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Aus der Region

Am Anfang stand ein Irrtum

Wechselburg: Gespräch mit Pater Rupert

Pater Rupert Wechselburg (mh) - "Wir haben uns geirrt - ich auch", gesteht Pater Rupert. "Nach dem Ende der DDR haben wir im Westen gedacht, im Osten würde ein großer Hunger nach Werten und Religion entstehen, den wir missionarisch füllen können." Dass das nicht so war, merkte Pater Rupert schnell. Für die ersten Glaubensseminare, zu denen er - damals noch in Bautzen - einlud, meldeten sich zwar 40 Teilnehmer, aber: "Fast alle kamen aus dem Kern der Gemeinden und es waren nur zwei Ungetaufte dabei, die waren mit Christen verheiratet."
Pater Rupert Sarach lebte bis 1990 im Benediktinerkloster Ettal. Heute ist er Prior des Klosters Wechselburg. Er war einer der ersten westlichen Ordensleute, die nach 1989 in den Osten kamen. Die Tatsache, dass der religiöse Hunger im Osten bei weitem nicht so groß war, wie erwartet, ließ sich im Westen nur schwer vermitteln. "Wie viele hast du denn schon getauft?", wurde er immer wieder gefragt, wenn er nach Ettal kam.
Dennoch: Viele Ordensleute sind wie er den Weg in den Osten gegangen. Einige Neugründungen existieren zwar nicht mehr, doch die meisten haben -neben den Gemeinschaften, die schon zu DDR-Zeiten bestanden - inzwischen ihren festen Platz in der hiesigen Kirche. Einmal im Jahr treffen sich Vertreter alter und neuer Gemeinschaften. Kürzlich fand ein solches Treffen im Kloster Helfta statt. Deutlich wurde dabei die ganze Bandbreite des Engagements: soziale und karitative Aufgaben, Sterbebegleitung, seelsorgliche Aufgaben in vielen Bereichen, die nach 1990 Neuland darstellten, selbstverständlich auch Besinnungs- und Exerzitienangebote. Ein Schwerpunkt, den sich die fünf Wechselburger Benediktiner gesetzt haben, ist die Arbeit mit Jugendlichen und Familien.

Aus kleinen Anfängen und in bescheidenen Schritten - in Folge der begrenzten finanziellen Möglichkeiten - hat sich Wechselburg zu einem geistigen Zentrum im Bistum Dresden-Meißen entwickelt. Eines der ersten Angebote waren die Wechselburger Samstage - ein Tag des gemeinsamen Nachdenkens und Betens, den es seit siebeneinhalb Jahren gibt. Er steht jeweils unter einem anderen Thema. "Das Zusammenwachsen von Tschechen und Deutschen", "Management und Menschenführung bei Benedikt" oder "Christliche Erziehung" sind für die nächsten Monate geplant. Hinzu gekommen sind Einkehrzeiten und Jugendvespern. Regelmäßig finden die Leipziger Dekanatstage und die Bistumsjugendtage auf dem Gelände statt.

Das jüngste Angebot ist das vor einem reichlichen Jahr eingeweihte Jugend- und Familienhaus mit etwa 40 Plätzen. Es steht Gruppen und Einzelgästen für Besinnung, Erholung oder Bildung zur Verfügung. Die Resonanz hat selbst Pater Rupert überrascht. Für das kommende Jahr ist es schon fast ausgebucht. Je nach Wunsch gestalten die Benediktiner das Programm mit. Fast immer gewünscht wird dabei eine Gesprächsrunde mit den Mönchen.

Eine solches Gespräch gehört in der Regel auch zu den Führungen durch die romanische Stiftskirche. Rund 50 000 Besucher kommen jährlich, nicht nur Touristen sondern auch viele Schulklassen oder Lehrergruppen zur Fortbildung. Für Pater Rupert eine Chance: "Viele sind nicht getauft oder haben schon lange keinen Kontakt mehr mit Kirche." Und so wird die Führung zur Grundkatechese. Erfahrungen mit Kirchenfeindlichkeit hat er dabei nicht gemacht. "Die Menschen bringen ein Grundinteresse mit und eine grenzenlose Unwissenheit über das, was Kirche war und ist."

Etwa die Hälfte der Gruppen nimmt neben Gespräch und Führung auch an einer der Gebetszeiten teil. "Eine alte, bedeutende Kirche und ein lebendiges Kloster, das ist eine attraktive Mischung", sagt Pater Rupert. Deshalb hat er weitere Pläne, auch wenn er mit neuen Ideen zurückhaltender geworden sei -"irgendwann müssen ja mal die Jüngeren ran". Doch der Ausbau der Gebäude geht weiter, um mehr Räume zur Verfügung zu haben. Angebote der offenen Jugendarbeit könnten hinzukommen. Und, wenn in zwei Jahren das Krankenhaus aus dem Hauptgebäude auszieht, kann er sich vorstellen, das Haus zu übernehmen, um dort beispiels-weise Möglichkeiten für betreutes Wohnen und ein Tagungshaus zu schaffen. "Dazu brauchen wir aber unbedingt einen potenten Partner aus dem Wohlfahrts- oder Bildungsbereich. Allein können wir die fananzielle Belastung nicht tragen."

Nicht nur aus diesen Plänen spricht der Optimismus. "Wir haben keinen Grund zum Pessimismus", meint Pater Rupert. Was aus dem wird, was er und seine Mitbrüder bei den Menschen, die nach Wechselburg kommen, anstößt, steht nicht in ihren Händen. "Die Menschen hier haben eine vage Religiosität, aber sie ist noch nicht so greifbar." Deshalb sei die Arbeit im "Vorhof der Religion", wie es der Erfurter Bischof Joachim Wanke sage, besonders wichtig. "Hier müssen wir noch viel mehr leisten. Wir dürfen nicht in alten Gleisen fahren, sondern müssen uns immer wieder auf Neues einlassen, denn wir sind auch stets durch neue Fragen gefordert."

Der nächste Wechselburger Samstag findet am 17. November (10-17 Uhr) statt. Er steht unter dem Thema "Abend des Tages - Abend des Lebens: Impressionen aus dem Werk Johann Sebastian Bachs".

Kontaktadresse:

Benediktinerkloster, Markt 10, 09306 Wechselburg, Tel. (03 73 84) 8 08-11 oder-12,

E-Mail: benediktiner@kloster-wechselburg.de

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 45 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 08.11.2001

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