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Aus der Region

Durch Wüste und Oasen gemeinsam nach Wechselburg

Sternwallfahrt

"Ich bin sehr froh, daß Wechselburg ein Kreuzeswallfahrtsort ist und es hier ganz konkret um das Zentrum unseres Glaubens geht", betont Benediktinerpater Rupert Sarach. Der Ort bietet für viele Menschen die Chance, sich neu am Grundinhalt des christlichen Glaubens zu orientieren. Eine Chance, die sich übrigens nicht nur für den katholischen Raum ergibt. Verbindet doch das Kreuz alle christlichen Konfessionen. Und so wundert es nicht, daß auch evangelische Christen gern nach Wechselburg kommen, sich die alte Stiftskirche mit dem Lettner ansehen und gemeinsam eine Andacht feiern

Im September diesen Jahres ist die Stiftskirche Ziel einer Sternwallfahrt. Dazu lädt die Arbeitsgruppe "Pastoral 2000" des Bistums Dresden-Meißen alle Interessierten ein. Es wird verschiedene Wege geben, auf denen die Wallfahrer gehen können. Die Betonung auf dieses "Unterwegs" ist bewußt gewählt, wie Pater Rupert berichtet, geht es doch darum, auf dem Weg zu sein. Diese Wallfahrt ist ein wichtiger Höhepunkt für Wechselburg und den kleinen Benediktiner-Konvent. Und wer weiß, meint Pater Rupert, vielleicht ist es ja nicht das letzte Mal, daß der Ort an der Mulde Ziel einer großen, eigentlich auch überdiözesanen Wallfahrt wird

Nicht zuletzt haben die Wechselburger Erfahrungen mit Wallfahrten, die sie auch im September einbringen werden. Seien es die Dekanatstage von Chemnitz und Leipzig, Kinderwallfahrten oder der alle zwei Jahre stattfindende Bistumsjugendtag. Aber auch kleine Gruppen, Familien und Einzelpersonen finden immer wieder den Weg in die kleine sächsische Stadt. Pater Rupert berichtet von zirka 40 000 Besuchern pro Jahr. Das ist zwar im Vergleich mit seinem Heimatkloster Ettal in Oberbayern relativ wenig, doch Wechselburg tritt zunehmend ins Interesse einer breiten Öffentlichkeit. Dies ist besonders der romanischen Stiftskirche mit ihrem eindrucksvollen Lettner zu verdanken. "Bei dem Kreuz auf dem Lettner handelt es sich um das bedeutendste Großkreuz des 13. Jahrhunderts, wie es uns Kunsthistoriker versichern", berichtet Rupert Sarach nicht ohne Stolz. So kommt es zu einer seltsamen Konstellation: Im neuen Baedeker erhält das kleine sächsische Wechselburg zwei Sterne und das bekannte Benediktinerkloster Ettal nur einen. Auch der ADAC-Reiseführer stellt Wechselburg unter die Städte, die in Sachsen eine Reise wert sind

Diese kunstgeschichtliche Bedeutung ist der Grund dafür, eine Ausstellung mit dem Schloßmuseum Chemnitz zu erarbeiten. Unter dem derzeitigen Arbeitstitel "Dreifaltigkeitskreuz-Ausstellung" werden im nächsten Jahr Darstellungen wie das Wechselburger Kreuz gezeigt, auf denen Vater, Sohn und Heiliger Geist zu sehen sind. Für Pater Rupert bieten die Schönheit und die kunstgeschichtliche Bedeutung von Wechselburg eine Möglichkeit, mit Leuten über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Beispielsweise mit Schulklassen, die gern zur Stiftskirche kommen. "Ich bewundere immer wieder den Mut der Lehrerinnen und Lehrer, die sich der Begegnung stellen, obwohl sie selbst nicht viel von Kirche wissen", berichtet der Seelsorger, der gute Erfahrungen bei diesen Gesprächen sammeln konnte. Auch wenn oft lange vor "Adam und Eva" angefangen werden muß, sind diese Begegnungen für den Benediktiner und Wechselburger Gemeindepfarrer auch Katechesen. Nicht unerwähnt lassen möchte Pater Rupert das gute ökumenische Verhältnis am Ort. In der evangelische St. Otto-Kirche erhalten die Benediktiner und Wallfahrer oft Gastrecht. Beispielsweise bei den Bistumsjugendtagen

Die Stiftskirche Wechselburg selbst steht erst seit der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts für Besucher offen. Zuvor wurde sie von den katholisch gewordenen Grafen von Schönburg-Glauchau als Schloßkirche genutzt. Am Eingang bewachte ein Pförtner das Geschehen. Besuchern wurde nur beschränkt Einlaß gegeben. Nach dem Krieg siedelten sich auch in Wechselburg viele katholische Christen an, die sich in der Kirche zu den Gottesdiensten trafen. Die erste Kreuzeswallfahrt wurde am 18. September 1949, vor 50 Jahren gefeiert. 3000 katholische Christen aus dem Dekanat Chemnitz und der Stadt Leipzig nahmen daran teil. Inzwischen ist Wechselburg als Wallfahrts- und Begegnungsort nicht mehr aus dem kirchlichen Leben wegzudenken. Zahlreiche Baumaßnahmen, die erste grundlegende Sanierung und Renovierung fand in den 70er Jahren statt, machten den Ort auch äußerlich immer attraktiver. Derzeit geht die Innen-Renovierung ihrem Ende entgegen. Der Bereich rund um den Lettner soll nach dem Jahr 2000 folgen

Fertiggestellt wird im nächsten Jahr auch der Anbau des Schlosses. Dort erhalten die Benediktiner mehr Platz für sich selbst und ihre seelsorgerischen Aufgaben. In dem Gebäude entsteht zudem ein Jugend- und Familienhaus mit 38 Betten. Wechselburg ist weiter auf dem Weg von einem alten zu einem neuen geistlichen Zentrum für die gesamte Region

Holger Jakobi

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 29 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 25.07.1999

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