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Aus der Region

Ein Mann des Ausgleichs

Julius von Pflug

Der emeritierte Professor für Sächsische Landesgeschichte an der Universität Leipzig, Wieland Held, hat sich im Zuge von Forschungen über den sächsischen Adel in der frühen Neuzeit schon seit einiger Zeit mit Bischof Julius von Pflug befasst. Im Interview äußert er sich über die Bedeutung dieses Bischofs

Frage: Bischof Julius von Pflug wird immer wieder als ein "Vorläufer der Ökumene" bezeichnet. Halten Sie diese Einschätzung für gerechtfertigt?

Held: Die Aussage weist in die richtige Richtung, wenn auch der Begriff "Ökumene" nicht in die damalige Zeit passt. Zweifellos hatte Julius Pflug "ökumenische" Gedanken. Er wollte die Protestanten seines Bistums nicht vor den Kopf stoßen und hat auch unter den verantwortlichen "Altgläubigen" darauf hingewirkt, dass den Vertretern der Reformideen Verständnis entgegengebracht wird. Wichtige Fragen damals waren zum Beispiel die des Laienkelches oder die der Priesterehe. In seinem Bistum waren fast alle Geistlichen verheiratet. Er hat die Verantwortlichen der Kirche wiederholt darauf hingewiesen, dass man diese Situation zur Kenntnis nehmen und den Priestern entgegenkommen müsse. Sich selbst hat er dabei als Vermittler angeboten. Für ihn stand es allerdings nie außer Frage, Katholik zu bleiben. In seiner Schrift "Oratio de republica seu imperio constituendo" vom Jahre 1562 kam seine Grundüberzeugung heraus, dass ein einheitlicher Glaube erhalten werden müsse, der nach seinen Vorstellungen durch den Kaiser wieder hergestellt werden sollte

Frage: Hat sich Pflug von Anfang an für eine Vermittlung zwischen Katholiken und Lutheranern eingesetzt oder hat er erst im Laufe seines Lebens zu einer schlichtenden Rolle gefunden?

Held: Er war von Anfang an ein Vermittler. Das ist schon in den 20er und 30er Jahren zu erkennen. Den sächsischen Herzog Georg den Bärtigen, der ihn nach seinen Studien in Leipzig, Bologna und Padua als Berater zu sich gerufen hatte und der ja ein sehr überzeugter Katholik war, wies er mehrfach auf Gemeinsamkeiten beider Konfessionen hin. Das Bemühen um Ausgleich scheint ein Charakterzug Pflugs gewesen zu sein, der sich durch äußere Umstände weiter ausgeprägt hat, durch das Vorbild seines Lehrers Petrus Mosellanus beispielsweise, später dann durch die Umstände in seinem Bistum

Frage: Erfolgreich war er mit seinen Vermittlungsversuchen letztlich nicht ..

Held: Historisch betrachtet stimmt das. Darüber war er offensichtlich auch bitter enttäuscht. Noch nach der Augsburger Konfession hat er 1557 ein Religionsgespräch in Worms geleitet. Er war geschockt, als er erkennen musste, dass die Zeit über ihn hinweggegangen war. Sein Misserfolg war aber in keiner Weise seiner Unfähigkeit geschuldet als vielmehr den Verhältnissen. In Zeitz-Naumburg war er ja Nachfolger des ers-ten evangelischen Bischofs auf deutschem Boden, Nikolaus von Amsdorf, der von Luther selbst ordiniert worden war. Als Amsdorf von 1542 bis 46 Bischof in Naumburg-Zeitz war, waren dort verständlicherweise "Nägel mit Köpfen" gemacht worden. Unter anderem waren in dieser Zeit die Klöster säkularisiert worden. Übrigens gibt es über von Amsdorf eine Monographie, über Pflug, der keinesfalls geringer zu achten ist als Amsdorf, gibt es keine, und es ist auch keine geplant. Julius Pflug geriet wohl schon kurz nach seinem Ableben auf die Schiene der Vergessenheit. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war er so bekannt wie Me- lanchthon, Pirckheimer oder Petrus Mosellanus. Seither wird er völlig "unter Wert verkauft"

Frage: Wie erklären Sie sich dieses schnelle Vergessen?

Held: Ich habe eine Vermutung, die allerdings noch zu belegen wäre: Als Pflug 1564 starb, war das Bistum nicht mehr katholisch. Aus Sicht der Katholiken hatte der Bischof versagt, weil er die Rekatholisierung des Bistums nicht zuwege brachte. Die Protestanten nahmen es ihm immer übel, dass er nicht konvertiert war. Auch sie hatten augenscheinlich nur ein geringes Interesse, die Erinnerung lebendig zu halten

Frage: 1985 befasste sich in Münster ein internationales Symposium mit Pflug. War das eine "Wiederentdeckung"?

Held: Das wäre sicherlich etwas übertrieben. Ich sehe in der Tagung einen Anfang. Die letzte größere Publikation über Pflug, eine Arbeit von Albert Janssen, liegt schon mehr als 130 Jahre zurück. In der Regel sind Lexikonartikel über ihn erschienen. Ausschlag für das Münsteraner Treffen gab wohl der Franzose Jacques Pollet, der zwischen 1969 und 1982 den Briefwechsel Pflugs herausgegeben hatte. Die Wissenschaftler beleuchteten in Münster nur einige Aspekte in Pflugs Wirken, seine Beziehungen zu anderen Geistesgrößen der damaligen Zeit, seine Haltung zur Rechtfertigungslehre und seine Bedeutung für die Weiterentwicklung der Sprache. Mich selbst interessieren andere Fragen: Seine Vermittlungstätigkeit, seine Beziehung zu sächsischen Fürsten und die Frage, was er als Bischof bewirkt hat. Es gäbe viele interessante Aspekte, die noch im Dunkeln liegen. Deshalb sage ich: Eigentlich war es nur ein Anfang. Bemerkenswert war damals unter anderem, dass beide theologischen Fakultäten in Münster das Symposium gemeinsam initiiert hatten

Frage: Für Oktober ist in Augsburg die Unterzeichnung eines Kompromisses zwischen evangelischer und katholischer Kirche zur Rechtfertigungslehre geplant. Sehen Sie Parallelen zu Pflugs Kompromissvorschlägen?

Held: Das ist eine Frage, deren Beantwortung ich als Historiker lieber den Theologen überlassen würde. Ich verfolge die Entwicklungen jedenfalls mit großem Interesse. Interview: D.Wanzek

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 36 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.09.1999

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