Christen sollen Lobby für Arme sein
Missio
Leipzig (jak) - Eigentlich hatte Pfarrer Misheck Kaunda aus Sambia seine Ausbildung längst abgeschlossen. Doch noch einmal besuchte er im Auftrag seines Heimatbischofs in Belgien die Universität im Studiengang Soziologie. Das dort erworbene Wissen wird er dazu nutzen, soziale Projekte in seiner Heimat zu betreuen. Zudem ist sein Fachwissen für die sambische Kirche wichtig, damit sie in sozialen Problemen klare und sachlich richtige Positionen gegenüber dem Staat artikulieren und so für die Armen eintreten kann. Qualifizierte Antworten zu geben, das heißt auch in Afrika, konkret und direkt sein
Misheck Kaunda besuchte vom 30. September bis zum 10. Oktober als Gast des Hilfswerkes Missio das Bistum Dresden-Meißen. Begleitet wurde er von Ulrich Clausen, Referat Weltkirche in der Abteilung Pastoral des Bischöflichen Ordinariates. Gemeinsam besuchten sie Gemeinden in allen Teilen des Bistums und in Leipzig die Redaktion des Tag des Herrn. Ulrich Clausen zu den Hintergründen des Besuches: "In diesem Jahr stellt Missio das Thema Gerechtigkeit in den Vordergrund. Gerade im Jahr des Vaters ist es wichtig zu zeigen, dass wir alle Kinder eines Vaters sind und somit auch die gleichen Existenzrechte haben." Dabei verweist er auf die Entschuldungskampagne zum Jahr 2000, ohne deren Erfolg hätten viele Länder - auch Sambia - keinerlei Zukunftschancen. Wenn die auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Köln verabredeten 70 Milliarden US-Dollar Schuldenerlass auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind, so ist es doch ein Anfang, und die Menschen sollten genau beobachten, wie dieser Beschluss umgesetzt wird. Schon jetzt gebe es Ernüchterung. Daher ist es, so Ulrich Clausen, umso wichtiger, dass die armen Länder eine Lobby haben und die Entscheidungen nicht nur den Politikern überlassen bleiben. Dieses Anliegen wollten er und Pfarrer Kaunda in die katholischen Pfarrgemeinden tragen. Andere Missio-Gäste in den deutschen Bistümern kamen neben Sambia von den Philippinen und aus Pakistan
Wie aber sind diese Länder zu dieser die Gesellschaft lähmenden Schuldenlast gekommen? Sambia beispielsweise besitzt außer Kupfer (85 Prozent) und Kobalt (6 Prozent) kaum andere Exportgüter. Und im Kupferexport lag die Preisfalle. Mit dem Einstieg Chiles in den Weltmarkt fielen ab 1972 die Preise für Kupfer rapide. Im Gegenzug stiegen die Kosten für die Importe, Kredite mussten genommen werden, doch die Einnahmen fielen weiter. Sambia war schließlich nicht mehr in der Lage, die Schulden zurückzuzahlen. Erschwerend kam hier hinzu, dass in dem einstigen sozialistischen Vorzeigeland Afrikas durch subventionierte Preise die eigene Landwirtschaft ruiniert war. Anfang der 90er Jahre ordnete die Weltbank die totale Privatisierung und den Wegfall aller Subventionen an - auch für Nahrungsmittel, Gesundheitsfürsorge und Bildung. Die Ergebnisse sind verheerend: Sambia hat eine Aids-Steigerungsrate von 50 Prozent, die Lebenserwartung sank von 55 auf 43 Jahre, die Säuglings- und Kindersterblichkeit stieg im Gegenzug stark an ... "In dieser Situation haben die Menschen nur die eine Hoffnung, dass ihnen die Schulden erlassen werden", betont Ulrich Clausen. Bis jetzt fallen alle Erlöse in die Schuldentilgung, die Entwicklung im Land selbst stagniert
Pfarrer Misheck Kaunda - der aus dem Bistum Ndola kommt - gab zudem Einblicke in das noch relativ junge kirchliche Leben Sambias. Die Gemeinden sind anders strukturiert als in Deutschland. So gibt es zahlreiche christliche Gemeinschaften, die zusammen eine Pfarrei bilden. Doch jede der Gemeinschaften - die etwa 25 Familien vereinigt - funktioniert unabhängig und hat eigene Leiter, eine Frau oder einen Mann. "Die Leute treffen sich, um die Bibel zu lesen und das Gelesene zu teilen", sagt Pfarrer Kaunda. Diese, aus Südamerika stammende Methode des Bibellesens hat den Vorteil, dass die Menschen ihr Leben und ihre Probleme mit in das Gespräch nehmen. Zusammen, nicht allein suchen sie nach Antworten. "Wir haben mit den kleinen Gemeinschaften einen Weg gefunden, der eine Wechselbeziehung zwischen dem Leben der Menschen und der Lehre der Kirche ermöglicht", betont der Missio-Gast
In Sambia, so Misheck Kaunda, ist die Familie die Basis der Kirche und für die Zukunft des Landes wichtig. "Wenn die Familien stark sind, dann ist auch die Kirche stark", betont er. Dabei liegen ihm die Bildung sowie der Zusammenhalt der Familien besonders am Herzen. Schon jetzt bringen sich die Erwachsenen stark in ihre Gemeinschaft ein. Beispielsweise wenn ein Paar heiraten will, dann muss es zuvor zwölf Unterrichtseinheiten zur Ehevorbereitung absolvieren. Nur zwei davon hält der Priester, die anderen erteilen erfahrene Frauen und Männer. "Wir können doch nicht von einer Sache wie der Ehe reden, von der wir als Priester wenig verstehen", meint Misheck Kaunda etwas verschmitzt. Selbst sieht er sein priesterliches Selbstverständnis in der Rolle eines Dieners der Menschen, er ist nicht der Chef oder der Service-Mann seiner Gemeinde
Sambia hat derzeit etwa zehn Millionen Einwohner, 72 Prozent davon sind Christen und 27 Prozent gehören traditionellen Religionen an. Das Hilfswerk Missio wird Projekte in Sambia weiter unterstützen. Clausen ist sich sicher, dass jede Spendenmark gut weitergeleitet wird
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 17.10.1999