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Äbtissin Theresia II. Senfftleben und das Kloster St. Marienthal

Auf den Spuren großer Frauen (Teil fünf)

Scharen von Besuchern gehören heute zum Alltag im Kloster St. Marienstern bei Ostritz an der Neiße gelegen. Bestaunt werden die altehrwürdigen Anlagen und manches Neue, das in den zurückliegenden Jahren am Ufer der Neiße entstand. Darunter beispielsweise das Internationale Begegnungszentrum mit seinen zahlreichen ökologischen Projekten, ein neuer Klosterladen, der Garten der Bibelpflanzen und im kommenden Jahr vielleicht sogar ein eigenes Klostermuseum. Die Zisterzienserinnen von St. Marienthal haben sich den Möglichkeiten der Zeit nach 1989 gestellt, sich der Zukunft ihres Klosters geöffnet

Immer wieder mußten im Laufe der Klostergeschichte solche Entscheidungen getroffen werden. Und so profitieren die heute in St. Marienthal ansässigen Zisterzienserinnen besonders vom Aufbauwerk nach dem Dreißigjährigem Krieg. Nach der wirtschaftlichen Erholung unter Äbtissin Anna Friedrich (1650 bis 1690) waren in den folgenden Jahren die finanziellen Möglichkeiten vorhanden, St. Marienthal im Wesentlichen baulich neu zu gestalten. Dies war nach dem Brand von 1683 notwendig geworden, bei dem alle wichtigen Gebäude vernichtet wurden. So erhielt es im 18. Jahrhundert sein bis heute prägendes barockes Äußeres. Eng mit diesen Baumaßnahmen verbunden ist Äbtissin Theresa II. Senfftleben. Sie führte die Geschicke des Konventes von 1737 bis 1753. Ihre Eltern waren der Stiftssekretär Jeremias Senfftleben und dessen Frau Barbara, geborene Süssenbauch. Am 17. September 1685 soll Theresia geboren worden sein. Die Einkleidung fand 1702 statt, die Gelübde legte sie am 6. Juli 1704 ab

Als sie die Leitung nach der Äbtissinenwahl übernahm, tat es Theresa Senftleben nicht unvorbreitet, 14 Jahre stand sie zuvor ihrer Vorgängerin, Äbtissin Klara Mühlwenzel, als "Kaplanin" zur Seite. Das noch heute genutzte Konventsgebäude wurde unter Theresia Senfftleben in den Jahren 1743 bis 1744 erbaut. 1752 folgte eine Bibliothek, was für eine Frauengemeinschaft der damaligen Zeit ungewöhnlich gewesen sein soll. Später folgte der Umbau der Kreuzkapelle in seiner bis heute erhaltenen Form, sie wurde 1756 unter Äbtissiin Scholastika Walde geweiht. Ein Anliegen der Zeit war die Pflege des Andenkens der Stifter, es enstanden zwei Bilder. Das eine zeigt die Übergabe der Stiftungsurkunde an Äbtissin Adelheid durch Königin Kunigunde, das andere zeigt die Burggrafen Heinrich und Wilhelm von Donyn

Die Zeiten unter Theresia Senfftleben waren alles andere als friedlich. Friedrich II. von Preußen kämpfte gegen Maria Theresia um den Besitz Schlesiens und riß es aus den böhmischen Kronländern heraus. Das Stiftsgebiet des Klosters wurde im Zuge der Kampfhandlungen immer wieder in Mitleidenschaft gezogen. Und dass sich die Marienthaler Äbtissinnen bis auf den heutigen Tag um die auf dem Stiftsgebiet lebenden Menschen sorgen, so wandten sich auch in der Zeit dieser Kriege viele an Theresia Senfftleben mit der Bitte um Hilfe und Rat. Eine alte Chronik der Äbtissinnen schreibt über diese Zeit: "Mehrmals, wie im December 1741, im April 1742 geschahen Durchzühe einzelner Heeresabtheilungen durch unsere Gegend; ganz vorzüglich aber war dieses der fall in der letzten Hälfte des Novembers 1745, wo beide Hauptheere nach einander die hiesige Gegend nach Böhmen hin durchzogen

König Friedrich der zweite von Preußen selbst übernachtete am 27. November in Ostritz im Bierhofe und Vorwerke des Elias Keßler und nahm einige von der Äbtissin ihm übersendete Erfrischungen an." Agape Menke - die Autorin des Buches "Im Bannkreis Bernhards von Clairvaux" - sah übrigens in dieser Ges-te der Äbtissin einen Beweis "ihrer Gewandtheit und Situationsbeherrschung". Abschließend schreibt sie: "Als eine hervorragende Erscheinung in der Reihe der Äbtissinnen ging auch Theresia II. in die Geschichte ein. Sinnvoll fügt es sich, daß ihr als erster Stiftsherrin Marienthals die Auszeichnung zukam, ein goldenes Brustkreuz tragen zu dürfen. Im Gnadenzeichen der Erlösung behielt sie Würde und Bürde ihrer Aufgaben bis zum Tod, der sie am 4. November 1753 abrief

Das Zeitalter in dem Theresia Senfftlebens wirkte war mit ihrem Tod jedoch noch nicht vorüber, es endete erst mit dem der Äbtissin Maria Theresia - eine geborene Gräfin von Hrzan und Harras. Von 1784 bis 1799 stand sie dem Konvent vor und mußte sich neuen Aufgaben stellen. Aus Frankreich kamen beispielsweise verfolgte Schwestern und Priester, die in St. Marienthal Asyl fanden. Die Zeiten änderten sich, doch den folgenden Äbtissinnen und ihren Konventen ist es zu danken, dass das Klos-ter St. Marienthal an der Neiße seine Bedeutung behielt

Holger Jakobi

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 32 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.08.1999

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