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Wie aus einer Holzpuppe ein Mensch wird

Zum 175. Geburtstag Carlo Collodis

Pinocchio Auch wer sich nicht für Literatur interessiert, wer sich keine Dichternamen merkt, kennt die Gestalt, die den italienischen Dichter Carlo Collodi weltberühmt gemacht hat: Die Holzpuppe Pinocchio. 1883 erschien das Märchenbuch "Pinocchios Abenteuer" in Italien. Die erste deutsche Übersetzung von 1905 trug den Titel "Hippeltitsch's Abenteuer". Noch im gleichen Jahr erschien eine Übersetzung des Dichters Otto Julius Bierbaum unter dem Titel "Zäpfelkerns Abenteuer". Sie fand schnelle Verbreitung. Inzwischen gibt es viele deutsche Übersetzungen. Der russische Dichter Alexej Tolstoi hat eine Fortsetzung geschrieben (Das goldene Schlüsselchen) und Walt Disney hat die Erlebnisse der hölzernen Puppe verfilmt. Carlo Collodi wurde 1826 in Florenz geboren. Bekannt wurde er durch Übertragungen der Märchen des französischen Dichters Perrault ins Italienische sowie durch eigene Kinderbücher.
Im Gegensatz zu vielen italienischen Literaten seiner Zeit verwandte er eine volksnahe Sprache. Er redete die kindlichen Leser seiner Bücher direkt an und erreichte dadurch eine große Nähe zu ihnen. Dabei machte er aus seinen erzieherischen Absichten keinen Hehl. Immer wieder finden sich Sätze wie: "Weil Kinder, wenn sie nicht auf die Ratschläge derjenigen hören, die klüger sind als sie, immer in irgendein Unglück hineinrennen." Oder Pinocchio stellt selbstkritisch fest: "Wie viel Unglück ist mir doch schon zugestoßen! Und ich habe es verdient! Ich bin ein starrköpfiger Junge, immer will ich nur meinen eigenen Kopf durchsetzen, ohne auf die zu hören, die mich lieb haben und die tausendmal klüger sind als ich! Kann es wohl einen undankbareren und herzloseren Jungen geben als mich?" Dieser erhobene Zeigefinger ist in Collodis anderen Büchern noch stärker spürbar. Die Erlebnisse der Holzpuppe Pinocchio sind so anschaulich, humorvoll und spannend erzählt, dass die pädagogischen Belehrungen nur wenig ins Gewicht fallen: Meister Gepetto schnitzt aus einem Stück Holz eine Marionette, die sich selbstständig bewegen kann, die spricht und Hunger hat. Da sie nicht lernen will, fällt sie immer wieder auf Betrüger und Verbrecher herein. Eine Füchsin und ein Kater raten ihr, Geldstücke auf dem Feld der Wunder auszusäen. Nachdem Pinocchio in der Hoffnung auf großen Reichtum ihrem Rat gefolgt ist, bestehlen sie ihn. Er muss als Wachhund die Hühner vor Mardern schützen. Er wird in einen Esel verzaubert und ins Meer geworfen. Im Bauch eines Walfisches findet er seinen Vater wieder und ist nun endlich, endlich klug geworden, den Verlockungen der Betrüger nicht mehr zu folgen.

Pinocchio hatte von Anfang an ein "ungestümes, gutes Herz". Durch die vielen selbst verschuldeten Leiden ist er gereift und arbeitet selbstlos für den Lebensunterhalt seines kranken Vaters und für die Genesung der Fee, die ihm mehrmals das Leben gerettet hatte. Dieser selbstlose Fleiß bewirkt die Verwandlung der Marionette in einen "richtigen Jungen", der nun charakterstark ist und weiß, "dass jeder, der auf ehrliche Weise ein paar Groschen zusammenbringen will, sie sich mit seiner eigenen Hände Arbeit oder mit seinem eigenen Verstand verdienen muss."

Die Abenteuer Pinocchios, Burattinos, Zäpfelkerns und wie die Holzpuppe noch heißen mag, werden immer wieder Kinder und Erwachsene erfreuen und auf humorvolle Weise trösten.

Jürgen Israel

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 47 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 22.11.2001

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