Gottes Erde zum Wohnen gemacht
Woche für das Leben
Jedes Jahr begehen in der ersten Maiwoche die evangelische und katholische Kirche gemeinsam die Woche für das Leben. Gleichsam als Anwalt machen die beiden Kirchen auf die Grundlagen des Lebens aufmerksam. Sie wollen damit den Menschen hier und überall und heute und morgen ein würdiges Leben ermöglichen. Nach verschiedenen Schwerpunkten - wie eine kinderfreundliche Gesellschaft, Behinderte und pränatanale Diagnostik - liegt der Akzent in diesem Jahr auf der Bewahrung der Schöpfung
Am Ende des Winters sind wir es jedes Jahr aufs neue leid: Die Tristesse einer kahlen Erde und trauriger leerer Bäume. Sehnsüchtig suchen wir nach ersten grünen Spitzen, nach neuem Leben. In dieser Sehnsucht nehmen wir oft unbemerkt die Schöpfung wahr, die unser Leben trägt. Auf der Suche nach altem Bekannten stellen wir dabei manchmal fest, daß die eine Pflanze oder das andere Tier verschwunden ist. Dabei wird dann der schmerzliche Verlust deutlich. Oft nimmt man diese kleinen Veränderungen aber auch nicht wahr. Sind sie abgestorben - dann ist es der Lauf des Lebens. Alles muß einmal sterben und Neuem Raum geben. Wie das Weizenkorn stirbt, um neues Leben hervorzubringen, so geht es auch allen Lebewesen. Sind sie ausgestorben - so ist es ein unersetzlicher Verlust an Vielfalt. Unwiederbringlich sterben so Tag für Tag hunderte von Arten aus; wird unsere Erde ärmer. In der Regel merken wir es gar nicht, denn uns sind sie im einzelnen nicht bekannt. Es vollzieht sich ganz leise. Immer wieder fällt auf, daß unser Wissen über Natur und Umwelt groß ist. Erst kürzlich stand ich mit Jugendlichen vor einem Baum, den sie nicht kannten. Erst der Hinweis, daß es sich um eine Kiefer handelt, ließ das Wissen um sie plötzlich aus ihnen heraus sprudeln. Es liegt verschüttet und wird in die Realität nicht eingebunden
"Gottes Erde - Zum Wohnen gemacht" lautet in diesem Jahr das Thema der Woche für das Leben. Es soll keine Panik auslösen. Vielmehr soll mit dieser Aktion an die Basis unseres Lebens erinnert werden und daran, daß nichts selbstverständlich ist, sondern unseren achtsamen Umgang erfordert. Für einen bewußten Umgang mit Gottes Schöpfung muß man sie schätzen und lieben lernen. Eine Möglichkeit wäre, sich ihr mit einem "Wahrnehmungsspaziergang", zu nähern. Während eines Spazierganges kann man durch Sehen, Hören, Riechen, Tasten und Schmecken viel intensiver die Vielfalt und Schönheit in sich aufnehmen. Wir sollten uns dafür wieder mehr Zeit nehmen. Mit Ruhe und voller Konzentration werden wir wahre Wunder erleben
Am Ende beten wir den Schöpfungspsalm 104 wieder neu. "Ich will dich rühmen, Herr und Gott! Wie bist du so groß!" ruft der Psalmist Gott zu. In dieses Lob wollen wir einstimmen und Gottes Größe in seinen Werken preisen
Ulrich Clausen, Umweltbeauftragter des Bistums Dresden-Meißen
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 09.05.1999