Den Glauben vor der Welt bezeugen
Pfarrgemeinde St. Josef Ilmenau beging 100-jähriges Jubiläum
Ilmenau (as) -"Wir haben soviele Gruppen und Kreise, ich kann Ihnen das alles gar nicht aufzählen", sagt der Ilmenauer Pfarrer Gerhard Sammet, als er nach den Aktivitäten in seiner Pfarrei gefragt wird. Mit einer Festwoche beging die Gemeinde St. Josef jetzt ihr 100-jähriges Bestehen. Höhepunkt war der feierliche Gottesdienst am 11. November mit Bischof Joachim Wanke und Geistlichen, die in der Gemeinde gewirkt haben oder selbst von hier stammen. Bischof Joachim Wanke ist ein Kind der Ilmenauer Pfarrgemeinde. Nach Flucht und Vertreibung aus Schlesien habe seine Familie hier eine neue Heimat gefunden, schreibt er in der Festschrift zum Jubiläum.
Pfarrer Sammet kennt die Aktivitäten seiner Gemeinde natürlich genau, schließlich ist er seit fast 30 Jahren hier. Da gebe es den Thomas-Morus-Kreis, der regelmäßig zu Vorträgen und Diskussionen einlädt, einen ökumenischen Arbeitskreis, einen Arbeitskreis Ausländer oder den Rumänienhilfeverein, der soziale und kirchliche Projekte im Balkanland unterstützt. Zu nennen wären auch der Caritashelferkreis, der Elferrat, die Familienkreise und der Frauenkreis "Die Gemeinde ist sehr aktiv", bestätigt Clemens Freisleben. Der Redemptoristenpater ist in Ilmenau geboren und aufgewachsen. 1996 feierte er hier seine Primiz. Besonders beeindruckend, so Freisleben, sei das Zusammenspiel von Hochschulgemeinde und Pfarrgemeinde, die in Ilmenau eng zusammenarbeiteten.
Die jüngere Geschichte der Pfarrei Ilmenau begann rund 350 Jahre nach der Reformation am 26. April 1896 im Saal des Gasthofes zum Deutschen Kaiser. Hier wurde der erste katholische Gottesdienst gefeiert. Es dauerte noch einige Jahre bis das Bischöfliche Generalvikariat in Fulda den Bau des Missionshauses St. Josef zustimmte. Im Oktober 1901 wurde die Kapelle geweiht. Es begann eine bewegte Geschichte, eine Geschichte von aktiven Katholiken, die sich um ein christliches Leben in der Diaspora bemühten.
Der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg zerstörten viele Aktivitäten in der Gemeinde. Katholische Vereine wurden zur Selbstauflösung gezwungen, an kirchlichen Feiertagen konnten die Kinder nur auf Gesuch des Geistlichen von der Schule befreit werden. Der Krieg brachte der Gemeinde aber auch ungeahnten Zuwachs, Flüchtlinge aus dem Westen und Osten strömten ins Thüringer Land. Nach dem Ende der Hitlerdikta-
tur mussten auch die Ilmenauer erfahren, dass sich die Hoffnung auf die Errichtung demokratischer Verhältnisse nicht erfüllte. Aber die Katholiken machten weiter: Jugendliche trafen sich zu Einkehrtagen und Glaubensgesprächen, die Katholische Studentengemeinde wurde 1953 gegründet. Ein wichtiges Anliegen für die Geistlichen der Pfarrei war es, dass "keiner alleine bleibt" und jeder am Gemeindeleben teilnimmt. So entstanden Gruppen und Kreise wie Familiengruppen, Rentnerkreis und Akademikerkreis, in denen sich engagierte Gemeindemitglieder einbrachten.
Als ein "Haus der Demokratie" bezeichneten die Ilmenauer Bürger während der Wende das katholische Pfarrhaus in der Unterpörlitzer Straße. Das Neue Forum tagte hier, der Demokratische Aufbruch, die SPD und die personell erneuerte CDU. Eine, die hier politisch laufen gelernt hat, ist Claudia Nolte (CDU), von 1994 bis 1998 Bundesfamilienministerin in der Kohl-Regierung. Die gebürtige Rostockerin studierte in Ilmenau . "Die Wurzeln für meine politische Arbeit liegen in dieser Gemeinde", sagte Frau Nolte am Rande des Jubiläums. Die Grundlagen dafür seien schon in der Studentengemeinde zu DDR-Zeiten gelegt worden. "Die Frage war damals vor allem, welche Verantwortung tragen wir als Christen in der Gesellschaft", meint die Politikerin. Während der Wende habe sie sich zunächst beim Neuen Forum engagiert. Von Gemeindemitgliedern sei sie dann immer wieder ermutigt worden, für die ersten freien Volkskammerwahlen im März 1990 zu kandidieren. "Die Verankerung in der Gemeinde ist für meine politische Arbeit auch heute noch wichtig", sagt sie.
In seiner Festpredigt ermutigte Bischof Joachim Wanke, die Ilmenauer Gläubigen. Die Kirche sei nicht Selbstzweck "Vor der Welt wollen wir bezeugen, dass wir einen Reichtum in den Händen halten." Die Kirche von heute habe sich vom "Traditionschristentum" zum "Entscheidungschristentum" gewandelt, sagte der Bischof. "Dort, wo Menschen keine Orientierung mehr haben, wo Lebenswunden nicht mehr heilen, spüren wir, was uns der Glaube schenkt".
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 15.11.2001