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Aus der Region

Pastoral und Mission

Tagung

Erfurt - "Ich habe ja durchaus Verständnis für die Kirche. Und wie mit Christen zu DDR-Zeiten umgangen wurde, war wirklich schlimm. Aber daß die Kirche jetzt auch noch Weihnachten für sich beansprucht, geht einfach zu weit." Mit diesen Sätzen eines Soldaten sah sich allen Ernstes Militärdekan Heinrich Hecker aus Potsdam vor einigen Wochen konfrontiert - einer Äußerung, die auf drastische Weise verdeutlicht, wieweit Entchristlichung und Entkirchlichung in den neuen Bundesländern vorangeschritten sind

Hecker erzählte sein Erlebnis im Rahmen einer Tagung, deren Teilnehmer genau dieser Entwicklung entgegentreten wollen. Unter dem Thema "Pastoral und Mission" hatten sich am 10. Juli Seelsorger aus den Bistümern Erfurt, Dresden-Meißen und Magdeburg in Erfurt versammelt, um nach neuen Wegen zur Ausbreitung der christlichen Botschaft zu suchen. Zu der Tagung hatten der Pastoraltheologe Andreas Wollbold von der Theologischen Fakultät Erfurt und Hubertus Staudacher vom Katholischen Forum im Land Thüringen eingeladen. Die Tagungsteilnehmer kamen aus ganz verschiedenen Bereichen der Seelsorge und orientieren sich in ihrem pastoralen Dienst gezielt auch auf Nichtchristen

Das erste Treffen in Erfurt diente dem gegenseitigen Kennenlernen. Zahlreiche Initiativen wurden vorgestellt und Erfahrungen in der Arbeit mit nichtchristlichen Mitmenschen ausgetauscht. Immer wieder wurde erwähnt, daß Nichtchristen besonders in schwierigen Lebenssituationen Sinn- und Glaubensfragen eine große Offenheit entgegenbringen, andererseits aber eine große Angst davor haben, von der Kirche vereinnahmt zu werden. Angesichts eines übermächtigen DDR-Regimes in der Vergangenheit sei eine solche Reaktion nicht unverständlich

Als besonderes Problem im Dialog wurde von fast allen Teilnehmern die Sprache empfunden. Vieles, was im christlichen Sprachgebrauch ganz selbstverständlich scheint, klinge für einen großen Teil der Mitmenschen völlig fremd. Pater Bernd Knüfer, der in Leipzig den Kontakt zu Nichtchristen sucht, betonte in diesem Zusammenhang, wie notwendig es ist, "eine lebendigere Sprache zu finden, die jeder normale Mensch versteht"

Als ein weiteres Problem wurde die Einbindung der Gemeinden gesehen. Es sei in der Regel eher schwierig, sie für missionarische Tätigkeiten zu begeistern. Allerdings gebe es auch positive Ansätze. Pater Albert Krottenthaler von der offenen Kinder- und Jugendarbeit im Don-Bosco-Haus Chemnitz berichtete, wie hier Kinder und Jugendliche, die sich meist in schwierigen Lebenssituationen befinden, zu Gottesdiensten, Festen und Ferienwochen der Gemeinde St. Antonius eingeladen werden

Der Erfurter Jugendseelsorgereferent Meinrad Bauer hat die Erfahrung gemacht, daß sich für von der Kirche angebotene Sommerfreizeiten - vorausgesetzt, sie werden öffentlich bekanntgemacht - zunehmend auch nichtchristliche Kinder und Jugendliche interessieren. Die dabei entstehenden Kontakte seien für alle bereichernd. Sowohl die katholisch erzogenen Jugendlichen wie auch beteiligte Seelsorger und Helfer sähen sich herausgefordert, sich mit ihrem persönlichen Glauben auseinanderzusetzen und sich aufkommenden Fragen zu stellen. Meinrad Bauer berichtete in diesem Zusammenhang von einem nichtchristlichen Jugendlichen, der sich an einer Reise nach Israel beteiligt hatte und an den einzelnen heiligen Stätten kritische Fragen zum christlichen Glauben stellte. Dabei hätten er und die Jugendlichen erfahren, daß es manchmal besser sei, ehrlich zuzugeben, nicht auf alles eine Antwort zu haben, als mit einer Lösung für jedes Problem glänzen zu wollen. Gute Erfahrungen haben die Erfurter auch mit ihren Tagen der Orientierung für Schulklassen gemacht

Allgemein stelle sich bei der Arbeit immer wieder die Frage nach dem Selbstverständnis, so die Tagungsteilnehmer. Dabei bereitet den Aktiven der Begriff "Missionieren" Schwierigkeiten. Für die meisten sei dies gleichbedeutend mit dem Aufdrängen des Glaubens. Sie waren sich jedoch einig, daß es wohl zu den wichtigsten Aufgaben gehört zuzuhören, für Probleme und Nöte des anderen dazusein und zu helfen. "Auch die Verkündigung des Wortes Gottes muß nicht aufdringlich sein", meinte Pater Athanasius Polag, Mitglied des pastoralen Arbeitskreises im Bistum Magdeburg. Jesus Christus selbst sei dafür Vorbild. Wichtig ist in jedem Fall eine realistische Einstellung zur eigenen Arbeit. Dr. Johannes Hintzen, Pastoralreferent im Bistum Dresden-Meißen, sagte dazu: "Ich arbeite nicht ergebnisorientiert, aber auch nicht absichtslos

Claudia Dewor / tdh

Alle Initiativen, die für die Erfurter Tagung nicht angeschrieben wurden, sollten sich beim Katholischen Forum in Thüringen, Regierungsstr. 44a, 99084 Erfurt, melden (Tel. 03 61 / 6 57 23 75), da ähnliche Treffen geplant sind. Die Tagung soll dokumentiert werden.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 30 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 01.08.1999

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