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Bertha von Suttner und die grausame Realität des Krieges

Auf den Spuren großer Frauen (Teil sieben)

"Ich habe persönlich nie etwas vom Kriege zu leiden gehabt, niemals war ein mir teures Wesen dessen Gefahren ausgesetzt, nicht einmal irgend einen Vermögensverlust noch solch welches Leid hat er mir zugefügt ... und wenn ich meinen Abscheu davor auf ein Ereignis zurückführen will, so kann es nichts mir unmittelbar Geschehenes, sondern nur etwas Gelesenes sein", mit diesen Worten beschreibt Bertha von Suttner ihre Ratlosigkeit auf die Frage, wie sie dazu gekommen sei, sich so intensiv dem Friedensgedanken zu widmen. In einem anderen Zitat - von der Historikerin Brigitte Hamann in ihrer Biographie Bertha von Suttners aufgeführt - heißt es: "Nicht ich bin auf die Idee, sondern die Idee ist auf mich gekommen." Ihr irdischer Lebensweg begann in Prag. Am 9. Juni 1843 wurde Bertha Sophia Felicita Gräfin Kinsky von Chinic und Tettau - so ihr vollständiger Mädchenname - im Palais Kinsky am Altstädter Ring in Prag geboren. Wie Brigitte Hamann schreibt, gehörten die Kinsky zu den vornehmsten Geschlechtern in Böhmen und ihre Geschichte sei voller Aufruhr gegen die kaiserliche Macht gewesen. Ein Erbe, das sicher auch Bertha mit auf den Lebensweg gegeben wurde. Ihr Vater starb kurz nach ihrer Geburt und ihre Mutter, eine Verwandte des Freiheitsdichters Theodor Körner, war in den Augen der böhmischen Verwandten keine ebenbürtige Frau. Was ihr und damit auch Bertha fehlten waren die 16 hochadligen Urgroßeltern. Der Tod des Vaters führte zur Isolation von Mutter und Tochter innerhalb der Kinskys und Bertha leidet zeitlebens unter dieser Mißachtung. Doch wird sie einst als "berühmteste Angehörige des Hauses" bezeichnet werden, so jedenfalls in einer modernen Geschichte des Hauses Kinsky aus dem Jahre 1967. Wörtlich schreibt Brigitte Hamann: "Eine späte Genugtuung, die Bertha von Suttner sicherlich mehr gefreut hätte als der Friedensnobelpreis."

Nach unsteten Jahren heiratet sie 1876 den Baron Arthur von Suttner. Gemeinsam gehen sie zunächst nach Georgien. Sie studieren die Schriftsteller und Philosophen ihrer Zeit. Brigitte Hamann dazu: "Wie ihre Vorbilder glauben auch Bertha und Arthur an die stetige Entwicklung des Menschen hin zum Edelmenschen." Ein Glaube übrigens, der Bertha von Suttner an die Seite des alten Karl May führen wird. Auf ihre Einladung hin wird er wenige Tage vor seinem Tod (1912) in Wien noch den Vortrag "Empor ins Reich des Edelmenschen" halten. Persönlich nähern sich die Suttners einer zutiefst liberalen und freiheitlichen Weltanschauung. Wörtlich schreibt Bertha: "Unser Losungswort in allen Sachen des Gedankens und überallhin ist: Freiheit. Aller Chauvinismus ist uns verhaßt - Liebe, Fortschritt und Glück sind unsere Dogmen." Brigitte Hamann erinnert: "Diese Haltung wurde noch durch die extreme Internationalität in Georgien verstärkt, die auf altgewohnter Toleranz beruhte und sich auch in einer sehr offenen Haltung gegenüber den verschiedenen Religionen äußerte."

Bertha von Suttner selbst: "Den Weltmysterien gegenüber sind wir sehr demütig. Wir nehmen keines der Weltsysteme an, welches uns von verschiedenen Universumserklären als Lösung aller Rätsel aufdisputiert werden wollen, und versuchen am aller wenigsten eine eigene Lösung zu erfinden ..." Und später: "Beklagt uns nicht; nennt uns nicht arm und unglücklich, weil wir auf keinen Himmel hoffen ... Gott konnte Bertha von Suttner nicht mehr denken, statt dessen empfand sie Demut, "tiefe aufrichtige wahre Demut". Eine Haltung, die sie dazu trieb das zu werden, was viele Menschen in ihr bis heute bewundern: "Die Friedensbertha", wie sie abschätzig von ihren Gegnern genannt wurde

1889 erscheint ihr Antikriegsroman "Die Waffen nieder". Darin geht es um eine junge Frau, die im Krieg Österreichs gegen Italien 1859 ihren ersten Ehemann verliert, in den folgenden Kriegen bangt sie um ihren zweiten Ehemann, der um den Frieden in Europa ringt und schließlich 1870 in Paris als vermeintlicher Deutscher erschossen wird. Bertha von Suttner beschönigt in ihrem Roman nichts, sie will die grausame Realität des Krieges darstellen. Brigitte Hamann gibt folgendes Romanzitat wieder, das die Szene nach einer Schlacht beschreibt: "Jetzt erst sieht man die Massenhaftigkeit der umherliegenden Leichen: Auf den Straßen, zwischen den Feldern, in den Gräben, hinter Mauertrümmern; überall, überall Tote. Geplündert, mitunter nackt. Ebenso die Verwundeten ... Später folgt der Antikriegsroman "Marthas Kinder", die nunmehr das Engagement für den Frieden fortsetzen. Die Hoffnung der damaligen Zeit steht am Schluß von "Die Waffen nieder": "Schon stürzt der Wahn zusammen, kraft dessen der Staatsegoismus einen ebenso täuschenden Anschein von Berechtigung hat - der Wahn, dass der Schade des einen den Nutzen des anderen befördere. Schon dämmert die Erkenntnis, dass die Gerechtigkeit als Grundlage allen sozialen Lebens dienen soll - und aus solcher Erkenntnis wird die Menschlichkeit hervorblühen, die Edelmenschlichkeit."

Bertha von Suttner gründet 1891 den österreichischen "Verein der Friedensfreunde". In Deutschland finden sich Kriegsgegner im Folgejahr in der "Deutschen Friedensgesellschaft" zusammen. Alfred Nobel - mit dem die Suttner befreundet war - stiftet auf ihre Anregung 1901 den Friedensnobelpreis, 1905 erhielt ihn Bertha von Suttner selbst

Ihre Lebenszeit war eine Epoche großer Anspannung in Europa, die Rüstung lief auf Hochtouren und es war nur eine Frage der Zeit, um das Fass zum Explodieren zu bringen. Die Friedensfreunde um Bertha von Suttner erkannten dies, blieben jedoch meist mit ihrer Anschaung allein. Brigitte Hamann schreibt: "Resignation, Verzweiflung - das waren freilich keine Eigenschaften, die Bertha von Suttner offen zeigte. Sie war voller Tatkraft, voll Optimismus: man mußte ein Mittel suchen, um dieser Gefahr zu begegnen. Jeder, vor allem sie selbst, müsse mitarbeiten am Wohl der Menschheit. Den Weg dazu sah sie nun in der organisierten Friedensbewegung. Es sei die Pflicht der Öffentlichkeit, sich gegen den Militarismus zu wehren. Nur eine breite Bewegung von unten könne die Politiker zum Umdenken bewegen ... "

Die Suttner hat nicht mehr erlebt, wovor sie und ihre Freunde immer gewarnt haben, den Ausbruch des großen europäischen Krieges im August 1914. Sie starb am 21. Juni 1914 in Wien, wenige Tage später wurde in Sarajewo Österreichs Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand erschossen. Die Kriegsmaschine begann langsam zu arbeiten ... Ihre letzte Ruhestätte fand die Friedensnobelpreisträgerin in Gotha. Freigeist, wie sie war, entschied sie sich für eine Feuerbestattung. Sie war in Österreich-Ungarn damals nicht möglich. Doch ihre Freigeistigkeit sollte Christen heute nicht daran hindern, sich mit Bertha von Suttner zu beschäftigen. Sie muß gesehen werden in ihrer Zeit und vorallem als entschiedende Vorkämpferin heutigen Mühens um den Frieden

Holger Jakobi

Literatur: Brigitte Hamann, Bertha von Suttner, Piper-Taschenbuch, ISBN 3-492-20922-X, 24.90 Mark.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 34 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 29.08.1999

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