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Bistum Görlitz

Der Görlitzer Sanitätsrat Doktor Georg Klammt

Vorgestellt

Klammt - Ganz unwillkürlich läßt wohl so mancher Görlitzer beim Klang dieses Namens die Zunge an den Zähnen entlanggleiten oder überlegt, wann er eigentlich das letzte Mal beim Zahnarzt war. Bei Familie Klammt kann man fast von einer "Zahnarzt-Dynastie" sprechen. Ihr berühmtester Vertreter ist Sanitätsrat Doktor Georg Klammt. Drei Patientengenerationen hat der Görlitzer Katholik den Bohrer angesetzt, Löcher gefüllt oder "die Dritten verpaßt", bis er mit 80 Jahren den letzten Patienten behandelte. Mit ernstem Tonfall erzählt er, daß er sich nur ungern von seinen langjährigen Patienen und Mitarbeitern getrennt habe

Doch nicht nur Brücken und Zahnersatz brachten dem heute 92jährigen seine Popularität ein, sondern die Entwicklung des "Elastisch-Offenen Aktivators" - eines Gerätes, mit dessen Hilfe weltweit bei Kindern Stellungsfehler im Gebiß behandelt werden. Vielen ist diese herausnehmbare Zahnspange sicherlich bekannt, die am Anfang ein wenig Schwierigkeit beim Sprechen bereitet, an die sich viele Träger aber ohne größere Probleme gewöhnen können und die nach zwei Jahren meist einen geordneten Kiefer hinterläßt. Sein Ziel, ein Gerät zu entwickeln, das die Kinder so wenig wie möglich belästigt, hat Doktor Klammt erreicht

Und da, wo bei anderen Leuten Abzeichen oder andere Erinnerungsstücke im Regal und auf dem Schreibtisch stehen, sind bei ihm einige Modelle seines Gerätes zu finden, die ihm Kollegen in Erinnerung an sein Lebenswerk geschenkt haben

Begonnen hatte Doktor Klammt das Studium in Freiburg. Der Vater, als Dentist auch Mann vom Fach, hatte ihm vorher in seiner Praxis das erste praktische Grundwissen beigebracht. Er war es auch, der den Sohn später nach Berlin schickte, um die damalige Reichshauptstadt kennenzulernen. Hier erfuhr der junge Student, der der katholischen Jugendbewegung angehörte, von den bedeutenden Professoren der Bonner Universität. So wechselte er ein letztes Mal - nach Bonn, wo seine Begeisterung für die Kieferorthopädie begann - unter Zahnmedizinern, die auf diesem Gebiet als Größen galten. Und auch als er nach dem Examen 1929 in der väterlichen Praxis mitarbeitete, ließ er die Forschung an Gebißfehlbildungen nicht mehr aus den Augen. Kostenlos behandelte er Patienten, um seine praktische Erfahrung vertiefen zu können. Er belegte weiterhin Kurse, bis er Fachzahnarzt für Kieferorthopädie wurde

Später wurde er einer der drei Gutachter, die im Bezirk Dresden kieferorthopädische Arbeiten von Kollegen durchsahen. Solche Gutachten mußten dann bis nach Feierabend liegenbleiben, wenn die Arbeit in der Praxis am Demianiplatz getan war. Hier hatte er, gemeinsam mit seiner Frau - auch eine Zahnärztin - die Praxis des Vaters übernommen. Mehr als hundert junge Kollegen besuchten über die Jahre Doktor Klammt in seiner Praxis und hospitierten bei ihm. Ein gutes Miteinander unter den Kollegen habe ihm persönlich immer am Herzen gelegen, erzählt er. Vielen Zahnärzten wurde Doktor Klammt durch wissenschaftliche Abhandlungen in der Fachpresse bekannt. Über die von ihm entwickelte Zahnspange hat er ein Buch geschrieben, das 1983 veröffentlicht wurde. Anfang der 80er Jahre wurde Doktor Klammt von der Stomatologischen Gesellschaft mit der Philipp-Pfaff-Medaille für hervorragende wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet, etwa zu der Zeit, als ihm auch der päpstliche Orden des Heiligen Silvester verliehen wurde

Nicht nur den guten und schlechten Zähnen galt das Engagement des belesenen Mannes. Der Besuch von Gemeindeveranstaltungen war Doktor Klammt wichtig. Eine Zeit lang engagierte er sich in der Heilig-Kreuz-Gemeinde im Pfarrgemeinderat. Etwa 55 Jahre lang sang er hier im Kirchenchor mit und war im katholischen Akademikerkreis aktiv

Die Liebe zur Musik, die er von zu Hause mitbekommen hatte, gab der gebürtige Schlesier, der als Kind nach Görlitz kam, auch seinen fünf Kindern mit auf den Weg. Oft, so erzählt er, habe die Familie zu Hause gemeinsam musiziert, beispielsweise Werke von Beethoven. Manchmal nahm er seine Sprößlinge mit in Konzerte. Dann, so erinnert er sich, hätten sie oft auf der Empore über dem Orchester gesessen, damit die Kinder sehen und hören konnten, wann welches Instrument spielte und wie es sich genau anhörte

Klassische Musik hört Doktor Klammt auch heute noch gerne, bedauert es aber, daß er selbst nicht mehr Klavier spielen kann, weil er die kleinen Noten nur schlecht erkennt. Die meiste Zeit seines Ruhestandes verbringt er in seinem Garten, wo er bis zum letzten Jahr selbst noch viel Gemüse angebaut hat. Wenn das Wetter nicht so richtig mitspielen will, dann liest er. Die Bücherregale in der Wohnstube seines Häuschens am Fuß der Landeskrone, wo der Witwer gemeinsam mit seiner ältesten Tochter, ebenfalls einer Zahnärztin, wohnt, sind gut gefüllt. Bücher über die Geschichte der Kunst finden sich hier genauso wie Literatur über verschiedene Länder oder christliche Literatur

Auch mit der Kieferorthopädie war nach dem Ruhestand noch lange nicht Schluß. Zu vielen Vortragsreisen war Doktor Klammt eingeladen worden und ist so weit herumgekommen. In Italien hat er mehrmals referiert, in Peru und in Kuba. Im Alter von 85 Jahren war er in Brasilien. Viele Vorträge führten ihn auch in die Tschechei und nach Polen. Häufig übersetzten Dolmetscher seine Referate, wenige Male hielt er sie aber auch in englischer Sprache. Nach Polen hat Doktor Klammt noch guten Kontakt zu Kollegen. Seinen letzten Vortrag hat der Ehrenbürger der Stadt Görlitz im vergangenen Jahr in Weimar gehalten

Juliane Hutmacher

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 16 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 25.04.1999

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