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Bistum Erfurt

Die Welt braucht lebendige Zeugen

Radegundis-Gedenken

Mühlberg / Gotha (mh) - Es ist kein alltäglicher ökumenischer Gottesdienst, zu dem sich Mitte August Christen in der evangelischen Lukaskirche von Mühlberg versammeln. Am Sonntag nach dem 13. August gedenken evangelische Gemeindemitglieder von Mühlberg und katholische Christen aus der Pfarrei Gotha gemeinsam der heiligen Radigundis

Der evangelische Pfarrer Rainer Schmidt hat mit Heiligen keine Probleme: "Wir betrachten die Heiligen zwar nicht als Mittler zwischen Gott und den Menschen, aber als Vorbilder. Radegundis ist die erste uns bekannte Christin in Thüringen gewesen. Sie hat den Glauben in beispielhafter Weise gelebt und das ist hier und an vielen anderen Orten in der Welt bis heute in Erinnerung geblieben." Übrigens hätten auch die Reformatoren selbst das Gedenken an Heilige empfohlen. Pfarrer Schmidt verweist auf die Augsburgischen Konfessionen - die wichtigste Bekenntnisschrift der reformatorischen Kirche. Dort heisst es: "Der Heiligen kann man gedenken, damit wir ihrem Glauben und ihren guten Werken - jeder in seinem Beruf - nacheifern."

Im Jahr 518 ist Radegundis als Tochter eines Thüringerkönigs geboren. Die bei Mühlberg liegende Mühlburg - eine der "Drei Gleichen" an der Autobahn zwischen Erfurt und Eisenach - ist ein Ort der Erinnerung an sie. Genaues weiss man zwar nicht, aber Radegundis könnte hier gelebt haben. Auf alle Fälle wurden in den 30er Jahren unseres Jahrhunderts die Grundrisse einer 1140 errichteten Kapelle in der Burg entdeckt, die der Heiligen geweiht war. Seit dieser Zeit haben katholische Christen aus Gotha die Verehrung neu belebt. Die ökumenische Gedenkfeier gibt es ungefähr seit Mitte der 70er Jahre, erinnert sich Pfarrer Schmidt

In der Turmkapelle seiner Kirche in Mühlberg erinnert ein Meditationskreuz versehen mit einem Auszug aus einem Gebet, das Radegundis verfassen ließ, an die Heilige: "O Kreuz, sei gegrüßt, du einzigartige Hoffnung. Mehre in dieser Leidenszeit den Frommen die Gerechtigkeit und gewähre den Schuldbeladenen Gnade."

Kreuz und Leid bestimmten das Leben von Radegundis: Nach dem Frankeneinfall in Thüringen im Jahr 531 wurde sie als Geisel verschleppt und schließlich zur Ehe mit dem Frankenkönig Chlotar gezwungen. Nach der Ermordung ihres Bruders suchte sie Zuflucht bei der Kirche und gründete schließlich in Portiers ein Frauenkloster. "Sie verlor Familie, Heimat, Freiheit und vergab aus der Kraft des Glaubens", heisst es in einer Kurzbiografie. "Friede durch Versöhnung" - darum war sie immer wieder, wenn auch mit wenig Erfolg, bemüht. Dieses Motto ihres Lebens steht auch als Inschrift auf dem Gedenkstein in der Radegundiskapelle auf der Mühlburg. Aufgestellt wurde er 1987, anläßlich ihres 1400. Todestages

Rund 130 evangelische und katholische Christen hatten sich in diesem Jahr zum Radegundis-Gedenken in Mühlberg versammelt. Der katholische Pfarrer von Gotha, Georg Schuchardt, erinnerte in seiner Predigt an die Zeugnisse christlichen Glaubens aus dem frühen Mittelalter. Wichtiger als steinerne Zeugnisse aus dieser Zeit seien die lebendigen Zeugen, "die Menschen, die uns heute noch bekannt sind". Eine von ihnen ist Radegundis. Steinerne Zeugen gebe es viele. Aber die Menschen heute, die schon seit Jahren ohne Gott und Kirche leben, brauchen die lebendigen Zeugen, müssen "durch uns erfahren, dass Gott ein offenes Herz für jeden Menschen hat", so Pfarrer Schuchardt. Nach dem gemeinsamen Weg auf die Mühlburg endete das Radegundisgedenken mit einer ökumenischen Abschlussandacht in der Ruine der alten Burg-Kapelle

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 34 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 29.08.1999

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