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Auf zwei Minuten

Der Weg zu Gott führt über den Mitmenschen

von Pater Damian

Pater Damian Meyer Zusammen mit unserem Ordensmeister habe ich vor Jahren ein Kloster klausurierter Dominikanerschwestern besucht. Wir kamen ins Gespräch über die Weltlage und das Gebet. Mir fiel auf, wie gut doch die Schwestern über die Geschehnisse in der Welt Bescheid wussten und wie viel Hintergrundwissen sie hatten. Ich hatte erwartet, dass sie sich in ihrem geschlossenen Kloster, das sie nur in Ausnahmefällen verlassen durften, nur über "geistliche Dinge" informierten. "Wenn wir genau wissen, was die Sorgen und Nöte der Menschen sind und wie die Weltlage im Allgemeinen ist, dann können wir besser und konkreter unsere Anliegen vor Gott tragen", sagte die Priorin. "Auch für uns führt der Weg zu Gott über unsere Mitmenschen. Wir sind ja nicht aus egoistischen Gründen hier eingeschlossen und abgeschirmt von der Welt. Wir leben hier stellvertretend für andere, die nicht so viel Zeit und Muße zur Betrachtung und zum Gebet haben. Ihre Anliegen und Sorgen werden dann auch unsere."
Für uns Christen eigentlich eine Binsenweisheit: Wir sind zur Gemeinschaft berufen. Gottes Sohn ist Mensch und unser Bruder geworden und so der "Weg, die Wahrheit und das Leben". Die Liebe zu Gott ist untrennbar von der Nächstenliebe: "Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. Und dieses Gebot haben wir von ihm: Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben."(1 Joh 4,20-21).

Auch in anderen Religionen gibt es diese Einsicht, wie die folgende Legende zeigt: Zwei Mönche lebten im Tal des Himalaya. Jeder bewohnte eine eigene Hütte und widmete sich seinen frommen Übungen. Sie lasen die Veden, die heiligen Schriften, schwiegen allezeit und sprachen nicht miteinander, denn keiner besuchte den anderen. Aber viele andere Menschen besuchten diese Mönche und staunten über ihren strengen Lebensstil und ihre Heiligkeit. Eines Tages kam Gott zu einem von ihnen und fragte ihn nach dem Weg, der zu dem anderen führt. Den Weg zum anderen wisse er nicht, sagte dieser. Da ging Gott traurig zum Himmel zurück. Nach langen Jahren starben diese heiligen Mönche, und ihre Hütten blieben verwaist. Eines Tages zogen zwei Ureinwohner in die beiden Hütten ein. Sie machten einen Weg, um die Hütten zu verbinden, um sich täglich besuchen zu können. Gott kam herab und sah zu seinem Erstaunen einen Weg zwischen den beiden Hütten. Voll Freude wandelte er von einer Hüfte zur anderen, und als er weggegangen war, wuchs ein herrlicher Blumenteppich auf den Spuren seiner Schritte.

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 44 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 01.11.2001

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