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Aus der Region

Alltag in der DDR

Blickpunkt

"Ach Gott, ich hatte das alles schon fast vergessen"; oder ... es ist alles noch so nah ... Danke, es darf nicht vergessen werden. Wir müssen uns gegenseitig immer wieder erinnern";. Nur zwei Aussagen aus dem Gästebuch zur Sonderausstellung Die andere Vergangenheit - 40 Jahre Leben in der DDR"; im Stadtmuseum Dresden. Sie machen deutlich, wie wichtig Erinnerungen sind. Neben der Dresdner Ausstellung hat sich derzeit auch das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig dem Thema gestellt. Dort allerdings werden nur die zehn letzten Jahre der DDR beleuchtet

Leipzig steht symbolisch für die DDR, hier sind alle Probleme des Staates besonders deutlich";, betonte der Leiter des Leipziger Museums, Dr. Volker Rodekamp bei einem Pressegespräch im Vorfeld der Ausstellungseröffnung. Sie steht unter dem Motto Es geht seinen Gang";, ein Wort von Erich Loest, das die Zeit besonders gut widerspiegelt. Weiter betonte Rodekamp: Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Lebenswirklichkeit der Menschen in Leipzig aufzuzeigen. Was bewog sie dazu, sich 1989 in den rauen Wind der Auseinandersetzung mit dem SED-Staat zu stellen?"; Die Besucher sollten sich in ihrem Rundgang mit Geschichte in aktiver Form"; auseinandersetzen können. So wurde unter anderem eine typische Drei-Raum-Wohnung in Leipzig Grünau mit den Einrichtungsgegenständen der Zeit nachgestellt

In 13 Kapiteln geht die Ausstellung auf alle Bereiche des Lebens im sozialistischen Staat DDR ein. Station elf befasst sich intensiv mit der Rolle der Kirche. Im Ausstellungsbuch heißt es dazu: Neben der auf Ausgleich bedachten Amtskirche war sie auch Schutzraum, Ort der Gemeinschaft, der Hoffnung, der Artikulation, der Solidarität und des Aufbruchs für Menschen unterschiedlichster Prägung. Politisch Andersdenkenden war es nur möglich, in der Illegalität oder im Schutz der Kirche zu agieren."; Erinnert wird auch an die Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche, die zur friedlichen Revolution in der DDR wesentlich mit beitrugen. Kirche spielt auch im Rückblick auf die Kultur in Leipzig eine wesentliche Rolle, war und ist sie doch Träger der Kirchenmusik. Erinnert sei hier nur an die großen Aufführungen des Propsteichores und der Thomaner

Volker Rodekamp ist sich sicher, dass die Ausstellung auch auf Widerspruch treffen wird. Widerspruch, der sich in Dresden beispielsweise so ausdrückte: Ich finde es ziemlich einseitig, eine Gesellschaft hauptsächlich durch ihre Gegenstände zu charakterisieren. Bei der kritischen Betrachtung verschiedener Erscheinungsformen der DDR - z. B. der FDJ - sollte man, um objektiv zu bleiben, auch positive Aspekte berücksichtigen."; Volker Rodekamp hat die Hoffnung, dass die Leipziger Ausstellung auch zu einem Aufbruch zur Diskussion"; führen wird. Es soll nicht nur geschaut sondern auch gesprochen werden. Dabei komme es nicht nur auf eine Diskussion zwischen Leipzigern an, sondern es gehe auch um Gespräche mit Menschen aus dem anderen Teil Deutschlands. Die Gesellschaft in den alten Bundesländern hat bis heute ein völlig falsches Bild vom Leben in der DDR";, betonte der Direktor. Zudem wird es in Leipzig ein Rahmenprogramm geben, so am 30. Oktober eine Veranstaltung, die bis in die Nacht gehen soll

In Dresden wie in Leipzig wollten die Ausstellungsmacher mögliche Klischees, bloße Karikatur und damit verbundene Einseitigkeiten"; vermeiden. Doch so ganz todernst kann niemand an die beiden Ausstellungen herangehen. Beipielsweise bei einem Gedicht";, zu lesen auf einem Stundenplan des VEB Dresdner Stadtreinigung: Der Küchenabfall in der Tonne, ist des Schwe../../inchens wahre Wonne. Gebt Schalen, Essensreste rein, darüber freut sich jedes Schwein. Zum Lohn gibt es als Gaumenkitzel, mehr Schinken, Wurst und zartes Schnitzel. Mach Futtersammeln drum zur Pflicht, dann gibt es hohes Schlachtgewicht."; Etwas ernster heißt es an anderer Stelle: Wer Altstoffe sammelt führt unserer Wirtschaft wertvolle Rohstoffe zu und erhält Geld zum Sparmarkenkauf für das Schulsparen. Jede Mark dient unserer Volkswirtschaft, deshalb spare - spare - spare. Zugegeben, diese Texte sind sicher nicht origineller als zeitgleiche Werbezeilen im Westen, doch widerspiegeln sie die Mangelwirtschaft im Osten besonders

Holger Jakobi

Öffnungszeiten:
Stadtmuseum Dresden, Wilsdruffer Straße 2: noch bis zum 7. Oktober 1999 täglich von 10 bis 18 Uhr. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig im Alten Rathaus: bis 27. Februar 2000 dienstags von 14 bis 20 Uhr, mittwochs bis sonntags sowie an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 37 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.09.1999

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