Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!
Bistum Görlitz

Grenzüberschreitende Fronleichnamsfeier bei Görlitz

Liturgie nonstop

Görlitz / Zgorzelec (jh) - Wenn die Bilder der "Tour de France" über den Bildschirm flimmern, sieht es so ähnlich aus: Am Straßenrand, an manchem Fenster oder Balkon warten Menschen auf die, die hier gleich vorbeikommen sollen. Die ältere Frau mit den rotlackierten Fingernägeln, die sich vorübergehend auf der kleinen Steinbank einen Sitzplatz gesucht hat, harrt genauso darauf, daß es hier bald losgeht, wie der Mann im mittleren Alter. Er trägt eine weiß-gelbe Armbinde. In seiner Hand hält er ein Funkgerät, aus dem aber im Moment keine Geräusche kommen

Etwa hundert Meter dahinter spielt sich etwas ab, das sich aber doch eindeutig vom Szenario der "Tour de France" unterscheidet: Viele Menschen knien auf dem von der Sonne aufgeheizten Asphalt der Straße, die in der Nähe der Grenze den polnischen Teil der Stadt Görlitz, Zgorzelec, durchzieht. Ein Priester hält die goldene Monstranz erhoben und spendet hier an der zweiten Station der Fronleichnamsprozession den eucharistischen Segen

Und dann geht es auch schon weiter. Die polnische Bergmänner-Kapelle fängt wieder an zu spielen und der ganze Zug aus Ministranten, Kommunionkindern, Bannerträgern, Priestern und vielen Gläubigen setzt sich erneut in Bewegung. An der Straßenecke, gleich neben dem Mann mit dem Funkgerät, beginnen auch die kleinen Zgorzelecer Jungs in Schlips und Kragen, wieder in einer Reihe hintereinander im Prozessionszug mitzulaufen, gleich hinter den Görlitzer Meßdienern - aber langsam, damit der Zug nicht auseinandergerissen wird

Jetzt muß der Grenzsoldat, der bis eben noch seine Hände in die Hüften gestemmt hatte, aufpassen. Doch er und seine Kollegen kontrollieren lange nicht jeden der polnischen und deutschen Gläubigen, die nun über die Neißebrücke in Richtung der deutschen Seite der Stadt, nach Görlitz laufen

Während ihrer gemeinsamen Fronleichnamsprozession am 3. Juni, überschritten die polnischen und deutschen Katholiken ganz bewußt die Staatsgrenze zwischen ihren Heimatländern. Sie demonstrierten so, daß ihr gemeinsamer Glaube Verbundenheit schenkt und Nährboden sein kann für wachsende Verständigung untereinander. Oder, wie es der Bischof von Liegnitz / Legnica, Tadeusz Rybak, ausdrückte: "Christus vereint uns als Haupt der Gemeinde"

Das sollte auch in der gemeinsamen Eucharistiefeier für alle ersichtlich sein, die vor der gemeinsamen Fronleichnamsprozession gefeiert wurde. Die Liturgie wurde deswegen in drei Sprachen zelebriert: auf deutsch und polnisch, um die Verbindung zwischen beiden Völkern auszudrücken und dazu auf Latein, um die ganze Weltkirche auch mit in den Blick zu nehmen

Neben den beiden "Gastgeber-Bischöfen" Rudolf Müller und Tadeusz Rybak feierten noch zwei polnische und zwei deutsche Bischöfe das Hochfest des Leibes und Blutes Christi grenzüberschreitend mit. Nach 1991, 1995 und 1997 fand die gemeinsame Feier mittlerweile zum vierten Mal statt. Zwar waren mehr polnische Katholiken gekommen als deutsche, aber auf den Bürgersteigen am Rande des Görlitzer Stadtparkes warteten noch ein paar Görlitzer, um den Abschluß im Pfarrgarten der Heilig-Kreuz-Gemeinde mitzufeiern. Manche von ihnen schafften es wegen der Arbeitszeit nicht, schätzte Ordinariatsrat Bernd Richter ein, anderen seien die Dauer oder der Weg des Umzugs zu lang gewesen. Und wieder andere, wenn auch wenige, haben Vorbehalte gegen ihre polnischen Nachbarn, obwohl die, wie eine Görlitzerin meinte, doch meist vor der Kirchentüre halt machen

Den Abschluß hatten viele kleinere Kinder offensichtlich schon heiß ersehnt. Nach der fast vierstündigen Zeremonie und dem Fußmarsch von Zgorzelec nach Görlitz sahen sie nicht mehr ganz so diszipliniert aus wie am Anfang - beispielsweise die Kommunionkinder. Doch dafür, daß sie den Zug durch Blumenstreuen oder Ministrieren mitgestalteten, wurden die polnischen und deutschen Mädchen und Jungen dann auch ganz überraschend belohnt. Bischof Rudolf Müller spendierte zum Abschluß jedem von ihnen ein Eis. Auch eine andere Gabe bereitete Freude: Die Kollekte der Feier nämlich, die dem Bau der neuen Sankt-Hedwigs-Kirche in Zgorzelec zugute kommen soll

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 23 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 13.06.1999

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps