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Bistum Erfurt

Geheimstudium und Mittelasienfahrt

Renovabis-Partnerschaftstreffen

Erfurt (bip) - "Herausforderungen der Jugendpastoral in Rumänien" standen zu Beginn eines Partnerschaftstreffens in Erfurt auf dem Programm, zu dem das Hilfswerk Renovabis anläßlich seiner diesjährige Pfingstaktion nach Erfurt eingeladen hatte. Das Treffen für Engagierte und Interessierte aus den neuen Bundesländern stand unter dem Leitgedanken "Auf Gott hoffen - einander vertrauen". Es fand zeitgleich mit der diözesanen Jugendwallfahrt in Erfurt statt und war das zweite Treffen des Bischöflichen Hilfswerks im Osten Deutschlands. 1994 hatte die Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa zu einem Meinungs- und Gedankenaustausch nahc Leipzig eingeladen

Der Geschäftsführer von Renovabis, Pater Eugen Hillengass, dankte den Katholiken in den neuen Bundesländern nicht nur für die weit höhere Spendenbereitschaft als in den Westdiözesen, die sie für die Menschen im Osten aufbrächten, sondern auch für die ganz konkreten Hilfen, die auch während der Zeit der kommunistischen Diktaturen von den Katholiken in der DDR geleistet wurden. Es gehe bei diesem Treffen vor allem um die Menschen, die sich hier kennenlernen wollen, stellte Hillengass zu Beginn des Treffens fest

Die Pfarrei Caransebes im Severiner Dekant in Rumänien zählt zu den ältesten im Bistum Temeswar, berichtete der dortige Pfarrer Reinhold Lovasz. Die alte Bischofsstadt Temeswar sei im Westen bekannt geworden, als von hier im Dezember 89 der Umsturz in Rumänien seinen Ausgang nahm. Erst nach diesem Umsturz konnte in der Pfarrei eine pastorale und karitative Aufbauarbeit geleistet werden. Die Erfolge sind beachtlich, denn die Pfarrei unterstützt seit zehn Jahren in Caransebes und Umgebung sieben Krankenhäuser, vier Kinderheime und ein Altenheim. Im Hof einer eigenen Sozial- und Pflegestation unterhält sie eine Kindertagesstätte, deren Aufbau vor allem durch Renovabis gefördert wurde. Daneben gibt es eine Armenküche, eine Kleiderkammer und eine Medikamentenausgabestelle für Bedürftige

Es gäbe jedoch noch eine Menge zu tun, so Pfarrer Reinhold Lovasz, denn vor allem die Kinder hätten in der Zeit der kommunistischen Diktatur besonders zu leiden gehabt. Er erinnerte an die Berichte und Bilder der rumänischen Kinderheime, die man in der kommunistischen Zeit besser Sterbeheime hätte nennen sollen, und die den Westen entsetzten. Die spontane und großartige Welle der Hilfsbereitschaft von damals, sei unvergessen und ihre Auswirkungen könnten auch heute noch gespürt werden

Da der Aufbau der Landwirtschaft nur schleppend voran gehe, seien die Maschinenringe, die von den Pfarreien und der Caritas mit ausländischer Hilfe aufgebaut wurden, eine unverzichtbare Hilfe. Diese werde von den katholischen, evangelischen und calvinistischen Kirchengenmeinden - ungeachtet der Konfession - an die notleidende Bevölkerung weitergegeben

Durch großzügige Hilfe aus der Diözese Erfurt konnte das ehemalige Pfarrhaus in Weidenthal zu einer Jugendbegegnungsstätte ausgebaut werden. Das Wichtigste bei diesen Kontakten sei, so Pfarrer Reinhold Lovasz und Diözesanjugendseelsorger Ioan Kapor einstimmig , das gegenseitige Kennenlernen von jungen Menschen, die so Vorurteile abbauen und dauerhafte Freundschaften entwickeln könnten. "Es ist nach meiner Erfahrung ganz wichtig, daß junge Menschen in Rumänien die Erfahrung machen, daß sich auch andere junge Menschen aus den westlichen Ländern zu Christus bekennen und versuchen, ihr Leben am Wort und Beispiel Jesu auszurichten", betonte Jugendseelsorger Ioan Kapor. Durch die Satellittenschüsseln und die Kabelprogramme hätten die Medien einen großen Einfluß und prägten das Denken der jungen Menschen. Das persönliche Glaubenszeugnis junger Christen aus dem Westen, sei deshalb für die jungen Christen in Rumänien wichtig

Der Samstag des Partnerschaftstreffens stand unter dem Motto "Früher war alles anders ...". In drei Berichten wurde das Engagement der Katholiken in der ehemaligen DDR für Mittel- und Osteuropa exemplarisch aufgezeigt

Lothar Ullrich, Professor für Dogmatik am Philosophisch-Theologischen Studium in Erfurt, berichtete über ein geheimes Aufbaustudium an der einzigen Priesterausbildungsstätte der ehemaligen DDR in Erfurt. Im Auftrag der zuständigen Oberen der tschechischen Salesianer wurden von 1982 bis 1990 in Erfurt fünf Männer (Salesianerpatres) und eine Frau zu Dozenten ausgebildet. Alle sechs Kandidaten betrieben ihr Geheimstudium neben ihrer offiziellen Tätigkeit als Kaplan, Pfarrer oder in einem weltlichen Beruf. Sie kamen als Touristen nach Erfurt und absolvierten privat bei den einzelnen Professoren ihre Studien. Professor Ullrich zog eine positive Bilanz des gefährlichen Unternehmens, denn alle ehemaligen geheimen Studenten seien heute Professoren oder Dozenten in ihrem Heimatland. Der Geist des Evangeliums sei weitergetragen worden und hätte so auch in Tschechien überlebt, nun gelte es diesem Geist unter gewandelten Bedingungen weiteren Raum zu verschaffen, denn aus ehemaligen Paten seien geschätzte Partner geworden

Auch ein geheimer Gesprächskreis mit einem Stamm von etwa 12 Theologen aus der Bundesrepublik, der DDR und aus Polen, der1973 entstand, treffe sich bis heute regelmäßig

In einem zweiten Takt berichtete der ehemalige Chefredakteur des "Tag des Herrn", Pfarrer Gottfried Swoboda aus Dresden, über seine Erfahrungen mit Menschen in der UdSSR. War er 1980 eher neugierig in die mittelasiatischen Republiken gereist, so fesselten ihn sehr schnell die Erfahrungen von Christen, die ihren Glauben in einer äußerst schwierigen und gefährlichen Situationen lebten und bekannten. Diese Erfahrungen hätten ihn geprägt und seien für ihn gravierender gewesen als selbst der Fall der Mauer und die Wiedervereinigung

Seine Erfahrungen bringt Pfarrer Swoboda heute bei der seelsorglichen Begleitung deutscher Übersiedler aus Rußland ein, von denen er einige zur Taufe führen konnte. Das größte Problem sei es heute, die deutschen Aussiedler in eine Gemeinde zu integrieren

Mit der Erkenntnis "Gott hat uns den Osten vor die Türe gesetzt, also mach was draus!", begann Heinz Adler aus Frankfurt/Oder 1962, regelmäßig die östlichen Nachbarländer zu bereisen. 1969 reiste er bis nach Duschanbe, die Hauptstadt Tadschikistans. Was er vorfand, war damals weniger die materielle Not, die die Leute bedrückte, sondern die geistige Not, die systematische Unterdrückung der Religionsfreiheit. Es seien tapfere Frauen gewesen, die die Gemeinden zusammenhielten, aber die Leute seien voller Ängste gewesen. Adler und seine Helfer schmuggelten Bibeln über Polen nach Rußland. Ein Priester gab ihm den Tip: "Wenn die bei der Ankunft in Rußland ein Meßgewand sehen, vermuten sie sofort eine Untergrundaktion; eine Albe dagegen können Sie immer als gewand ausgeben!" "Trotzdem", erzählte Adler, "als ich mich in Duschanbe angemeldet habe, war ich schon der Spion des Kardinals."

Seit 1990 wurde die ganze Hilfe auf eine neue Basis gestellt. So wurde ein Kinderheim in Nowosibisrsk aufgebaut. Zur Zeit läuft der Aufruf "Winterschuhe für die Kinder in Novosibirsk". Adler erklärt den Gästen aus dem Westen: " Die Jahre in der DDR sind und bleiben ein Teil unsere Geschichte. Wir haben den geschichtlichen Bezug zu den Ländern des Ostens. Wir dürfen auch nicht vergessen, was wir die ganzen Jahre aus dem Westen empfangen haben." "Wir müssen die Hilfe weitergeben", hätten sie sich kurz nach dem Fall der Mauer im Pfarrgemeinderat gesagt. Die Hilfe zu DDR-Zeiten sei zustande gekommen, weil sie über den Grenzzaun geblickt hätten und nicht die eigenen Probleme ihren Blick bestimmten. Es sei eine konkrete Hilfe gewesen, die für konkrete Personen an konkreten Orten bestimmt gewesen sei. Es komme nun darauf an, daß diese persönliche Kontaktaufnahme weiter gefördert werde, denn die geistige Anteilnahme sei doch wichtig

In den sich anschließenden Arbeitskreisen wurde immer wieder betont, wie wichtig neben den Hilfswerken ein Stamm ehrenamtlicher Helfer sei, die diese materielle Hilfe "mit einem Gesicht" versähen. Herausgestellt wurde aber auch, daß die materiellen Hilfen keine Einbahnstraßen seien: Man wäre von den gläubigen Menschen beispielhaft in seinem eigenen Glauben bestärkt worden. Mehrfach wurde von den Gästen aus Osteuropa auch betont, wie wichtig für sie die Unterstützung durch Publikationen des Benno-Verlags gewesen sei

Als Höhepunkt der Veranstaltung schloß sich am Samstagnachmittag eine Begegnung mit Bischof Joachim Wanke und ein anschließender Empfang bei Ministerpräsident Bernhard Vogel /CDU) in der thüringischen Staatskanzlei an. Beim Empfang spielte die Gruppe "Telepace" aus Ostrava, die auch die musikalische Gestaltung des Partnerschaftstreffens übernommen hatte, für den Ministerpräsidenten und die Gäste auf

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 19 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 16.05.1999

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