Polnischer Ex-Ministerpräsident Masowietzky erhält Friedenspreis
Preisverleihung
Magdeburg (dw) - "Lothar Kreyssig hat in meinem Leben eine Spur hinterlassen", sagte der ehemalige polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki, nachdem er am 7. November als erster Preisträger in Magdeburg den Lothar-Kreyssig-Friedenspreis entgegengenommen hatte. Der Gründer der deutsch-polnischen Versöhnungsinitiative "Aktion Sühnezeichen" sei ein Prophet gewesen, ein Mann, der "ständig im Angesicht Gottes lebte". Bis er den engagierten evangelischen Laien kennenlernte, seien theologische Fragen für ihn "eine Domäne der Geistlichen" gewesen, bekannte Mazowiecki
Kennengelernt hatte er Lothar Kreyssig über Günter Särchen, einen Mitarbeiter des Magdeburger Ordinariats. Ihn würdigte er während der Preisverleihung als "engen Weggefährten" und als "Mann außerordentlicher Rechtschaffenheit und Opferbereitschaft". Särchen ist vor allem als Initiator der "Polenseminare" bekannt geworden, die sich dem deutsch-polnischen Dialog verschrieben haben und die unter dem Namen "Anna-Morawska-Gesellschaft" bis heute weitergeführt werden
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel, der in der letzten DDR-Regierung Außenminister gewesen war, würdigte den Preisträger als einen Politiker, der sich seit Jahrzehnten für die Versöhnung zwischen Deutschen und Polen eingesetzt hat. Intensiv hat er mit der "Aktion Sühnezeichen" zusammengearbeitet, die von Magdeburg aus unter anderem Arbeitseinsätze deutscher Jugendlicher in den ehemaligen Konzentrationslagern Auschwitz und Majdanek sowie in einem Blindenheim in der Nähe von Warschau organisierte. Mazowiecki, Kreyssig und Särchen standen für Beziehungen, bei denen - anders als in der von der SED verordneten Freundschaft mit Polen - auf beiden Seiten Schuldbewusstsein und -bekenntnis eine Rolle spielten
Von 1961 bis 1976 war Tadeusz Mazowiecki als eines von fünf Mitgliedern der katholischen Laiengruppe Znak im polnischen Sejm vertreten und setzte sich dort für Demokratisierung und mehr Unabhängigkeit von der Sowjetunion ein. Er brachte verschiedene sozialethische Themen in die Arbeit des Sejm ein. Später gehörte der Jurist und Publizist zu den Mitbegründern der Gewerkschaft Solidarnosc. Für viele Akteure des Wende-Geschehens in der DDR sei das politische Engagement von Mazowiecki und seinen Mitstreitern und der friedliche Weg, den sie gegangen seien, ein Ansporn gewesen. Heute streitet der ehemalige Ministerpräsident als Vorsitzender des EU-Ausschusses im Sejm für eine Europa-Politik, die nicht nur wirtschaftlichen Inte-ressen folgt, sondern die auf einem ethischen Fundament gründet
Aus Anlass des 100. Geburtstags von Lothar Kreyssig (1898 - 1986) hatte der Evangelische Kirchenkreis Magdeburg im vergangenen Jahr auf Anregung des Ökumenischen Arbeitskreises für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in Magdeburg eine Stiftung errichtet, die an das Wirken des früheren Synodalpräses der Kirchenprovinz Sachsen erinnert
Der mit 5000 Mark dotierte Preis soll alle zwei Jahre während der ökumenischen Friedensdekade an Personen, Gruppen oder Organisationen verliehen werden, die sich um Frieden und Versöhnungsarbeit verdient gemacht haben. Dem Stiftungskuratorium gehört mit Heiner Hesse auch ein Vertreter des katholischen Bistums Magdeburg an
Mit dem ersten Preisträger habe das Kuratorium nicht zuletzt aus historischer Sicht kurz vor dem Jahrtausendwechsel eine gute Wahl getroffen, schrieb Günter Särchen in einem Glückwunschbrief an Mazowiecki. Er erinnerte daran, dass Kaiser Otto III. im Jahr 1000 nach Gnezno (Gnesen) gezogen sei und dort am Grab des heiligen Adalbert von Prag ein Erzbistum errichtet habe. "In seine Fußstapfen sind wir getreten, als wir 1961 nach Gnesen pilgerten", erinnerte Särchen. Herzog Boleslaw I. von Polen sei von Otto keinesfalls als Vasall behandelt worden, sondern er wurde als "Bruder und Mithelfer des Imperiums" bezeichnet
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.11.1999