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Aus der Region

Gerhard Feige - neuer Weihbischof im Bistum Magdeburg

Interview

Herr Professor Feige, fällt es Ihnen leicht, das Amt eines Weihbischofs auf sich zu nehmen?
Das sicher nicht. Als ich von meiner Ernennung erfuhr, hatte ich einige unruhige Nächte. Da aber offensichtlich eine ganze Reihe von Personen, die befragt worden sind, mir dieses Amt zutrauen, habe ich nach reiflicher Überlegung in Verantwortung gegenüber unserer Magdeburger Ortskirche den Ruf angenommen.
Als Wahlspruch haben Sie sich das Schriftwort "Wacht und betet" gewählt, warum?
So ein Wahlspruch soll ein Stück Programm sein: Ich denke, unser Christsein muß sich in der Spannung zwischen Wachen und Beten vollziehen. Unter Wachen verstehe ich Wachsamkeit in einem ganz weiten Sinn: hellhörig und empfindsam zu sein, die Situation wahrzunehmen, wie sie ist, und sich ihr ohne Angst zu stellen. Wachsamkeit heißt, sich nicht ins Ghetto zurückzuziehen, sondern nach den Zeichen der Zeit Ausschau zu halten. Auf der anderen Seite gilt aber auch: Wenn wir uns als Christen nicht um einen tiefen Glauben mühen, also Menschen des Gebetes sind, können wir aufgeben. Der Wahlspruch entspricht insofern auch meinen ostkirchlichen Ambitionen und meiner Liebe zur Liturgie.
Fällt es Ihnen schwer, Ihre bisherige Aufgabe als theologischer Lehrer aufzugeben?
Das ist sicher eine Umstellung. Meine Aufgaben in Forschung und Lehre waren eine Horizonterweiterung, die ich in mein neues Amt mitnehme. Ich habe meine Arbeit hier in Erfurt sehr gern gemacht. Aber ich habe nebenher immer auch seelsorgliche Aufgaben wahrgenommen. Zum Beipiel bin ich über Jahre nach Artern / Roßleben gefahren, um dort Gottesdienst zu halten. In der letzten Zeit hatte ich mich dazu der Erfurter Martini-Gemeinde zur Verfügung gestellt. Es war mir wichtig, neben meinem Lehramt als Priester zu einer konkreten Gemeinde zu gehören.
Was hat Sie als Wissenschaftler besonders beschäftigt?
Meine besondere Aufmerksamkeit galt der theologischen Entwicklung in der frühen Kirche, einigen griechischen Vätern und den ersten Ökumenischen Konzilien, auf denen unter anderem das Glaubensbekenntnis entstand. Intensiv habe ich mich mit der Entfremdung und dem Dialog zwischen Ost- und Westkirche sowie der Geschichte der Orthodoxie befaßt. Zudem ist mir das Schicksal der Ukrainisch-Katholischen Kirche ans Herz gewachsen.
Sie sind in etlichen Gemeinden in Verbindung mit dem Erfurter Johannes-Chrysostomos-Chor bekannt geworden. Woher kommt Ihre Liebe zur Ostkirche und ihrer Liturgie?
Mein Heimatpfarrer in Halle, Propst Langsch, hat großen Wert auf gut gestaltete Gottesdienste gelegt. Von ihm habe ich wohl meinen liturgischen Ansatz. Später bin ich als Student durch den Chrysostomos-Chor mit dem byzantinischen Ritus vertraut geworden und habe von unserem Präfekten Dietmar Hintner, der ein Kenner der Orthodoxie war, viel gelernt. Zudem bin ich in den Ferien oft in Rumänien und Bulgarien gewesen und habe dort weitere Erfahrungen sammeln können.
Der neue Weihbischof ist also ein Mann der Ökumene?
Ganz bestimmt. Mein Herz schlägt in erster Linie Richtung Orthodoxie. Aber fast genauso wichtig ist mir das Verhältnis zu den evangelischen Mitchristen. Als Diasporakind erinnere ich mich dankbar des ersten ökumenischen Gottesdienstes in Halle und meiner Abiturientenzeit, während der ich mit der Tochter des evangelischen Propstes, mit der ich in eine Klasse ging, viel über unsere Kirchen diskutiert habe. Als Vikar habe ich in Salzwedel lebendige Ökumene erlebt. Hier an der Hochschule war ich für das Fach Ökumenische Theologie zuständig. Außerdem bin ich im Auftrag der Bischofskonferenz Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und der Gemeinsamen Kommission mit der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland.
Wo sollten gegenwärtig ökumenische Schwerpunkte liegen?
Aufgrund mancher ökumenischer Irritationen, die seit 1989 aufgetaucht sind, halte ich es für wichtig, nicht wieder in konfessionalistisches Denken zurückzufallen. Im Ökumenisch-Theologischen Arbeitskreis der neuen Bundesländer haben wir uns mit dieser Problematik beschäftigt. Resultat ist das im St. Benno-Verlag erschienene Buch "Wege der Kirche im Umbruch der Gesellschaft". Wir sollten zudem wieder mehr Interesse aneinander entwickeln und uns durch das Ausbleiben dramatischer Fortschritte nicht lähmen lassen.
Welche Aufgaben werden Sie als Weihbischof wahrnehmen?
Ich werde für alle in der Pastoral Tätigen sowie für die Priesteramtskandidaten zuständig sein. Zweitens soll ich Firmungen spenden und mit den Gemeinden Kontakt halten. Zum dritten wünscht sich Bischof Leo, daß ich ihm Repräsentationsaufgaben abnehme. Außerdem möchte ich gern weiterhin ökumenisch aktiv sein.
Die Zahl der Priester im Bistum Magdeburg sinkt voraussichtlich in den nächsten Jahren dramatisch. Und es fehlen Spezialisten. Wo sieht der künftige Personalreferent notwendige personelle Akzente?
Um dazu etwas zu sagen, kenne ich die Situation noch nicht genau genug.
Auch zehn Jahre nach der Wende sind die Christen in den neuen Ländern deutlich in der Minderheit. War es ein Fehler, 1994 drei weitere ostdeutsche Diözesen zu errichten?
Die Entscheidung, das Bistum Magdeburg zu errichten, halte ich aufgrund des großen Territoriums nach wie vor für richtig. Es ist aber zu überlegen, ob nicht in Zukunft manche Bistümer in den neuen Ländern noch enger zusammenarbeiten sollten. Im evangelischen Bereich gibt es ja derzeit zwischen der Thüringischen Landeskirche und der Kirche der Kirchenprovinz Sachsen ähnliche Überlegungen. Unsererseits kooperieren ja zum Beispiel im Blick auf das Erfurter Priesterseminar und die Hochschule mehrere Bistümer schon seit langem. Warum sollten wir also angesichts der gleichen seelsorglichen Probleme - die anders sind als im Westen - nicht gemeinsame Strategien entwickeln und praktizeren? Wie die Zusammenarbeit noch intensiver werden kann, darüber müßten wir miteinander reden.
Zu Ihrer Person: Sie gelten als unermüdlicher, solider "Arbeiter". Haben Sie auch Hobbys?
Ich schwimme sehr gern. Früher bin ich in der Hohen Tatra oder in den bulgarischen Gebirgen gewandert. Ich habe Klavier- und Orgelspielen gelernt, aber dazu komme ich kaum noch. Gelegentlich höre ich mir gern mal ein klassisches Konzert an.
Was essen Sie am liebsten?
Sämtliche italienischen Pasta-Gerichte, Spargel, altmärkisches Zungenragout, aber auch Kohlrouladen.
Sie sind Sohn einer halleschen Schuhmachermeisterfamilie. Sind Sie ein praktisch veranlagter Mensch?
Ich behaupte, daß ich nicht unpraktisch bin, reiße mich aber nicht um solche Arbeiten. Auf meine Herkunft bin ich dennoch ein bißchen stolz. Adolph Kolping zum Beispiel war Schuhmacher, ehe er Priester wurde. Was meine Eltern und damit auch meine Schwester und mich außerdem geprägt hat, ist die von Hugo Aufderbeck in Halle begründete Familienkreistradition. Meine Eltern gehörten zum ersten dieser Kreise. Im diesem Rahmen gab es immer auch Unternehmungen mit uns Kindern. Aus den Familien sind mehrere Priester und eine Ordensschwester hervorgegangen.
Wo sehen Sie hier und heute Chancen für das Evangelium?
Wir befinden uns in ganz Europa und besonders im Osten in einer Umbruchssituation in Verbindung mit einem starken Säkularisierungsprozeß. Das ist eine Entwicklung, auf die wir wenig Einfluß haben. Dennoch sehe ich für das Evangelium immer eine Chance, weil es Gottes Botschaft ist. Ihm stellen wir unsere Kraft zur Verfügung. Mir ist der Begriff von der "engagierten Gelassenheit" wichtig geworden: Wir müssen die eigenen Kräfte einsetzen und dürfen nicht alles einfach laufen lassen, aber wenn sich der Erfolg nicht einstellt, brauchen wir nicht zu verbittern, sondern dürfen auf Gott vertrauen. Und damit bin ich wieder bei meinem Wahlspruch "Wacht und betet".
Welche konkreten Ansätze sehen Sie, wie die Kirche den Menschen einladend begegnen kann?
Wenn Sie sich die von Tomka und Zulehner vorgelegte Studie über die katastrophale religiöse Situation in den Ländern Ost-(mittel-)Europas anschauen, so wird darin auf Tiefenformungen von mehr als einem Jahrhundert verwiesen. Wie will man dagegen kurzfristig angehen? Da kann man nur stauen, wenn Nichtchristen trotz alledem zur Kirche finden. Eine Chance sehe ich aber, wenn unsere Gemeinden einen gewissen familiären Charakter haben, der mit Offenheit gepaart ist. Ich denke, daß über einladende Gemeinden Menschen zum Glauben finden können. Grundsätzlich halte ich es für wichtig, daß wir uns als Christen nicht abkapseln, sondern den Dialog suchen. Allerdings müssen wir dabei ganz realistisch unsere begrenzten Kräfte berücksichtigen. Wir sollten uns aber nicht scheuen, Aufgaben wie Notfall- oder Polizeiseelsorge wahrzunehmen, und uns auch über die Medien in gesellschaftliche Debatten einmischen. Zugleich halte ich es für ganz wichtig, daß jeder einzelne Christ auch weiterhin den Mut hat, sich öffentlich zur Kirche zu bekennen.
Es gab in den letzten Monaten einiges in unserer Kirche, was traurig stimmen konnte: das römische Papier über die Mitarbeit der Laien, das Tauziehen um den Verbleib in der Schwangerschaftskonfliktberatung. Machen Ihnen diese Dinge Sorgen?
Ich habe mit manchem meine Schwierigkeiten. Aber deswegen distanziere ich mich nicht von der Kirche. Dabei hilft mir auch meine Kenntnis der Alten Kirchengeschichte, aus der ich weiß, daß es nie eine ideale Kirche gab.
Was wünschen Sie sich als Weihbischof von Ihren Mitarbeitern und von den "normalen Gläubigen"?
Ich wünsche mir Offenheit und bin mir bewußt, daß diese sehr kritisch sein kann. Ich wünsche mir Gesprächsbereitschaft, aber auch ein wenig Geduld mit mir. Und daß möglichst viele das Anliegen Jesu Christi mittragen.

Interview: Eckhard Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 30 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 01.08.1999

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