Gedenken an Prälat Ludwig Otto
Domherrengruft
Unter den Namen der in der Görlitzer Domherrengruft bestatteten Domkapitulare fällt als erster der Name von Prälat Dr. Ludwig Cuno ins Auge, einem Mann, der vielen nicht mehr bekannt ist, der aber wesentlich für das heutige Bistum Görlitz ist
Bischof Ferdinand Piontek kennzeichnete den langjährigen Domkapitular Cuno mit den Worten "man wird nicht einen Mann finden, in dem sich der Rechtsgelehrte und der Priester so glücklich vereinen, wie es bei Cuno der Fall war"
Am 15. Juli 1881 wurde Cuno in Kassel als Sohn eines mittleren Beamten geboren. Bedingt durch die Versetzungen des Vaters mußte die Familie öfter umziehen. Schließlich verschlug es sie nach Berlin. Hier schloß Cuno seine Schulbildung ab. In den Jahren 1902 bis 1906 studierte er Rechtswissenschaft und promovierte 1908 in Leipzig
Aber es zog Cuno zur Theologie. In Freiburg im Breisgau absolvierte er 1908 die philosophischen Studien, in Münster von 1909 bis 1912 die theologischen und trat dann in das Breslauer Priesterseminar ein. Am 18. Juni 1914 empfing er die Priesterweihe
Nach kurzer Kaplanstätigkeit wurde Cuno wegen seiner umfassenden juristischen Kenntnisse sehr bald in das Ordinariat nach Breslau berufen. Neben juristischen Fragen wurde ihm nach und nach auch die gesamte Finanzverwaltung der Diözese übertragen. Wesentlich war er an der Vorbereitung des Konkordates mit Preußen und später des Reichskonkordates beteiligt. Für die Priester im Bistum schuf er ein Handbuch mit der Sammlung kirchlicher Normen, die im Bistum Breslau Gültigkeit hatten, genannt "Der kleine Cuno". In den Verhandlungen mit staatlichen Behörden erwies sich Cuno als vorzüglicher Kenner von Gesetzen und Normen sowie als geschickter Verhandlungspartner. Viele Schreiben, die Kardinal Adolf Bertram in den Jahren 1933 bis 1945 an staatliche Behörden richten mußte, sind ganz oder teilweise von Cuno verfaßt worden
Als im Januar 1945 Breslau von Zivilisten geräumt wurde, begab sich Prälat Cuno mit einem Teil der Mitarbeiter des Generalvikariates zunächst nach Lauban, später nach Görlitz. Nach dem Tod von Kardinal Bertram am 4. Juli 1945 und der Wahl von Prälat Dr. Piontek zum Kapitelsvikar der Erzdiözese Breslau benannte dieser Prälat Cuno am 2. November zu seinem Stellvertreter für den westlich der Lausitzer Neiße gelegenen Teil der Erzdiözese
Nun richtete Cuno für diesen Teil der Diözese eine kirchliche Verwaltungsstelle in Görlitz ein, die später Erzbischöfliches Amt genannt wurde. Alle Vorbedingungen dafür fehlten; nur ein Zimmer im St.-Otto-Stift stand am Anfang zur Verfügung. Die notwendigen Verhandlungen mit den neuen Machthabern wurden nun wiederum von Cuno geführt und wieder erwiesen sich bei diesem schwierigen Unterfangen sein großes Geschick und seine fundamentalen Rechtskenntnisse als günstige Voraussetzungen
Trotz der Schwierigkeiten beim Aufbau der Verwaltung errichtete Cuno ein Anzahl von Seelsorgestellen und teilte den Diözesanbezirk in sechs Deka-nate ein. Am 17. März 1947 gelang es Kapitelsvikar Dr. Piontek nach Görlitz zu kommen, wo er nun selbst die Leitung und Verwaltung des Erzbischöflichen Amtes übernahm. Cuno und Piontek legten den lebensfähigen Grundstein für die weitere Entwicklung des Diözesangebietes, das 1972 Apostolische Administratur und 1994 zum Bistum erhoben wurde
Neben all seinem theoretischen Wissen hatte Cuno stets ein großes Interesse an allen theologischen und kirchlichen Fragen
Was er in seiner Breslauer Zeit kaum tat, wurde ihm in Görlitz zur festen Aufgabe: Er predigte gern und wurde gern gehört. So hielt er am 31. Juli 1949 in der Heilig-Kreuz-Kirche in Görlitz die Frühmesse mit Ansprache, wobei er mit ungewöhnlich lauter Stimme sprach und seine Zuhörer - ausgehend vom Sonntagsevangelium - an den großen Tag der Rechenschaft erinnerte und wiederholt und eindringlich "Seid bereit!" sagte. Nach dem Gottesdienst erlitt er im Pfarrhaus einen heftigen Herzanfall, dem er am nächsten Morgen, dem 1. August 1949, erlag
Kapitelsvikar Piontek feierte am 4. August 1949 für den Verstorbenen in Heilig-Kreuz das Requiem und gab in seiner Ansprache ein Charakterbild des Toten mit dem Pauluswort "der Gerechte lebt aus dem Glauben"
Das Grab von Cuno befand sich zunächst auf dem städtischen Friedhof. Erst am 9. Dezember 1960 wurde er in die neue Domherrengruft an der heutigen Kathedrale St. Jakobus umgebettet. So bleibt das Andenken an Prälat Cuno, dem die alte Erzdiözese Breslau und das Bistum Görlitz viel zu verdanken haben, lebendig
Bernd Richter
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 01.08.1999