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Bistum Magdeburg

Erfahrungen mit Einrichtungen, die der Wohlfahrtsverband übernommen hat

Caritas

Magdeburg (dw) - "Die waren doch mal ,rot'. Mit denen wollen wir lieber nichts zu tun haben." "Plötzlich steht Caritas drauf, und was ist drin?" Solche und ähnliche Stimmen wurden unter den Katholiken des Bistums Magdeburg immer wieder laut, wenn der Caritasverband der Diözese in den letzten Jahren ein Altenheim, eine Behindertenwohnstätte oder eine Kindereinrichtung übernahm, die zuvor dem Staat, der Volkssolidarität oder einem anderen nichtkirchlichen Träger unterstand

"Viele Mitarbeiter in den Einrichtungen, die wir übernommen haben, sind gar nicht so weit weg vom Glauben und den Ideen der Caritas", sagt der Diözesanvorsitzende Günther Brozek. "Ich erlebe bei ihnen eine Liebe zu den Menschen und eine Einsatzbereitschaft, die ich bei manchen katholischen Mitarbeitern vermisse."

Günther Brozek läßt keinen Zweifel daran, daß die Übernahme einer weitgehend ungetauften Mitarbeiterschaft jedesmal eine mehr oder weniger große Herausforderung ist. Vertreter des Caritasverbandes auf Diözesan- und Dekanatsebene und die katholischen Gemeinden vor Ort müßten mit den neuen Caritas-Einrichtungen einen gemeinsamen Weg einschlagen und sich dafür viel Zeit nehmen. Der Caritasvorsitzende ist zuversichtlich: "Innerhalb einiger Jahre können das echte katholische Einrichtungen werden, auch wenn dort nach wie vor kaum jemand katholisch ist. Gottes Geist wirkt auch bei Nichtkatholiken.

DDR-Nostalgie hält Brozek dabei für fehl am Platze: "Natürlich, durch die Ordensschwestern waren unsere Caritaseinrichtungen in der DDR schon rein äußerlich als christlich zu erkennen. Aber auch damals arbeiteten bei uns nicht nur Christen. Und war es denn wirklich immer so, daß in allen christlichen Häusern jederzeit eine wirklich christliche Atmosphäre anzutreffen war?"

Die Erfahrungen, die Benno Pickel seit fünf Jahren als Leiter des Beetzendorfer Caritas-Behindertenwohnheimes macht, sind für Günther Brozek eine Bestätigung. Der Heimleiter erinnert sich noch gut an die Vorbehalte, auf die er stieß, als die Caritas damals zwei Behinderteneinrichtungen des Landkreises übernahm: "Wenn der Caritasverband kommt, werden Ordensschwestern alles in die Hand nehmen. Die übrigen Mitarbeiter werden dann entlassen", lautete ein Gerücht, das sich im Landkreis hartnäckig hielt. "Wir wissen, warum die Kirche gerade mit Behinderten arbeiten will", war von einem konkurrierenden Wohlfahrtsverband zu hören. "Die Behinderten sind doof, die lassen sich schnell taufen." Genauso erschrocken war Benno Pickel von Reaktionen der frisch übernommenen Kollegen: "Wir müssen uns ja nun wohl taufen lassen. Sagen Sie doch mal, wie das geht.

Ihm war schnell klar, daß er äußerst behutsam sein mußte. Lange Zeit hat er von sich aus überhaupt nicht über die Kirche und den christlichen Glauben gesprochen: "Die Mitarbeiter sollten erst einmal merken, daß sie nicht in einem Kloster gelandet sind, daß es bei der Caritas auf gute fachliche Arbeit ankommt, auf ein Arbeitsklima, das von gegenseitigem Vertrauen zwischen Leitung und Mitarbeitern geprägt ist." Wichtige Entscheidungen wurden in Beetzendorf und in den zugehörigen Wohnheimstandorten Letzlingen und Kunrau von Anfang an in Gemeinschaft getroffen. "Mach´s wie Gott, werde Mensch" hieß das Motto, von dem sich Benno Pickel leiten ließ. Auf den "besonderen Geist", der in den Caritas-Behinderteneinrichtungen herrscht, sind er und seine Mitarbeiter in den letzten Jahren wiederholt angesprochen worden

Daß in den Wohnheimen mittlerweile auch religiöse Bräuche gepflegt werden, hat sich auf ganz natürliche Weise ergeben. Besuche katholischer Geistlicher sind für die Bewohner in der Regel mit sehr angenehmen Begleitumständen verbunden: Eine Martinsfeier mit echtem Pferd, ein Priester, der den heiligen Nikolaus spielt ... Die Heimbewohner und ihre Betreuer konnten sich dabei immer auch selbst einbringen. Schließlich ergriffen einige Mitarbeiter die Initiative, machten zum Beispiel den Vorschlag, den Wohngruppen in Letzlingen und Beetzendorf Heiligennamen zu geben. Zu ihrem Namenstag lädt jede Gruppe die Bewohner des ganzen Hauses ein

Für das erste Franziskusfest haben die Gruppenleiter sich Mönchskutten bei den Halberstädter Franziskanern und im Kostümverleih ausgeborgt. In einem großen Sack haben sie vor dem Fest bei den Bewohnern und Caritas-Angestellten Gaben eingesammelt, die verkleidete Mönche dann während des Franziskus-Lagerfeuers verteilten. Von Mitarbeitern kam auch die Idee, in Letzlingen ein Kreuz aufzuhängen

Günther Brozek sieht in den neu übernommenen Caritas-Einrichtungen eine Chance für die katholischen Gemeinden. Er ermutigt die zuständigen Pfarrer und Gemeindereferenten immer wieder, die neuen Häuser so oft es geht zu besuchen. Die Gemeinden sollten die Caritashäuser als ihr Zuhause verstehen und annehmen

Nur so könne die Chance genutzt werden, sie mit kirchlichem, karitativen Geist zu erfüllen. Natürlich werde der Caritasverband den Anteil der katholischen Mitarbeiter nach und nach erhöhen, wenn Beschäftigte durch Rente oder andere natürliche Wege ausscheiden. Das sei aber keinesfalls das Hauptziel

Der Caritasvorsitzende nutzt selbst jede Gelegenheit, die Caritaseinrichtungen zu besuchen und die Mitarbeiter zu ermutigen. Dabei kommt es immer wieder auch zu Gesprächen über den Anspruch der Caritas. Seminare in Bad Kösen und Begegnungen mit Mitarbeitern anderer Caritashäuser helfen den "Neuen", die Caritas auch für sich immer mehr als Zuhause zu entdecken

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 18 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 09.05.1999

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