Bonifatiuskreuz an germanisch-sorbischer Kultstätte geweiht
Zörbig
Zörbig - Zu Ehren des heiligen Bonifatius errichtete die Zörbiger Kolpingsfamilie kürzlich in der Nähe der Stadt ein 4,50 Meter hohes Holzkreuz. Der Standort war keinesfalls zufällig gewählt. Vor langer Zeit war hier eine heilige Stätte
Unweit der Stadt entspringt ein kleiner Bach namens Fuhne. Er fließt in zwei Richtungen: zur Mulde im Osten und zur Saale im Westen. Mit seiner eigenen Wasserscheide stellt der 53 Kilometer lange Wasserlauf eine Besonderheit dar. Das eiszeitliche Urstromtal war bis zum vorigen Jahrhundert ein schwer zugängliches Sumpfgebiet. So blieb der Landschaft bis heute eine weitgehende wirtschaftliche Erschließung erspart. Ein Anziehungspunkt dort ist ein großer roter Granitfindling aus der Eiszeit, der Flinz oder auch Teufelsstein. Den Germanen, die das Land in der Jungsteinzeit besiedelten, diente er als Opferstein. Um 650 nach Christus drängten die westslawischen Sorben die germanischen Stämme Richtung Westen. Sie brachten ihre eigenen Kulte mit. Auf dem Findling errichteten sie eine Statue ihres Götzen Flinz. Von diesem Standbild wird in der "Ausführlichen Nachricht von der Stadt Zörbig" von 1732 folgendes berichtet: "... Dann der Flynz mit seiner erschrecklichen Gestalt, als einen Toden-Cörper, mit einem langen anhangenden Mantel, in der Hand einen Stab mit einem Blas-Feuer, und zur linken Seite einen aufgerichteten Löwen haltend, anbei auf einem Flynzsteine stehend ..."
Die Chronik der Stadt Zörbig aus dem Jahre 1849 beschreibt mit Hinweisen auf noch ältere Quellen die Zerstörung des Flynzstandbildes durch Bonifatius. Wenn diese Darstellung den Tatsachen entspricht, wäre das Gebiet um Zörbig die östlichste Wirkungsstätte des großen Heiligen, und das wäre nach bisherigem Kenntnisstand eine kleine kirchengeschichtliche Sensation. Zur Zeit seines Wirkens war das Gebiet zwischen Saale, Elbe und Mulde mit Sicherheit noch von den Slawen besiedelt. Bonifatius hätte also noch vor dem griechischen Bruderpaar Kyrillos und Methodios die Slawenmission von Westen her eingeleitet
Absolut sicher ist das Wirken des heiligen Bonifatius in der Gegend um Zörbig nicht, doch dürfte das Verschwinden des Götzenbildes genau in diese Zeit fallen. Nach seinem Lebenslauf könnte Bonifatius um 720 während seiner Missionstätigkeit in Thüringen in dieser Gegend gewesen sein. Nach der Ortschronik des Nachbardorfes Löberitz wurde der Flinz der Gottesmutter Maria geweiht und ein Marienstandbild darauf errichtet. Der genaue Zeitpunkt ist nicht überliefert. Die Statue wurde wohl in der Reformationszeit entfernt. Vielleicht fiel sie auch nur dem Zahn der Zeit zum Opfer und wurde nicht mehr erneuert. Im Laufe der Zeit bürgerte sich für den Flinz der Name Teufelsstein ein, verbunden mit einer Sage über den betrogenen Teufel. Seit einigen Jahren knüpft die Zörbiger Gemeinde an alte Traditionen an und feiert am Flinz seither am Bonifatius-Fest eine heilige Messe. Konrad Reiß
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 20.06.1999