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Bistum Dresden-Meißen

Predigt von Dekan Przybyt

Gedenken an Kriegsbeginn vor 60 Jahren

Im ökumenischen Gottesdienst in der Dresdner Kreuzkirche zum Gedenken an den Beginn des Zweiten Weltkrieges vor 60 Jahren hielt Dekan Artur Przybyt aus Gostyn (Polen) die Predigt. Der Tag des Herrn dokumentiert Auszüge:

... Das Gewissen der Obrigkeit soll aufmerksam auf die Stimme Gottes hören und alle Bedingungen im Land so gestalten, dass das Gute gefördert und dem Bösen gewehrt wird, dass Frieden in den Herzen der Menschen so wächst, dass dieser Frieden die Häuser, Städte und Länder ergreift

Im Deutschland der 30er Jahre hat die Obrigkeit diese Aufgabe nicht wahrgenommen, sondern ... das Gegenteil getan. Aber auch die Gesellschaft hat versagt, trotz aller christlicher Erziehung und humanistischer Bildung. Die Propaganda Hitlers erklärte, dieser Krieg sei ein gerechter Krieg ... In Wirklichkeit war es ein gigantisches Verbrechen ... Dieser Krieg hatte die Vernichtung ganzer Völker zum Ziel. Dafür wurden die höchs-ten Güter der Menschheit mißbraucht: Liebe zur Heimat, Bereitschaft zur Pflichterfüllung, Bereitschaft, die Heimat zu verteidigen

Die Lehren daraus sollen für uns sein: Gehorsam und Pflichterfüllung allein sind nichts Gutes. Sie sind nur gut, wenn sie einem guten Zweck dienen und sich dem Willen Gottes unterordnen. Christliche Erziehung und humanistische Bildung allein sind nichts Gutes. Sie sind nur gut, wenn sie der Aufforderung Goethes mit ihren Taten folgen: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut

Das Böse besteht nicht nur darin, dass man etwas Böses selbst tut. Nein, es besteht auch darin, dass man etwas Böses zulässt ... Wenn jemand uns sagt: "Wir müssen die Freiheit verteidigen, wir müssen die Werte unserer Kultur verteidigen!", dann müssen wir fragen, wer Interesse an Krieg und Kriegsvorbereitung hat. Dann müssen wir fragen, wer daran verdient

Wenn es um den Frieden geht, ist das Gebet unerhört wichtig. Aber wer sich auf das Beten beschränkt, verrät den Frieden und seinen Glauben. Die Barbarei von Hitler und Stalin war nur möglich, weil zwar viele für den Frieden gebetet haben, aber viel zu wenige politischen Widerstand geleistet, weil viel zu wenige den Militärdienst und den Gehorsam verweigert haben. Ein Gebet ohne konkretes politisches Handeln ist ein unfruchtbarer Baum, von dem Jesus sagt, dass er ausgerissen werden soll

Gott hat der Obrigkeit eine klare Aufgabe zugewiesen, aber nicht nur der Obrigkeit. Er hat sie allen Menschen zugewiesen. Diese Verantwortung kann uns niemand abnehmen ... Vor Gott müssen wir Rechenschaft ablegen, was wir getan, und noch viel mehr darüber, was wir unterlassen haben

Von Herzen sind wir Polen dankbar für alle, die dem Hitlersystem Widerstand geleistet haben. Von Herzen sind wir dankbar für alle, die nach dem Krieg die deutsche Schuld klar und unmissverständlich benannt und die anderen Völker um Versöhnung gebeten haben. Die Geschwister Scholl, Dietrich Bonhoeffer und Probst Lichtenberg erinnern uns daran, dass es in der Nazizeit ein anderes, ein besseres Deutschland gegeben hat. Lothar Kreyßig, die Aktion Sühnezeichen, Pax Christi und viele andere Organisationen, Institutionen und Kirchengemeinden, die sich in Deutschland um die Versöhnung bemüht haben, sind für uns in der Zeit des Kalten Krieges ein Zeichen gewesen, dass Hoffnung für unsere Völker besteht. Von Herzen sind wir dankbar für alle Versöhnung, die zwischen unseren Völkern gewachsen ist

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 40 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 10.10.1999

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