Christliche Spurensuche auf der Bundesgartenschau
Magdeburg
Der biblische Garten Eden hat bei der Gestalterin der "Paradiesischen Gärten" offensichtlich die Phantasie sprießen lassen. Klangvolle Namen wie "Tönende Welt", "Liebeszauber" oder "Bunte Fülle" tragen die begrünten und blühenden Parzellen ganz nahe am Buga-Plätzchen "Ende der Welt". Besucher können sich hier auf Bänke setzen oder in eine Hängematte legen und "die Seele baumeln" lassen. Die Erinnerung an den Sündenfall bleibt ihnen dabei keinesfalls erspart: Der Apfelbaum im Gärtchen "Apfeltraum" spielt ebenso darauf an wie eine aus Beton gegossene Schlange, die sich durch alle Gärten windet und die stellenweise zur Sitzbank wird
Zum Niederlassen und Innehalten lädt auch der "Garten der Besinnung" ein. Er gehört zur Gartenanlage der Erinnerung, die dem Betrachter am Fuße des weithin sichtbaren hölzernen Jahrtausendturms Facetten der Magdeburger Stadtgeschichte vor Augen halten. Ein Mauergeviert aus nüchternem weißen Beton symbolisiert die Klöster, die das geistige und kulturelle Leben der Stadt geprägt haben. In dem "Klosterhof", der mit strengen, symmetrischen Buchsbaumrabatten bepflanzt ist, kann man sich setzen und meditieren. Inspiration dafür sollen Begriffe geben, die an die Wände geschrieben sind und zwei Spiegeltore, die auf den Blickachsen nach draußen zu entdecken sind. Ein weiterer Erinnerungs-Garten ist der Toleranz gewidmet. Unter anderem ruft er ins Gedächtnis, dass in Magdeburg bereits 1686 Hugenotten und Reformierte Christen einträchtig zusammen lebten
Anders als in anderen besinnlichen Nischen der Buga wird der Besucher in Gottes-Garten-Haus in der Nähe des alten Elbarmes mit sich selbst und seinen Gedanken nicht allein gelassen. In dem schlichten Holz- und Glaspavillon, der um einen Baum herum gebaut wurde, halten sich den ganzen Tag über katholische und evangelische Ansprechpartner bereit. Auf Wunsch geben sie Informationen über Kirche und Glauben, sind offen für geistliche Gespräche. Darüber hinaus stellen sich unterschiedliche christliche Gemeinden und Gruppen mit Informationsständen, Ausstellungen und Veranstaltungen vor. Am heutigen Sonntag geht hier die Woche des ausländischen Mitbürgers zu Ende. Mittags um zwölf Uhr findet täglich eine Andacht statt. Meistens wird die geistliche Viertelstunde mit Liedern, Bibeltexten und einem geistlichen Impuls von der Gruppe gestaltet, die gerade an der Reihe ist, ihr Informationsmaterial zu präsentieren. Diese Andachten sind in der Regel gut besucht, erzählt Anna Millich. Sie gehört zur Magdeburger St.-Sebas-tians-Gemeinde und ist eine der Ansprechpartnerinnen, die im kirchlichen Pavillon Dienst tun. Die Passanten, die das Gespräch suchen, sind zum großen Teil Christen aus West- und Ostdeutschland, doch es kommen auch Besucher ohne kirchlichen Hintergrund. Mancher hat sich bereits im ausliegenden Gästebuch verewigt. "Ein Haus, das lebt! Danke für die besinnlichen Minuten hier!", ist da zum Beispiel zu lesen. Kritisch merken die Schreiber vor allem eines an: "Schade, dass kein nach außen hin sichtbares Kreuz da ist!"
Buga-Besucher werden nicht nur zum Nachdenken über religiöse Fragen angeregt, an verschiedenen Stellen finden sie schlichte Sachinformation über Bib-lisches und Kirchengeschichte. Im "Cercishain" in der Nähe der Rosenanlagen weist eine Infotafel darauf hin, dass sich Judas Iskariot an einem Cercisbaum aufgehängt haben soll. Im "Gartenband" erinnert eine medaillonartige Gartenanlage an Katharina von Bora, die Ehefrau Martin Luthers. Im Mittelpunkt ist der Original-Steintisch aus dem Luthergarten in Wittenberg zu sehen. Das Buga-Magazin bringt einen biblischen Vergleich zum Jahrtausendturm, einer imposanten Ausstellung zur Entwicklung der Wissenschaft: "Einst sollte in Babel das höchste Bauwerk der Welt entstehen, nun steht auf dem Cracauer Anger tatsächlich der größte Holzturm der Welt." Im Turm selbst stößt man vor allem in der Antike und im Mittelalter auf Christliches: Die "Confessiones" von Augustinus werden auf einer Informationstafel als "einzigartiges Dokument der Geistesgeschichte" erwähnt. An Albertus Magnus und Thomas von Aquin wird die Frage festgemacht, wie das antike mit dem christlichen Weltverständnis vereint werden kann. William von Ockham und Roger Bacon stehen als Vertreter der Forderung einer Trennung von Glaube und Vernunft
Dorothee Wanzek
Ein Lageplan an allen Eingängen der Buga weist den Weg zu den genannten Orten.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.08.1999