Heimatrecht und Angst vor Deutschen
Schlesien-Forum
Ostritz (tdh) - Marcin Zawila, Präses der Euroregion Neiße in Hirschberg (Jelenia Gora) sieht eine Gefahr des Ausverkaufs Polens an die Deutschen nicht: Die Großinvestoren in seiner Region kommen aus Schweden, Korea und den USA. Deutsches Engagement zeige sich in vielen kleineren Initiativen
Wie weit Deutsche, die aus Niederschlesien stammen, dorthin zurückkehren können und wollen, das war Leitfrage des Schlesien-Forums der Gemeinschaft für deutsch-polnische Verständigung, das in den Tagen um Palmsonntag in der Bildungsstätte der Zisterzienserinnenabtei St. Marienthal stattfand
Über 50 junge Christen aus Deutschland und Polen, die eine familiäre Beziehung oder Interesse an Schlesien in Vergangenheit und Gegenwart haben, trafen zusammen, um schwierige Belange des Zusammenlebens beider Völker zu diskutieren
Vertriebene Deutsche, die in ihre Heimat zurückkehren möchten, werden manchmal als nationale Provokation und als Versuch der Regermanisierung bewertet. Die jungen Leute suchten das direkte Gespräch. Zum Beispiel mit Edith Jacobs, die in Erinnerung an Eindrücke ihrer Kinderzeit auf dem Grundstück einer Freundin in der Grafschaft Glatz (Ziemia Klodzka) in liebevoller Kleinarbeit ein Heimathaus mit Gästezimmern errichtete, in dem Heimwehtouristen ein Stück Heimat wiederfinden können
Christoph Graf von Schmettau berichtete über sein Projekt, im ehemaligen Sitz seiner Familie, einem Schloß am Fuße des Riesengebirges, eine europäische Akademie zu errichten, die eine Ergänzung der Bildungsinfrastruktur der Region sein will. Die Diplomatin Ingeborg Gräfin von Pfeil lebt in Lomnitz bei Hirschberg, wo sie eine Kulturinitiative leitet. Das dortige Schloß, Mittelpunkt der Initiative, wurde in einem deutsch-polnischen Joint-venture erneuert
Die rechtliche Dimension der Heimkehr bewerteten Juristen: Dieter Radau vom Bund der Vertriebenen analysierte gemeinsam mit zwei jungen Juristen aus Niederschlesien die Situation. Hilfreich war dabei die Einordnung in die international üblichen Gepflogenheiten. In Polen können deutsche Bürger generell auch Eigentum erwerben, es bedarf jedoch in jedem Einzelfall der Zustimmung des Innenministeriums. Die wird in der überwiegenden Zahl der Fälle irgendwann erteilt. Großen Einfluß auf Dauer und Ergebnis der Entscheidung hat dabei aber auch die wirtschaftliche Bedeutung: Gewerbliche Projekte werden zügig gefördert. Die Chancen privater Anliegen, etwa einer Sommerwohnung, sind geringer
Hoffnung und Zuversicht für die Zukunft brachte den jungen Leuten der Vergleich mit der Euregio Rhein-Maas um Aachen. Von dort berichtete Europapolitiker Armin Laschet. Er beschrieb einen 50jährigen Prozeß, in dem sich Deutsche, Belgier und Niederländer trotz historischer Spannungen einander annäherten. Heute werden nicht nur für Probleme der Wirtschafts-, Sozial- und Kulturstruktur gemeinsam Lösungen entwickelt. In den niederländischen und belgischen Vororten der Stadt Aachen leben viele Deutsche, zwar nicht ohne Probleme, aber in einer Atmosphäre, in der Probleme in Wohlwollen gelöst werden
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 11.04.1999