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Bistum Magdeburg

Arbeit statt zermürbender Warterei

Kosovo-Flüchtlinge

Glüsig (dw) - "So schnell wie möglich nach Hause!" Diesen Wunsch teilt die 17jährige Linije Maligi mit fast allen Kosovo-Albanern, die in Magdeburg untergekommen sind. Linije möchte herausfinden, wie es den Verwandten geht, von denen sie nach der Vertreibung und der Zwischenstation im mazedonischen Lager Place immer noch keine Nachricht erhalten hat. Nach mehrmonatiger Pause will sie auch endlich wieder in ihrer Heimatstadt Pristina in die Schule gehen. Nur die Warnungen der Hilfsorganisationen aus dem Kosovo vor den Gefahren einer übereilten Heimreise halten sie und ihre Familie noch zurück in Deutschland

Die Ungewißheit über das Schicksal von Angehörigen, aber auch die aufkeimenden Erinnerungen an Fluchterlebnisse sind für die Kosovaren belastend. Ein aus Spenden finanziertes Trainingsprogramm, mit dem der Caritasverband vor einigen Tagen begonnen hat, soll ihnen Ablenkung verschaffen und ihnen Fähigkeiten vermitteln, die für einen Neuanfang im Kosovo hilfreich sein könnten

Auf Gut Glüsig bei Haldensleben helfen seit Ende Juni 30 Flüchtlinge in der Land- und Hauswirtschaft und bei Bauarbeiten. Die Frauen und Männer aus Flüchtlingsheimen in Magdeburg und Gardelegen werden morgens mit Bussen zu dem Arbeits- und Wohnprojekt St. Franziskus nach Glüsig gebracht und beginnen dann auf dem ökologischen Bauernhof mit der Arbeit in der Ernte, beim Heueinlagern oder beim Ausbau eines alten Klostertraktes. Sie kommen aus den verschiedensten Berufen. Nebenbei erhalten sie in Glüsig Deutschunterricht

Linije und andere Jugendliche aus ihrer Magdeburger Unterkunft, die am Anfang mit dabei waren, nehmen seit einigen Tagen an einem speziellen Deutschkurs im Interkulturellen Zentrum (IKZ) der Caritas in Magdeburg teil, der ihnen nicht nur Sprachkenntnisse, sondern auch Einblicke in die deutsche Lebensweise und Kontakte mit Magdeburger Jugendlichen vermitteln soll. Der Sozialpädagoge Ismail Reka ist vor drei Jahren aus dem Kosovo nach Deutschland geflohen und hat hier Asyl erhalten. Seit kurzem steht er im IKZ als Ansprechpartner für Kosovo-Flüchtlinge zur Verfügung. Sie suchen seinen Rat vor allem bei Fragen der Familienzusammenführung und bei Behördengängen. Dabei wird er auch mit den psychischen Folgen von Vertreibung und Flucht konfrontiert. Ismail Reka hat sowohl den Erwachsenen-Trainingskurs in Glüsig als auch den Jugendsprachkurs in der Aufbauphase begleitet. Bei einem Gespräch mit Sachsen-Anhalts Ausländerbeauftragtem Günter Piening, der am 30. Juni das Öko-Gut Glüsig besuchte, äußerte er den Eindruck, daß alle Teilnehmer hochmotiviert seien. Die Qualifizierung könnte ihre Chancen erhöhen, im Kosovo eine neue Existenz aufzubauen, hoffen sie. Linije zum Beispiel kann sich gut vorstellen, später in ihrer Heimat Deutsch zu studieren

Der Ausländerbeauftragte der Landesregierung besucht derzeit verschiedene Flüchtlingsheime und -projekte im Land. Die Landesregierung sei entschlossen, im Umgang mit den Kosovo-Flüchtlingen einiges anders zu machen als mit den bosnischen Kriegsflüchtlingen, sagte er in Glüsig. Nach dem Friedensvertrag von Dayton sei zu schnell gesagt worden "Jetzt ist Frieden, jetzt müßt ihr aus Deutschland raus." Viele Bosnier, deren Lebensgrundlagen durch den Krieg völlig zerstört worden waren, seien dadurch in Panik geraten. Nun wolle man mehr mit Gruppen von Kosovo-Flüchtlingen reden und gemeinsam mit ihnen überlegen, wann und wie eine Rückkehr möglich ist. Es sollte auch darüber nachgedacht werden, den Kosovaren "Schnupperreisen" in ihre Heimat zu ermöglichen, meinte Piening. Bei den Bosnien-Flüchtlingen habe sich dieses Modell bewährt, das Betroffenen gestattet, sich vor einer endgültigen Rückkehr zunächst von der Lage in ihrem Dorf oder Wohnviertel zu überzeugen. Projekte wie die Trainingsprogramme der Caritas hält Piening für sinnvoll und nachahmenswert. In Halle gibt es seit Anfang Juli bereits ein weiteres, ebenfalls vom Caritasverband durchgeführtes Qualifizierungsprogramm, bei dem 20 Kosovo-Albanern Deutsch- und Erste-Hilfe-Kenntnisse vermittelt werden

Möglich wurden all diese Projekte nur durch die hohe Spendenbereitschaft der Bevölkerung. Die Frühjahrssammlung der Caritas im Bistum Magdeburg, die dieses Jahr den Flüchtlingen zugute kam, erbrachte 170 000 Mark. In anderen Jahren kam nicht einmal halb soviel zusammen. Dazu kommen noch 25 000 Mark, die auf das Sonderkonto der Caritas eingezahlt wurden. Der Magdeburger Diözesan-Caritasdirektor Franz Jorgol dankt Spendern und Sammlern und bittet darum, in der Spendenbereitschaft nicht nachzulassen: "Auch wenn nun die Waffen endlich schweigen, muß diesen Menschen noch viel geholfen werden."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 27 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 11.07.1999

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