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Aus der Region

Kirche vor grossen Herausforderungen

Guardini-Lectures

Berlin - Ein positives Resümee der "Guardini-Lectures 1999" an der Berliner Humboldt-Universität hat Initiator Thomas Brose gezogen. Mit der von dem renommierten Bielefelder Soziologen Franz-Xaver Kaufmann angebotenen Vorlesungsreihe "Überlebt das Christentum die Moderne" (Der Tag des Herrn berichtete.) sei an einem säkularen Ort "ein wichtiger Nerv" getroffen worden, sagte der Theologe und Bildungsreferent gegenüber dieser Zeitung. Brose: "Wenn sich engagierte Christen und andere aufgeschlossene Zeitgenossen die Probleme der Kirche in der heutigen Zeit vor Augen führen lassen und nach neuen Wegen fragen, ist dies ein Beitrag dazu, den großen Erfahrungsschatz und die Ressourcen des Christentums für die heutige Gesellschaft besser fruchtbar werden zu lassen. Dies haben wir bei den Guardini-Lectures 1999 zu leisten versucht."

Insgesamt 550 Teilnehmer haben die von der Katholischen Akademie in Berlin und von der Berliner Katholischen Studentengemeinde (KSG) Maria Sedes Sapientiae im Mai veranstalteten Vorlesungen besucht. An vier Abenden beschäftigte sich der katholische Soziologe mit dem "Aufstieg des Christentums", dem Beitrag des christlichen Glaubens für die Entwicklung Europas , mit "Modernisierung, Säkularisierung und Verkirchlichung des Christentums" sowie mit dem Thema "Gesellschaft, Religion und Christentum im Horizont von globaler Interdependenz und Selbstverwirklichungsansprüchen"

Nach Darstellung Kaufmanns hat der christliche Glaube tiefe Spuren in Europa hinterlassen: Die in den nationalstaatlichen Gesellschaften verankerten ethischen Eckpfeiler zeugten von der Kraft der christlichen Botschaft. Angesichts der Globalisierungstendenzen in Wirtschaft und Gesellschaft fehle bislang aber ein von den Weltreligionen gemeinsam entwickeltes "Weltethos", das dem "Ethos der Anerkennung von Menschenrechten, der Demokratie und der kollektiven Verantwortung für ein bestimmtes Wohlfahrtsminimum für alle Bürger" auf nationalstaatlicher Ebene entsprechen würde

"Die zentralen Inhalte des christlichen Glaubens - die Existenz eines welttranszendenten Gottes, die Gott-Menschlichkeit des Jesus von Nazareth und die geschichtliche Wirkmächtigkeit des Heiligen Geistes" laufen nach Auffassung Kaufmanns "den herrschenden verweltlichten Wirklichkeitsbestimmungen grundsätzlich zuwider". Zwar lasse die heutige Bewußtseinslage im Gegensatz zu den Zeiten der Aufklärung die Existenz einer eigenständigen religiösen Dimension eher zu. Um jedoch persönlich einen Zugang dazu zu zu finden, bedürfe es der persönlichen Erfahrung von Sinn und des Getragenseins der Welt durch Gott. Dazu hinzuführen erfordere von den Kirchen für die Gewinnung neuer Mitglieder enorme Anstrengungen und es sei zu vermuten, daß die sozialen Voraussetzungen für Bekehrungen "hierzulande eher ungünstig sind".

Soweit sie dennoch stattfinden, "werden sie sich weniger auf das kirchliche Glaubensangebot im Ganzen als auf bestimmte, als überzeugend empfundene Momente beziehen", vermutet der Soziologe. Religiöse Renaissancen in der Form christlich inspirierter religiös-sozialer Bewegungen seien für die Zukunft nicht auszuschließen. Impulse dafür seien aber eher aus Ländern der Dritten Welt zu erwarten. Angesichts dieser "wenig erfreulichen Perspektiven für das Christentum in unseren Breitengraden" erinnerte Kaufmann daran, daß der jüdisch-christlichen Glaubenstradition kein weltlicher Erfolg in Aussicht gestellt wurde und "Beharrlichkeit" und die "Hoffnung auf göttlichen Beistand" zu den Grunddimensionen christlichen Glaubens gehören

Nachdem es bereits 1997 und 98 vergleichbare Vorträge gegeben hatte, waren die Guardini-Lectures in diesem Jahr erstmals im Vorlesungsverzeichnis der Universität angekündigt. Zudem hatte ein großes Plakat am Haupteingang der Universität über mehrere Wochen auf die Reihe aufmerksam gemacht. Dies sei nicht selbstverständlich in einer Zeit, in der christlicher Glaube mit viel Gegenwind zu rechnen habe, freut sich KSGBildungsreferent Brose. "Ausgesprochen wichtig" sei die interdisziplinäre Einbindung der "Lectures" gewesen. "Da es uns gelungen ist, verschiedene Vertreter der Humboldt-Universität für eine Diskussion mit Franz-Xaver Kaufmann zu gewinnen, konnte die Vorlesungsreihe noch stärker universitär verankert werden", so Brose.

Eckhard Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 25 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 27.06.1999

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