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Bistum Dresden-Meißen

Großes Zittauer Fastentuch

Ausstellung

Zittau (tdh/smz) - Zittau wird um eine ständige Attraktion reicher. Vom 12. Juni an werden die beiden Zittauer Fastentücher in der Heilig-Kreuz-Kirche gezeigt: das bedeutendere große aus dem Jahr 1472 und das kleinere aus dem Jahr 1573

Verschollen, vergessen, zerrissen, wiedergefunden - Worte wie diese zeichnen die Geschichte des Großen Zittauer Fastentuches nach. Das Tuch ist ein Stück Geschichte. Es hat eine über 500jährigen Odyssee hinter sich, die nun ihr gutes Ende in der Zittauer Kirche zum Heiligen Kreuz gefunden hat, die zu den städtischen Museen gehört und eigens dafür in den vergangenen Monaten saniert wurde

Mit der Ausstellung des Fastentuches aus dem Jahr 1472 will die Stadt ihren Ruf als Kulturstadt untermauern. Das Tuch gehört zu den bedeutendsten Textilkunstwerken Europas und kommt in seiner Bedeutung zum Beispiel dem Teppich von Bayeux nahe

Das Große Zittauer Fastentuch, das ein Gewürz- und Getreidehändler der Stadt im Jahre 1472 für die Hauptkirche St. Johannis anfertigen ließ, beeindruckt bereits mit seinen Maßen von 8,20 Metern Höhe und 6,80 Metern Breite

Mit Temperafarben auf Leinen gemalt, erzählt es in 90 Bildern Geschichten des Alten und Neuen Testaments: "Gottvater erschafft Himmel und Erde", "Die Geburt von Kain und Abel", "Der Regenbogen als Zeichen der Versöhnung Gottes mit den Menschen", "die Flucht nach Ägypten", "Jesus im Garten Gethsemane", "Jesus trägt sein Kreuz", "Das jüngste Gericht" - sieben Motive eines großartigen Ganzen, das dem Betrachter Ehrfurcht und Bewunderung abringt

Zweihundert Jahre lang nutzten die Zittauer das leinene Tuch in der Johanniskirche, danach galt es als verschollen. Erst im Jahre 1840 wurde es in der Ratsbibliothek der Stadt wiederentdeckt. Von 1842 bis 1876 war das Fastentuch in einer Ausstellung des Altertumsvereins in Dresden zu bewundern. Nach seiner Rückkehr nach Zittau wurde es nur noch sechs Mal zu besonderen Anlässen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht

Anfang des Jahres 1945 brachte man die textile Kostbarkeit gemeinsam mit dem kleineren Tuch wegen drohender Bombengefahr von Zittau an einen sicheren Ort auf dem Berg Oybin. Nach Kriegsende wären beide Tücher fast für immer verloren gewesen

Russische Soldaten zerschnitten die Tücher und benutzten sie zum Auskleiden einer Sauna. Danach lagen sie achtlos, verdreckt und durchnäßt im Wald. Es ist einem alten Mann zu verdanken, daß sie gerettet wurden. Er erkannte die Tücher, lud sie auf seinen Wagen und brachte sie ins Zittauer Stadtmuseum zurück. Aus ideologischen Gründen von einem Mantel des Schweigens umgeben, blieben sie bis 1990 im Depot

In den Jahren 1994 bis 1995 wurde das große Tuch von der Abegg-Stiftung im schweizerischen Riggisberg aus 16 Einzelteilen wieder zusammengefügt und auf eine Stützleinwand aufgenäht. Anschließend wurde es gemeinsam mit dem Kleinen Zittauer Fastentuch eine Zeitlang in der Kölner Pfarrkirche St. Peter aufgehängt

Das große Tuch gehört trotz der großen geographischen Entfernung von den Alpen zum alpenländischen Typ der Fastentücher, der in Europa nur noch in 17 Exemplaren erhalten ist. In Deutschland blieb einzig das Zittauer Tuch vollständig erhalten

Die Zittauer sind stolz, nach 63 Jahren das Fastentuch wieder in ihrer Stadt zu haben und hoffen, damit manchen Touristen in die Region zu locken. Unter anderem sind in der Umgebung in reizvollen Umgebindehäusern noch historische Arbeitsstuben von Leinewebern zu besichtigen - ein Handwerk, das um Zittau stark verbreitet war

Öffnungszeiten der Ausstellung ab 12. Juni 1999 täglich (außer Montag) von 10 bis 17 Uhr. Führungen werden jeweils um 10, 11, 13, 14 und 15 Uhr angeboten. Jeden ersten Mittwoch im Monat ist die Ausstellung abends von 20 bis 22 Uhr geöffnet. Nähere Information bei den Städtischen Museen Zittau, Telefon und Fax: (0 35 83) 51 02 70

Stichwort: Fastentuch

"Vela quadragesimale" werden im Lateinischen die Fastentücher bezeichnet. Seit dem Mittelalter wurden in der 40tägigen Passionszeit mit diesen Leinentüchern die Altäre in den Kirchen verdeckt, um den Gläubigen den Blick auf die sakralen Kostbarkeiten zu verwehren. Doch erfuhr die reine Verhüllungsfunktion bereits im zwölften Jahrhundert ihre Erweiterung. Das Wort wurde zum Bild - und im Laufe der Zeit entwickelten sich viele - des auch als Hungertuch bezeichneten Leinens - zu regelrechten "Bilderbibeln"

Vor einigen Jahren hat das Hilfswerk Misereor diese Tradition wieder aufgenommen. Es verknüpft seine jährliche Fastenaktion mit künstlerisch gestalteten "Hungertüchern."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 21 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 30.05.1999

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