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Bistum Erfurt

Bischof empfängt Vertreter aus Kultur

Dialog

Bartoszewski Erfurt (ep) - Der frühere Außenminister der Republik Polen, Senator Wladyslaw Bartoszewski, hat an alle geistig engagierten Kräfte der Gesellschaft appelliert, sich für die Entwicklung der Demokratie in den postkommunistischen Ländern einschließlich der früheren DDR einzusetzen. Bei einem Empfang Bischof Joachim Wankes anläss-lich des Kulturstadtjahres Weimar '1999 für Vertreter aus Wissenschaft und Kultur sagte der Historiker, Politiker und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1986, am 5. November in der Erfurter Brunnenenkirche: "Jeder Intellektuelle, jeder Künstler, jeder Professor ist moralisch verpflichtet, die Menschen vor einem weiteren Versagen der Politiker zu warnen." Das 20. Jahrhundert sei eine Geschichte dieses Versagens und die Ereignisse im eins-tigen Jugoslawien eine unmittelbar vor Augen stehende "bittere Lehre"

Bartoszewski beklagte einen Mangel an Werten in den postkommunistischen Ländern und zeigte zugleich ein gewisses Verständnis dafür. Die Menschen dieser Länder seien über Jahrzehnte dazu "verurteilt" gewesen, in einem Umfeld der geistigen Verwüstung zu leben. Die "Kette des Bösen" habe in Russ-land unter Lenin und Stalin begonnen und auch nach dem Nationalsozialismus und seiner Vernichtungsmaschinerie in den Ländern Mittelost-, Ost- und Südosteuropas über weitere zwei Generationen fortgedauert, so der 77-Jährige, der insgesamt acht Jahre in den Gefängnissen der Nazis und der Kommunisten saß. Auf dem Hintergrund der in dieser Zeit angerichteten "geis-tig-kulturellen Verwirrung" sei es nicht verwunderlich, dass sich die Menschen zu wenig für die Werte der Demokratie engagieren. So fehle den Menschen in Ost- und Südosteuropa weithin die für den Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens "unentbehrliche Toleranz" gegenüber anderen Auffassungen. Sie seien es "nicht gewöhnt, ohne politisches Protektorat zu leben". "Was die Vergiftung des sozialen Organismus angeht, werden wir uns noch gut zehn oder 20 Jahre damit auseinandersetzen müssen", prophezeite Professor Bartoszewski

Zuvor hatte Bischof Joachim Wanke vor den rund 150 Gästen sein "Interesse an einem Dialog zwischen Kirche und Kultur" betont. Wanke räumte ein, dass man der Kirche "nicht ganz zu Unrecht" den Vorwurf mache, zwar verstärkt den Dialog mit Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu führen, aber Bereiche wie Literatur, Kunst und Architektur zu vernachlässigen. Dieser Dialog sei aber "nicht weniger wichtig", zumal "die Distanz zwischen den Sinnräumen Religion und Kunst immer noch am Wachsen" sei. Bei gegenseitiger Akzeptanz würden gemeinsame Quellen von Kunst und Religion deutlich, so Wanke: "Die individuelle Fragestellung, das persönliche Empfinden und Denken, die kreative Fantasie, das Fragen nach dem Woher, dem Wozu, dem Wohin des Menschen und allen Seins - alles Quellen, aus denen auch die Mystik lebt und aus denen sich jede religiöse Kultur auf Dauer erneuert". Papst Johannes Paul II. habe 1980 auf seiner ersten Deutschlandreise betont: "Nirgends wird die Situation, das Lebensgefühl, aber auch die Frage des Horizonts des heutigen Menschen so eindrucksvoll dargestellt wie in der heutigen Kunst und Publizistik. Darauf ist die Kirche verwiesen und angewiesen." Wanke: "Wir brauchen die Tiefe, die Sie in Ihrem künstlerischen Schaffen anvisieren. Ich denke, dass unsere kirchliche Verkündigung manchmal zu banal ist."

Was hingegen abschrecke, sich mit Wissenschaft und Kunst einzulassen, sei die Pluralität, die "heute manchmal ein Ausmaß von babylonischer Sprachverwirrung erreicht", so der Bischof weiter. Diese Pluralität sei "Ausdruck der Zersplitterung der Welt", aber "auch Zeichen einer ernst zu nehmenden, zu bejahenden und zugleich kritisch zu begleitenden Subjektivität in der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, die rätselhaft und herausfordernd bleibt"

Die Kirche sei bereit, die ihr geschenkte Wahrheit in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. Er werde sich dafür einsetzen, dass das Gespräch zwischen Kirche, Kultur, Medien und Wissenschaft in Thüringen intensiviert wird, so der Bischof. Diese Gespräch finde bereits an der Theologischen Fakultät, durch die Arbeit des Katholischen Forums, im Rahmen der Hochschulseelsorge und durch das kulturelle Engagement vieler Gemeinden statt. Wanke kündigte für das Jahr 2000 eine von kirchlicher Seite initiierte Kunstausstellung in Erfurt an

Ministerpräsident Bernhard Vogel dankte Bischof Wanke für das "Zeichen", das die Kirche mit dem Empfang im Kulturstadtjahr Weimar '99 gesetzt habe, und für die damit verbundenen Bemühungen um einen innergesellschaftlichen Dialog

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 45 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.11.1999

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