Nazarethschwestern verlassen den Männerclub
Huysburg
Huysburg (dw) - Nach beinahe 50 Jahren verlassen die letzten beiden Goppelner Nazarethschwestern in diesen Wochen die Huysburg und kehren in ihr Mutterhaus in der Nähe von Dresden zurück. Für Schwester Eugenia Kube und Schwester Agatha Kritschmann, die in den letzten Jahren die Stellung gehalten haben, wird der Abschied nicht leicht sein, auch wenn sie ihm mit der berufungstypischen Gelassenheit entgegensehen: "Alles hat seine Zeit, alles hat seine Grenzen". Sie waren mit Leib und Seele für das Priesterseminar auf der Huysburg da, Schwester Agatha mit Unterbrechungen insgesamt 17 Jahre, Schwester Eugenia 24 Jahre lang
Bischof Wilhelm Weskamm hatte die Schwesterngemeinschaft 1951 gebeten, den Haushalt des geplanten Priesterseminars zu führen. Generationen von Priesteramtskandidaten aus den Bischöflichen Ämtern Magdeburg und Schwerin sind von 1952 bis 1992 in den Genuß ihrer Fürsorge gekommen. Zu denen, die gerne an ihre Seminarzeit und die Betreuung durch die Nazarethschwestern zurückdenken, gehört auch der Magdeburger Bischof Leo Nowak: "Wir sind Schwester Eugenia und den anderen Schwestern sehr dankbar, daß sie die Seminaristen betreut und begleitet haben. Ohne sie hätte das Seminar 1952 nicht gegründet werden können."
"Sie haben die mütterliche Rolle in einem Männerclub übernommen", sagt Dr. Paul Christian, der letzte Regens der Huysburg. Er verweist auch auf ihre "tragende Präsenz" in der kleinen Seminar-Gottesdienstgemeinschaft und auf ihre Hilfe bei der Integration der Benediktiner Anfang der 70er Jahre. Den Goppelner Oberinnen Mutter Mechthildis und Mutter Maria sei es zu verdanken gewesen, daß die Schwestern auf der Huysburg blieben, als manche andere Filiale der Nazarethschwestern aufgelöst werden mußte
Mancher Priester hat nicht vergessen, daß Schwester Bernadette, Schwester Bonaventura oder eine der anderen Goppelner Schwestern ihn liebevoll und mit einer gehörigen Portion Humor über schwere Stunden hinweggerettet haben. Bei Wallfahrten oder Priesterexerzitien auf der Huysburg bekommen die Schwestern fast immer Besuch von einem der früheren Seminaristen. "Wenn wir Sorgen hatten, fanden wir bei den Schwestern immer ein offenes Ohr. Wenn wir Hunger hatten, konnten wir auch außerhalb der Essenszeiten kommen", erinnert sich der Pfarrer von Thale, Wolfgang Janotta, der 1965 und 1966 im Seminar war. Auch für die Schwestern ist das "gute Miteinander mit den Seminaristen" eine bleibende Erinnerung. Wenn einer "ihrer" Priester stirbt oder seinen Dienst aufgibt, geht ihnen das besonders nahe
Unter manchem Regenten war das Seminarleben äußerst streng, das galt insbesondere für die Zeit vor dem Konzil. Die Schwesternmeinschaft, die in der Regel aus drei Schwestern bestand, durfte beispielsweise anfangs nicht an den Gottesdiensten des Seminars teilnehmen. Die bittere Armut der ersten Jahre bedeutete eine weitere Herausforderung für die Gemeinschaft, die zeitweise durch einige junge Mädchen verstärkt wurde, die vor ihrer Krankenpflege- oder Kindergärtnerinnenausbildung Praxiserfahrung in der Hauswirtschaft sammeln wollten. Schwester Eugenia, die damals schon dabei war, wußte manchmal nicht, wie sie die Seminaristen und die Handwerker, die beim Ausbau der Klostergebäude halfen, bei der nächsten Mahlzeit satt bekommen sollte
Viel stärker als die Sorgen sei allerdings die Freude darüber gewesen, beim Aufbau des Priesterseminars mithelfen zu dürfen, sagt die Schwester im Rückblick. Von den angehenden Priestern dieser Jahre habe sie nie Klagen über die Entbehrungen zu hören bekommen. Erleichterung schafften schließlich Hilfspakete von der Paderborner Bistumsleitung, die bei den Grenzkontrollen allerdings manches Mal gehörig in Mitleidenschaft gezogen wurden
Die scharfe Kälte auf der Huysburg, die in den 50er und 60er Jahren bis in den Frühling hinein herrschte, ließ sich hingegen auch durch Westpakete nicht mildern. In der ungeheizten Kirche war das Weihwasser den Winter über eingefroren. Während der Priesterweihe Claus Herolds fror sogar das Blumenwasser ein und brachte die Vase zum Platzen, erinnert sich Schwester Eugenia. Für die Schlaf- und Unterrichtsräume gab es nur eine unzureichende Heizungsanlage. Vor sieben Jahren ist das Priesterseminar Huysburg nach Erfurt verlegt worden. "Die Schwestern haben sich gut auf die neue Situation eingestellt und in Zusammenarbeit mit den Benediktinern weiterhin Hervorragendes geleistet", bescheinigt ihnen Bischof Nowak. Sie kümmern sich um die Gäste, die im Kloster Exerzitien oder Tagungen halten und kochen für die Benediktiner das Mittagessen
Wenn Agatha Kritschmann und Eugenia Kube nun neue Aufgaben in ihrem Goppelner Mutterhaus übernehmen, wissen sie ihr bisheriges Einsatzgebiet in guten Händen: Ursula Flamme, die bereits seit 30 Jahren in der Huysburg-Küche mitarbeitet, Maria Kirnig und der Hausmeister Lutz Goldau, der nach Schwester Eugenias Überzeugung "überall einsetzbar" ist, werden ihren Dienst auf der Huysburg fortsetzen
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.05.1999