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Aus der Region

Hände weg von der Sonntagsruhe

Bischof Reinelt

Auszüge aus einer Erklärung des Dresdner Bischofs Joachim Reinelt zur Lockerung des Ladenschlußgesetzes in Sachsen:

Eine in Jahrhunderten gewachsene Kultur des Sonntags soll in Sachsen schleichend dem Mammon geopfert werden. Als die Kirche das Gebot der Sonntagsruhe einführte, wollte sie die Reichen zwingen, den Sklaven und den weitgehend Rechtlosen ebenfalls ein Recht auf Ruhe und Erholung einzuräumen. Das ist nach hartem Ringen mit den Mächtigen erreicht worden

Nun soll ausgerechnet in einem Land, das bei den Kirchen den Einsatz für Werte anmahnt, einer der kostbarsten Werte neutralisiert werden: Die Sonntagsruhe soll ab Mittag durch den Einkaufsrummel ersetzt werden. Das ist nicht nur politisch leichtsinnig. Das geht auch wieder gegen die "Kleinen": die Verkäuferinnen, deren Kinder und Ehepartner und auch gegen die Zahllosen, die wieder nicht zur intelligenten Gestaltung des Sonntags angehalten werden, sondern sich in Ersatzbefriedigung begnügen

Wer das als Fortschritt verkauft, hat zumindest eine sehr verkürzte Sicht vom Menschen und seiner Kultur. Die ganze Woche kann er kaufen von früh bis spät, aber an einem Tag der Woche sollte er zu sich selbst, zur Harmonie mit der Natur, zur inneren Ruhe, zur allseitigen Erholung kommen können. Das geht nun mal ... am besten am für alle gemeinsam festgelegten Tag: seit Jahrhunderten der Sonntag! Wer diesen Tag durch unnötige Belastungen zerstört, schadet dem Menschen

Man hat zwar großzügig auf die Gottesdienstzeiten der Christen Rücksicht genommen, aber das genügt uns nicht. Wir denken nicht nur an die Kirchenmitglieder, sondern betonen, daß jeder ein Recht auf Erholung, Feier, Fest, Zerstreuung, Entspannung hat. Das aber gelingt für Familie und Freundeskreis am ehesten am gemeinsamen freien Sonntag ..

Wir haben nichts gegen Ausnahmen bei besonderen Anlässen, bei denen der Spaß am gemeinsamen Einkauf die festliche Stimmung unterstützen kann. Wenn aber jeder Sonntag verkaufsoffen ist ..., wird alles im Grau in Grau verkommen. Der notwendige Rhythmus, der dem Menschen naturgemäß ist, wird zerstört. Es ist nicht abzuschätzen, welche Schäden in der Psyche des Menschen, in unseren Familien und damit in der ganzen Gesellschaft angerichtet werden

Deshalb: um der Menschen willen, Hände weg von der Sonntagsruhe! Vielmehr ist der Sonntag eine ausgezeichnete Chance, Verbindungen zu Verwandten und Freunden ohne Termindruck zu pflegen. Man kann alte und kranke Nachbarn mit einem Besuch froh machen. Die Schönheit der Schöpfung und die wunderbaren Kunstwerke der Menschen gilt es, immer neu zu entdecken und zu genießen. Zur Besinnung kommen, durchatmen, singen, musizieren, lachen, miteinander endlich mal wieder Zeit haben für ein längeres Gespräch - das alles brauchen wir zum Menschsein ..

Ihr Verkaufsstrategen und Wirtschaftsförderer, laßt uns in Ruhe vor zu vielen Angebotszeiten. Je alltäglicher der Einkauf wird, um so lustloser wird er. Lustloser Einkauf aber führt nur zu Umsatzverlusten. Ihr schneidet euch ins eigne Fleisch, wenn ihr so weiter macht. Ein kurzer, schnell vorübergehender Aufwärtstrend ist kein Gegenbeweis gegen meine These. An erster Stelle aber solltet ihr an eure Mitarbeiter denken. Sie brauchen den Sonntag genau so wie die Herren der oberen Etage

Bischof Joachim Reinelt

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 22 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 06.06.1999

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