Angela Merkel von der CDU
Religion und Politik (1. Teil)
Mit Angela Merkel begann die Katholische Akademie in Berlin Mitte Mai eine neue Vortragsreihe zum Thema "Was hat Religion mit Politik zu tun?"
Für die CDU beantwortete deren Generalsekretärin, Frau Merkel, die Frage damit, daß Grundlage christdemokratischer Politik das christliche Menschenbild sei, das jedem Menschen die gleiche Würde und die Freiheit gebe, über sein Leben selbst zu bestimmen. Die politische Macht werde dadurch begrenzt, unterstrich die Politikerin. Freiheit bedeute aber auch, Verantwortung zu übernehmen. Dies werde oft zu wenig beachtet, fügte Frau Merkel hinzu
Zum "C" im Namen ihrer Partei erklärte die aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Spitzenpolitikerin der Unionspartei, die CDU erhalte dadurch keine "höhere Legitimation" - etwa im Sinne einer Unterstützung durch Gott - und auch keinen Allmachtsanspruch. Auch Politiker könnten irren. Daraus ergebe sich der Respekt gegenüber Andersdenkenden. Ein Unterschied müsse auch gemacht werden zwischen dem "C" im Parteinamen und den Reden und Äußerungen im einzelnen. Diese sollten nicht mit einem anderen moralischen Anspruch bewertet werden als bei Parteien ohne christlichen Bezug im Namen, meinte Frau Merkel. Für sich selbst nahm die Politikerin eine Trennung zwischen ihrem persönlichen Glauben als evangelische Christin und ihren politischen Entscheidungen in Anspruch
Nachdrücklich forderte die CDU-Generalsekretärin eine Belebung der Wertediskussion in der bundesdeutschen Gesellschaft. So müsse beispielsweise bei Fortschritten in der Gentechnik, der Biomedizin und der Organtransplantation auch über deren Risiken und Wertmaßstäbe gesprochen werden
Entschieden setzte sich Angela Merkel für den Erhalt des schulischen Religionsunterrichtes ein. Den Kindern dürfe der Zugang zu etwas "unglaublich Wichtigem", mit dem ein bestimmtes Wertesystem verbunden sei, nicht verwehrt werden, betonte sie. Weiter sprach sie sich für das gegliederte Schulsystem aus, das unterschiedliche Begabungen am besten fördere. Die Schule müsse mit dem Wissen aber auch die Fähigkeit zum verantwortlichen Umgang damit vermitteln, fügte sie hinzu
Das Verhältnis von Kirche und Politik betreffend plädierte Frau Merkel für eine "Arbeitsteilung". Für die Politiker sei es eine "spannende und wichtige Aufgabe", die Wurzeln des Christentums, "von denen wir in Deutschland leben", in der Öffentlichkeit bewußt zu machen, damit die Menschen "Sinn für die Kirche" bekommen, betonte Frau Merkel. Die Kirchen müßten aber auch ihre Grenzen erkennen und dürften sich nicht als "moralische Instanz der Politilk" verstehen
Zu den Nato-Luftangriffen im Kosovo-Konflikt meinte die Politikerin: Ohne diese Angriffe "hätten wir weggeguckt". Man habe zwischen zwei absoluten Übeln zu entscheiden gehabt. Frau Merkel zeigte sich überzeugt, daß es "gute Chancen für eine politische Lösung" gebe. Aber es sei "kein Siegeszug" der Nato-Staaten, "wenn man an die vielen Opfer unter den Serben, besonders aber bei den Kosovo-Albanern denkt", fügte sie nachdenklich hinzu
rc/tdh
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 06.06.1999