Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!
Aus der Region

Sie wünschen sich eine missionarische Kirche

Priesteramtskandidaten

Der Berufswunsch Priester ist in Matthias Hamanns Jugend immer wieder mal aufgetaucht, als ein "Traumjob" unter anderen. Gegen Ende seiner Armeezeit, als er eigentlich schon seinen Medizin-Studienplatz sicher hatte, drängte sich diese mögliche Lebensperspektive mit neuer Intensität auf. "Mir wurde damals klar: Wenn ich hier weggehe, stelle ich die Weichen für mein späteres Leben", erzählt der heute 32jährige. Er beschloß, es einfach mal zu versuchen auf dem Weg zum Priestertum. 1988 begann er den einjährigen Altsprachenkurs in Schöneiche, bis 1991 studierte er dann in Erfurt Theologie. Sein "Freijahr" in Wien war nach einem Jahr nicht zu Ende: Er lebte ein weiteres Jahr in einer Neubaugemeinde, die von Benediktinern betreut wurde, widmete sich dort vor allem den Jugendlichen. In der Wiener Gemeinde blieb ihm die große Spannbreite zwischen traditions- und reformorientierten Katholiken zwar nicht verborgen, mit der die österreichische Kirche in den letzten Jahren immer wieder Schlagzeilen machte, vor allem war die Gemeinde aber von einer großen Offenheit gekennzeichnet, mit der auch Christen einander begegneten, deren Anschauungen nicht auf derselben Wellenlänge lagen. "Was den Umgang mit einer pluralen Welt angeht, hat die Kirche in Österreich uns Diasporakatholiken gegenüber einen Vorlauf", glaubt Matthias Hamann

In Absprache mit dem Magdeburger Bischof führte er schließlich auch sein Studium in Wien zu Ende und wohnte in einer Studentenwohngemeinschaft innerhalb der Benediktinerabtei. Bei einem Professor, der zur Gemeinschaft gehörte, schrieb er seine Diplomarbeit über die Rolle der Völker in Jahwe-Königspsalmen. Das Alte Testament lag ihm schon in den ersten Semestern in Erfurt nahe. Auch sein Primizspruch ist diesem Teil der Bibel entnommen: "Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist, und was der Herr von dir erwartet ... (Micha 6,8)

Die benediktinische Spiritualität hat Matthias Hamann geprägt. Von den Patres hat er gelernt, Menschen bei ihren Problemen "abzuholen", ihnen grundsätzlich erst einmal positive Absichten zu unterstellen und sie so, wie sie sind, ins Gemeindeleben einzubeziehen. Er schätzt die "Erdverbundenheit" der Benediktiner und ihr großes Gespür für Liturgie. Die Frage, ob das Ordensleben sein Weg sein könnte, hat er vorerst zurückgestellt, weil er nicht in Österreich bleiben, sondern in sein Heimatbistum zurückkehren wollte, endgültig abgehakt ist sie für ihn noch nicht

Bevor er seine Seminarzeit in Erfurt begann, machte er ein Jahr lang ein Gemeindepraktikum in Eisleben. In dieser Zeit und auch in den folgenden beiden Praktika in der Lutherstadt Wittenberg gewann er neue Innenansichten der Lebenswirklichkeit im Bistum Magdeburg, die sich in den vergangenen Jahren erheblich verändert hat: "Die frühere Einheitlichkeit der Gemeinden ist aufgesprengt", hat er beobachtet. Er findet gut, wenn jeder Christ seine eigene Heimat hat in kleinen Gemeindegruppen, überpfarrlichen Verbänden oder Gemeinschaften, sieht aber auch die Gefahr des "Zerbröselns". Der Sonntagsgottesdienst sollte der Schwerpunkt, die Mitte und Quelle für das Gemeindeleben sein, ist seine Überzeugung

Wie manche Kirchenfensterrosette setzt sich die Geschichte von Ulrich Winters Berufung aus vielen kleinen Mosaikste../../inchen zusammen: Ein solches Ste../../inchen ist zum Beispiel der Kaplan, der in seiner Kindheit hin und wieder, wenn über Berufungen gesprochen wurde, mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihn zukam und ihn fragte: "Und was ist mit dir?" In seiner Zeit als Dresdner Kapellknabe haben immer wieder Priester und Diakone seine Aufmerksamkeit erregt, nicht weil sie so außergewöhnliche Persönlichkeiten waren, sondern einfach, weil es sie gab. In der Stille und Besinnung, die er später bei Exerzitien schätzen lernte, ließ sich die Frage nach dem Lebensweg immer weniger verdrängen. Bei der Lektüre von Professor Schürmanns Buch "Geistliches Tun" wurde ihm klar: "Ich muß mich entscheiden: Will ich so weiterleben wie bisher oder schlage ich einen besonderen geistlichen Weg ein?"

Am Magdeburger Norbertinum holte er das Abitur nach, 1992 nahm er in Erfurt das Theologiestudium auf. Ein Freijahr in Lyon, Gemeindepraktika in Niederorschel und nach der Diakonenweihe in Sömmerda waren weitere Stationen im Leben des heute 34jährigen Erfurters. Der gelernte Tischler und Orgelbauer ist kein Theoretiker. Dennoch bedauert er im Nachhinein ein wenig, daß er das Studium anfangs mehr als "Muß" gesehen hat. Im Laufe der Zeit hat er doch Gefallen gefunden am Sprachenstudium, an der neutestamentlichen Exegese und der Liturgik. Die Gethsemane-Stelle beim Evangelisten Markus ist Thema seiner Diplomarbeit geworden. Seinen Primizspruch hat er im ersten Petrusbrief gefunden: "Durch seine Wunden sind wir geheilt." Darin sieht er seine Erfahrung bestätigt, daß der christliche Glaube eine neue Wirklichkeit schaffen kann. Er freut sich auf die Zeit nach der Priesterweihe, und sieht seiner künftigen Tätigkeit gleichzeitig mit gehörigem Respekt entgegen

In seinen Praktika ist ihm Teamarbeit besonders wichtig geworden. Wenngleich er weiß, wie schwierig das sein kann, wünscht er sich, mit anderen zusammenzuarbeiten und gemeinschaftlich das geistliche Klima in seiner künftigen Gemeinde zu prägen

In seiner Zivildienstzeit in einem Pflegeheim bei Hettstedt erlebte Stefan Hansch mitten in der Wendezeit "so etwas wie eine zweite Bekehrung". Wie fast alle Erfurter Seminaristen, die dieses Jahr geweiht werden, kommt er aus einer katholischen Familie. Er sagt aber von sich, nie ein besonders "frommer" Jugendlicher gewesen zu sein. In den Monaten als Zivi sind seine Ideen vom Leben über den Haufen geworfen worden. Zum Beispiel, als eine alte Frau ihm zwischen den Händen wegstarb. Er hatte nichts in der Hand, konnte nur noch beten. So schnell kann es gehen vom Leben zum Tod. Diese Erfahrung brachte ihn zum Nachdenken. Er führte viele Gespräche mit dem Vikar seiner Gemeinde, fand eine tiefere, lebendige Beziehung zu Christus und hatte den Wunsch, andere Menschen daran teilhaben zu lassen

Seinen zugesagten Studienplatz für Mikroelektronik ließ er sausen und entschloß sich, stattdessen Theologie zu studieren. Die zehn Monate, die ihm bis zum Beginn des Altsprachenkurses in Magdeburg blieben, verbrachte er in Niederlassungen der "Gemeinschaft der Seligpreisungen" und bei der Ordensgemeinschaft der Serviten im Südtiroler Wallfahrtsort Maria Weißenstein. Mit der neuen geistlichen Gemeinschaft verband ihn vor allem seine Liebe zur Liturgie der Ostkirche und sein Sinn für Kontemplation, mit der traditionelleren Ordensgemeinschaft seine besondere Wertschätzung der Gottesmutter Maria

Das Theologiestudium in Erfurt und Dublin hat Stefan Hansch viel Freude gemacht. Sein Abitur hatte er - noch zu DDR-Zeiten - im Anschluß an eine Elektromonteur-Lehre an der Abendschule nachgeholt. Eine Berufsausbildung mit Abitur war ihm zuvor verweigert worden, weil er nicht an der Jugendweihe teilgenommen hatte

Nachdem er seine Diplomarbeit über eine Jesaja-Schriftstelle geschrieben hatte, führte sein erstes Gemeindepraktikum den Seminaristen an den Ort zurück, in dem er vor dem Zivildienst im November 1989 seinen Armeedienst als Funker angetreten hatte, nach Eilenburg. Eine Rückschau auf diesen Lebensabschnitt, der in der Umbruchsituation der Wende nach vier Monaten zu Ende ging, drängte sich auf

In seiner einstigen Kaserne befand sich jetzt die Medienstelle, in der er sich immer sein Vorbereitungsmaterial für den Religionsunterricht holte. Im Nachhinein ging ihm auf, daß sein guter Draht zu Maria, den er bei seiner "zweiten Bekehrung" fand, sich schon im Armeedienst angebahnt hatte, als er während der oft endlos scheinenden Nachtwachen Rosenkranz betete

Stefan Hansch ist 1970 geboren und damit der jüngste der acht Priesteramtskandidaten. Er wünscht sich aber keine längere "Bedenkzeit", sondern freut sich darauf, nach Jahren der Theorie bald in die Praxis einzutauchen. 100prozentige Sicherheit könne es ohnehin nie geben, wenn es um die Entscheidung für eine Berufung gibt. Spannung und "ein gewisses Kribbeln" bleiben bis zum Schluß, es komme nun darauf an, Gott Ja zu sagen und sich "fallen zu lassen"

Er ist offen für die Vielfalt der Aufgaben, die ihn als Priester erwarten. Ihm gefällt besonders die Paulus-Aufforderung, als Christ "allen alles zu werden". Aus einem Paulus-Brief (Röm 8,32 ; 12,1) stammt auch sein Primizspruch, in dem es um die Hingabe für Gott und Christus geht. "Ein Programm, mit dem man sein Leben lang nicht fertig wird", ist er sich bewußt

Den priesterlichen Dienst sieht er in starkem Maße als stellvertretenden Dienst für viele Menschen, die nicht mehr glauben können und wollen. Er wünscht sich, daß die Kirche hierzulande stärker als bisher missionarische Impulse aufgreift und umsetzt. Dazu möchte er selbst beitragen, das ist ihm besonders bei seinem zweiten Gemeindepraktikum in Stendal klargeworden, in einer "verschärften Diasporasituation" mit vielen vereinzelt lebenden Katholiken

"Ich dachte immer, Kirche hat keine Zukunft", erinnert sich Egon Bierschenk (30). Diese Meinung geriet ins Wanken, als er als Jugendlicher bei einem Glaubensseminar in seiner Gemeinde Christen kennenlernte, die Zeugnis von ihrer persönlichen Beziehung zu Christus und von einem dynamischen Glaubensleben gaben. Er hielt den Kontakt aufrecht, schloß sich einem Gebetskreis im Eichsfeld an, der von diesen Christen initiiert worden war, und verbrachte nach seiner Verkäuferlehre mit einigen von ihnen ein Jahr in einer geistlichen Gemeinschaft in Guthmannshausen bei Erfurt. Etwa 30 junge Männer und Frauen lebten dort, die meisten nahmen vier Monate lang an einem katechetischen Seminar teil. Sie wollten ihre Zeit einsetzen, um den Menschen nahe zu sein und ihnen Christus nahezubringen. Unter anderem betrieben sie Straßenevangelisation, in der DDR eine aufregende Erfahrung. Für Egon Bierschenk bot das Jahr viel Gelegenheit, nachzudenken über die Berufung, die ihm schon vorher deutlich geworden war. Es folgten drei Jahre bis zum Abitur am Magdeburger Norbertinum, Theologiestudium in Erfurt und Salzburg, Priesterseminarzeit mit Praktika in Heyerode und Bad Salzungen

Der Wunsch, den Menschen ganz nahe zu sein, spielt in seinem Bild vom Priestertum eine große Rolle. Sein Primizspruch "Meine Berufung ist die Liebe", ein Wort der heiligen Therese von Lisieux, bringt das zum Ausdruck. Er möchte insbesondere auf die zugehen, die am Rande der Gemeinde stehen, Kranke zum Beispiel, oder - wie er während eines Praktikums bei der Caritas Eisenach ausprobieren konnte - auf Obdachlose und Alkoholiker. In seiner Diplomarbeit ist er dem heilsamen Wirken Jesu nachgegangen und hat einen Bezug zum Sakrament der Krankensalbung hergestellt

Er wünscht sich Gemeindemitglieder, die aus einem geistlichen und liturgischen Leben heraus ihren Blick weiten, die Begegnung mit Nichtchristen suchen und offen sind für Neue

Norbert Lortz stammt aus der Gemeinde Heilige Familie in Hoyerswerda, wo er 1965 das Licht der Welt erblickte. Seinen Weg zum Priestertum beschreibt er selbst als ein wenig "radikal". Wurden ihm doch mit etwa zwölf Jahren Kirche und Glauben gleichgültig, ja er verlor seinen Glauben. Ab dem 21. Lebensjahr wuchs er langsam wieder in die Kirche hinein. "Ich möchte es mit Edith Stein sagen, ich habe die Wahrheit gesucht und Gott gefunden", sagt Lortz heute. Vier, fünf Jahre brauchte er, um wieder in der Kirche heimisch zu werden, das Berufsbild Priester war zunächst etwas Fremdes. Dann hatte er bei einer Veranstaltung der Fokolar-Bewegung ein Erlebnis, das ihn packte: "Es hat mich so erwischt, ich hatte eine innere Sicherheit, daß dies mein Weg ist."

In der Seelsorge sieht er sein Aufgabenfeld breit angelegt, "es geht um das Seelenheil, um die Rettung des Menschen." Und Kirche hat für Norbert Lortz immer dann Zukunft, wenn sie den Menschen Gott näher bringt. Spirituell möchte sich der Görlitzer Neupriester derzeit nirgendwo festmachen, vielmehr möchte er aus der Vielfalt der spirituellen Richtungen leben und sich inspirieren lassen. Sein Primizspruch lautet: Gott ist die Liebe.

Dorothee Wanzek / jak

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 20 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 23.05.1999

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps