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Aus der Region

Zehn Jahre ökumenische Versammlung in der DDR

Bilanz

Dresden (mh) - Eines war unumstritten: Die Ökumenische Versammlung in der DDR hat einen wesentlichen Beitrag zur politischen Wende 1989 geleistet. Die Antworten auf die Frage, was in den letzten zehn Jahren aber daraus geworden ist, fielen unterschiedlich aus. Rund 180 Teilnehmer hatten sich am letzten Wochenende in Dresden versammelt, um unter dem Motto "Ist die Hoffnung gegangen?" eine Bilanz zu versuchen

Eine typische Erfahrung schilderte Heiko Lietz aus Güstrow: Bis 1996 habe es in Mecklenburg-Vorpommern jährlich Ökumenische Versammlungen gegeben. Das Interesse sei immer geringer geworden. "Ist die Hoffnung gegangen, als wir nur noch 30 Leute waren? Nein, sie ist ausgewandert und hat sich ein anderes Umfeld gesucht, beispielsweise das gemeinsame Sozialwort der Kirchen." Ähnliches berichtete Dr. Hannelore Franck aus Dresden über den ökologischen Arbeitskreis der Stadt. Er sei 1992 aufgelöst worden, die Arbeit aber werde - professioneller und zusammen mit anderen Initiativen - im Ökumenischen Informationszentrum Dresden (gegründet in der Folge der Ökumenischen Versammlung) fortgesetzt

Für Heinz Kitsche (Inkota Sachsen) sind in den letzten Jahren die Möglichkeiten des entwicklungspolitischen Engagements gewachsen. Dennoch stellte er ein "totales Scheitern" der damals formulierten "vorrangigen Option für die Armen" fest: Die Ökumenische Versammlung habe den Konsumstandard des Westens kritisiert. Heute - nach der deutschen Einheit - werde dieser Standard dort, wo er noch nicht erreicht sei, eingeklagt. "Die Kirchen haben im Herbst 89 vergessen, wozu sie sich im Frühjahr verpflichtet hatten", meinte Kitsche

In ähnliche Richtung ging die Kritik des früheren evangelischen Propstes von Erfurt, Heino Falcke: Die derzeitige Politik laufe den Forderungen der Ökumenischen Versammlung geradezu entgegen. Kapitalinteressen hätten Vorrang vor dem Sozialstaat, militärische Konfliktlösungen vor zivilen und Wirtschaftsinteressen vor der Bewahrung der Umwelt. Auch die Kirchen würden dem "nur halbherzig, wenn überhaupt, widersprechen."

Die neun Arbeitsgruppen der Tagung zeigten, daß das Anliegen des Konziliaren Prozesses und so manches in den Texten von damals längst nicht überholt ist, und daß es auch heute Möglichkeiten gibt, sich dafür zu engagieren: Obwohl es sich um die Bundeswehr und nicht mehr die NVA handele, sei weiter in der Frage des Militärdienstes eine Gewissensentscheidung nötig, hieß es beispielsweise. Oder: Die Agenda 21 (weltweites Aktionsprogramm für eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung im 21. Jahrhundert) sei eine politische Entsprechung zum Konziliaren Prozeß, so daß es Möglichkeiten einer Zusammenarbeit gebe. Und der Krieg in Jugoslawien unterstreiche die Forderung von damals, die Institution des Krieges zu überwinden. Eine Erklärung zum Kosovo-Krieg mit dem Titel "Frieden jetzt!" wurde allerdings nicht abgestimmt, sondern konnte nur von den Teilnehmern unterschrieben werden

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 16 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 25.04.1999

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