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Aus der Region

Diskussion über die Berliner Republik

Katholische Akademie Berlin

Berlin - Just an dem Tag, an dem der Deutsche Bundestag zu seiner ersten Sitzung im restaurierten Reichstagsgebäude zusammentrat, lud die Katholische Akademie in Berlin zu einer Podiumsdiskussion zum Thema "Ost und West im neuen Nest: Die Berliner Republik" ein. Dabei kooperierte die Akademie erstmals mit dem InfoRadio von SFB und ORB, das die Diskussion mitschnitt und bereits am vergangenen Sonntag sendete

Über 300 Personen folgten im vollbesetzten Bundespresseamt aufmerksam dem Gedankenaustausch, den Moderator Alfred Eichhorn vom InfoRadio mit der Frage nach der inneren deutschen Einheit eröffnete. Hatte die ostdeutsche SPD-Frau Regine Hildebrandt doch konstatiert, die Ost- und Westdeutschen seien heute weiter voneinander entfernt als vor zehn Jahren. Die Berliner Autorin Daniela Dahn stieß da gleich mit der Feststellung nach, daß die Ostdeutschen noch nicht gleichberechtigt im neuen Nest säßen. Nur mit mageren drei Prozent würden sie bei der Besetzung leitender Positionen berücksichtigt. Dahn nannte auch die wirtschaftlichen Hintergründe: den täglichen 600-Millionen-Mark-Geldtransfer von West nach Ost einerseits, und den Übergang von 95 Prozent des Volkseigentums in westliche Hände andererseits. "Weder die innere noch die äußere Einheit sind vollendet", resümiert die Autorin

Dem Publizisten und Fernsehkommentator Johannes Gross (Köln) scheint das nicht viel auszumachen. Er mahnt zur "moralischen Bescheidenheit". Man dürfe "keine künstliche deutsche Einheit verlangen", sagt der Mann, der 1994 den Begriff "Berliner Republik" prägte. Und verweist auf die großen Unterschiede zwischen Engländern und Schotten, Sizilianern und Norditalienern und so weiter. Auch der Jenaer Pfarrer Monsignore Dr. Karl-Heinz Ducke meint, von innerer Einheit zu sprechen, sei etwas künstliches. Dem ehemaligen Moderator des Zentralen Runden Tisches in Wendezeiten geht es um mehr Demokratiebewußtsein. Es sei ein "großer Geburtsfehler" des vereinten Deutschlands, daß es in der DDR keine Verfassungsdiskussion gegeben habe: "Die Menschen sind sich der Demokratie nicht bewußt geworden", so Ducke

Ex-Bundesminister Norbert Blüm (CDU) spricht gar vom "Gleichheitstick". "Eine Steilvorlage des lieben Gottes" sieht Werner Remmers, Gründungsdirektor und Leiter der Katholischen Akademie bis 1998, in der Chance, nach dem Mauerfall Glaube und Kirche ins Gespräch zu bringen. Heute, zum beginnenden Umzug der Bonner nach Berlin, sagt er: "Die Christen dürfen sich vor Berlin nicht fürchten."

Vor einer Gefahr warnt allerdings Pfarrer Ducke: "Die Kirchen sollten sich nicht als Institutionen oder als Lobby einbringen." Er glaubt an die Chance der Kleinen, bei denen niemand Angst hat, vereinnahmt zu werden. Entscheidend werde eine überzeugende Lebensgestaltung aus dem christlichen Glauben sein, sagt der promovierte Moraltheologe. Für die Kirchen sieht er eine bleibende Aufgabe darin, das Subjekt Mensch zu schützen und einem Herunterdrücken in die Unmündigkeit gegenzusteuern

Die Bedeutung des Umzugs wiegeln Blüm und Gross ab. "Umzug ist kein Umbruch", sagt Johannes Gross knapp. Und Norbert Blüm ist der Auffassung, Berlin als dominierende Hauptstadt entspreche nicht der Zukunft. Im Zuge der Europäisierung werde die Hauptstadt das "Scharnier zwischen Europa und den Regionen sein"

Dennoch bleibt die Frage Duckes offen: "Wohin läuft der Zwerg, der erwachsen wird?" Anfragen aus dem Publikum machten deutlich, daß die Antwort besonders im Osten auch davon abhängen wird, ob es gelingt, der Jugend eine Perspektive zu geben. Und auch den 40jährigen, die in "den besten Jahren" ihre Arbeit verloren haben und kaum noch Hoffnung für sich sehen

Reiner Cimbollek

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 17 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.05.1999

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