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Bistum Görlitz

Wegmeditationen

Jakobusweg

Görlitz (tdh) - Der Görlitzer Seelsorgeamtsleiter Alfred Hoffmann kehrte kürzlich von einer Fußwallfahrt auf dem spanischen Jakobusweg zurück und schildert seine Weg-Erfahrung:

Es war kurz nach drei Uhr morgens, wenige Kilometer vor der spanischen Grenze wurden wir plötzlich wach. Nicht der Hahn krähte verfrüht, sondern Blitz und Donner mit anschließendem dreistündigen kräftigen Dauerregen übernahmen die Rolle des Weckers

Welch ein Anfang. Denn um 5.30 Uhr sollte es losgehen, zu Fuß über die Pyrenäen. Vor uns elf Pilgern im Alter von 18 bis 63 Jahren aus den Bistümern Görlitz, Erfurt und Köln lagen mehr als 200 Kilometer Fußweg vor uns, die wir vom 12. bis 21. Juli in Spanien zurücklegten

Nicht eine gewöhnliche Wanderung machten wir, sondern wir folgten einem Pilgerweg, den seit über 1000 Jahren zahllose Menschen Richtung Santiago de Compostela, dem Grab des Apostels Jakobus, gegangen sind. Genaugenommen ,gibt‘ es diesen Weg gar nicht, denn - so lautet ein alter Spruch zu Recht - ,Man hat den Weg nicht, der Weg entsteht, indem man ihn geht.‘ Tatsächlich machten wir die schöne Erfahrung, dass jeder seinen einmaligen Weg ans Licht der Welt"; kommen ließ. Die nicht-öffentlichen Tagebücher geben davon Zeugnis. Viele gingen mit uns, manche verloren wir und trafen sie manchmal erst nach Tagen überraschend mit großer Freude wieder, Menschen aus Spanien, Frankreich, Belgien, Dänemark, der Schweiz, Österreich, Deutschland, Ungarn, England, Kanada und anderen Ländern

Ausgerüstet mit einem echten Pilgerausweis durften wir in gastfreundlichen Pilgerherbergen nächtigen. Vorbestellungen gibt es nicht. Daher richteten wir uns auf Nächte unter freiem Himmel ein. Doch nur einmal reichten die Schlafplätze nicht, so dass wir den Vorzug genießen konnten, auf dem Fußboden einer Kirche im Angesicht des Allerheiligsten zu ruhen und Kräfte zu schöpfen

Nach zwei Tagen waren sich alle einig: Um 5.20 Uhr stehen wir auf, packen im Dunkeln die Sachen und gehen der Sonne entgegen, begleitet mit priesterlichem Segen und einem täglichen Wegesatz, den wir zunächst still meditierten. Einige Kostproben: Die Wege nach Santiago sind Wege des Lichts, wo Steine für sich selbst sprechen. Wohl den Menschen, die Pilgerwege in ihrem Herzen tragen. Was uns wirklich voranbringt, das geht meist nur in kleinen Schritten. Der Müll ist weggegangen. Der Weg gibt, der Weg nimmt. Für uns wurden solche theoretischen Sätze zur tiefen existenziellen Erfahrung. Bald war es der ganzen Gruppe ein selbstverständliches Bedürfnis, neben der Frühstücksrast auch gemeinsam die Laudes, das Morgengebet der Kirche, dem Schöpfer darzubringen. Dankbar empfingen wir öfter den Pilgersegen am Schluss der heiligen Messe in spanischen Kirchen. In der Eucharistiefeier inmitten Gottes schöner Schöpfung konnten wir als Gruppe Dank und Bitte in die Hände des Schöpfers legen. Niemand geht den Weg allein, aber jeder muss und darf ihn selbst gehen. Diese doppelte Erfahrung war wohltuend, denn sie erinnert uns an unseren Lebensweg in seinem Auf und Ab, verbunden mit Schmerzen und dem Gefühl tiefen Glücks. Die zwölf bis 16 Kilogramm Rucksackgewicht auf dem Rücken und zum Teil reichlich Blasen an den Füßen führten einige bis an die Grenze ihrer Kräfte - doch niemand bereute es, alle kamen ans Ziel

Was ist das Ziel? Santiago? Sicher, doch bis dorthin sind wir nicht gekommen, es war auch nicht geplant. Wir waren unterwegs auf dem Weg von St. Jean-Pied-de-Port (Südfrankreich) bis Santo Domingo de la Calzada (Spanien). Wir erlebten, was der berühmte Satz bedeutet: ,Der Weg ist das Ziel‘. Wir fügten noch hinzu: ,Der Weg führt zum Ziel‘. Weil es ein Ziel gibt, hat auch jeder Weg, jede Etappe unseres Lebensweges einen Sinn, eine Richtung. Alles dürfen wir einmal als Schatz in die Hände des Schöpfers zurücklegen, damit er es zusammenfügt und veredelt für die Ewigkeit. Diese Botschaft des Jakobusweges wollen wir nie vergessen. Der Weg fordert viel, mitunter sehr viel, doch wer ihn geht, kommt immer als reich Beschenkter nach Haus.";

Auch im Jahresplan 2000 des Görlitzer Seelsorgeamtes wird wieder ein Angebot für den Jakobusweg zu finden sein

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 37 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.09.1999

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