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Ort der Stille im Kulturstadttrubel

Unterwegs

Obwohl sie im beträchtlichen Umfang mit der städtischen Geschichte verbunden ist, steht die Weimarer Jacobskirche bereits seit Jahrhunderten im Schatten der Stadtkirche St. Peter und Paul. Lange Zeit war die Jacobskirche Schlosskirche, in deren Sakristei Pfarrer Wilhelm Christoph Günther am 19. Oktober 1806 den Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe und Christiane Vulpius traute. Herausragende Weimarer fanden auf ihrem Friedhof ihre letzte Ruhstatt: Lucas Cranach d. Ä., Johann Friedrich Loeber, Georg Melchior Kraus, Johann Gottfried Walther, Johann Carl August Musäus ... Das Kassengewölbe war zudem Friedrich Schillers erste Begräbnisstätte

Die erste Jacobskirche entstand noch vor der Stadtgründung inmitten der sogenannten Jacobsvorstadt, einem der ältesten Siedlungsplätze der Stadt. Die Kirchweihe fand 1168 statt, an die zwei Inschriftsteine in der jetzigen Kirche erinnern. Zwischen 1294 und der Reformation besaß das Nonnenkloster Oberweimar das Patronat über das Gotteshaus, dessen Pfarrstelle 1535 eingezogen und dessen Räume dann für längere Zeit als Kornhaus genutzt wurden. Ab 1579 diente die Jacobskirche, die mit der Jacobsvorstadt außerhalb der Stadtmauern verblieb, - nach der von der Herzogin-Witwe Dorothea Susanna veranlassten gründlichen Restaurierung und neuerlichen Weihe - als Friedhofskirche des hierher verlegten städtischen Friedhofs

1712/13 ordnete der autokratische Herzog Wilhelm Ernst, der 1717 Johann Sebastian Bach in Weimar wegen "Halßstarrigkeit" arretieren ließ, den Abriss des brüchigen Altbaus an. Unmittelbar danach entstand eine neue Jacobskirche, die sich bis heute in der kargen Barockarchitektur jener Jahre präsentiert. Der mansarddachgedeckte Bau mit Westturm besitzt im Innern dreigeschossige Emporen und im Osten einen Kanzelaltar

Nach der neuerlichen Res-taurierung unter der Herzogin-Witwe Anna Amalia und dem Schlossbrand von 1774 diente die Jacobskirche in der Folge als Hof-und Garnisionskirche, die später den Weimarer Beamten vorbehalten blieb. Im Gefolge der Schlacht von Jena und Auerstedt 1806 nutzten die Franzosen die Kirche als Lazarett: "Man hörte statt der frommen Gesänge der Gemeinde das Jammern der Amputierten, das Röcheln der Sterbenden ..." Aus diesem Grund fand die Trauung Goethes in der Sakristei statt. Weitere Sanierungsarbeiten 1817, zwischen 1873 und 1883 und nach 1964 erhielten den Kirchbau, dessen gepflegtes parkähnliches Umfeld inzwischen als grüne Oase der Stille und Besinnlichkeit im aktuellen Kulturstadttrubel besticht. Die reizvolle Christusfigur in einer rundbogigen Nische des Gotteshauses gilt als Nachbildung einer Statue von Thorvaldsen. Sie wird Jens Adolph Jerichau, einem Schüler des berühmten Meisters zugeschrieben, der auch das Marmorgrabmal für Goethes Enkelin Alma schuf

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 36 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.09.1999

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