hat mich fasziniert. Mit den Muslimen haben wir uns in drei Sprachen unterhalten: Deutsch, Englisch und Französisch. Das Museum ist auch gut, zum Beispiel war ich in einem Film über Juden in Worms.
Falk Jähnchen (14), Senftenberg: Es gibt so viele Religionen. Jeder sagt, dass seine die richtige ist. Ich frage mich deshalb oft, welche nun die richtige ist. An diesem Wochenende habe ich mitgekriegt, dass Juden, Christen und Moslems alle an einen Gott glauben und es nur unterschiedlich auslegen.
Daisy Demuth (16), Senftenberg: Die Tage waren ganz interessant, zum Beispiel das Gespräch mit denmuslimischen Frauen. Von ihnen habe ich erfahren, dass die Moslems eigentlich friedliche Menschen sind und dass es nicht stimmt, dass Frauen im Islam nicht gleichberechtigt sind.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 01.11.2001