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Bistum Görlitz

Bischof Müller besucht das Dekanat

Neuzelle

Eisenhüttenstadt (jus) - "So eine Visitationsfahrt bedeutet nicht, dass ich in eine Gemeinde komme und da alles kontrolliere. Sie ist keine Betriebskontrolle und auch nicht so etwas wie eine Arztvisite", betont Bischof Rudolf Müller. "Mein Grundsatz dabei ist: Ich besuche Christus in seiner Gemeinde, versuche, ihn in den unterschiedlichen Aktivitäten der Gemeinde zu entde- cken. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen." So war es auch Ende Oktober, als Bischof Müller im Dekanat Neuzelle unterwegs war, dem nördlichsten "Zipfel" vom Bistum Görlitz

Eine seiner Erinnerungen, die er von dort mit nach Hause nahm: eine Begebenheit im katholischen Kindergarten in Guben: "Ich sehe was, was du nicht siehst" spielte er zusammen mit den Kleinen. Diese brauchten nicht lange, um zu erraten, was der Bischof "gesehen" hatte: das Kreuz an der Wand des Gruppenraumes. Besonders gern erinnert sich der Görlitzer Oberhirte an das lebhafte Erzählen, das da-raufhin unter den Kindern losging: An dem Kreuz, da habe doch der Jesus drangehangen, so lange bis er gestorben sei. Und die Soldaten hätten ihn ja vorher mit Nägeln da drangemacht

Dieses Erlebnis hat sich beim Bischof eingeprägt, so dass er es mit Begeisterung in der Stimme beim Seniorenfrühstück in Eisenhüttenstadt erzählt, der nächsten Station seiner Visitationsreise durch Beeskow und Neuzelle, Guben, Eisenhüttenstadt und Hubertushöhe bei Storkow. Die brandenburgische Gegend ist ihm nicht fremd: "Ich bin gerne hier oben", sagt er. "Denn einen Teil meiner Jugendzeit habe ich auch in der Nähe verbracht; in Luckau."

Die Frühstückstafel im Pfarrhaus der Eisenhüttenstädter Herz-Jesu-Gemeinde ist gut besetzt. Anfangs hatten die Stühle gar nicht ausgereicht. Zusätzliche mussten geholt werden. Viele Leckereien sind zwischen den kleinen Rosensträußchen auf der langen Tafel "aufgefahren": Platten mit belegten Broten, süße Naschereien, zwei Sahnetorten. Kaffeeduft und lebhafte Gespräche erfüllen den Raum

Das gesellige Frühstück ist in den beiden katholischen Gemeinden der Stadt nichts Neues. Alle vier Wochen lassen es sich manche der Besucher des Morgengottesdienstes - meist Seniorinnen - zusammen schmecken, dabei erzählen und singen sie. In der Herz-Jesu-Gemeinde am Freitag; in Heilig-Kreuz am Mittwochmorgen. Diesen Freitag aber haben sich alle zusammengetan. Schließlich ist der Bischof nicht alle Tage da

Die Frauen unterhalten sich lebhaft. Hier spricht man über die alte Heimat - viele der Gemeindemitglieder sind während der Jahre aus ganz unterschiedlichen Gegenden zugezogen. In einer anderen Ecke sind gerade die gehassten Kalorien in der geliebten Sahnetorte Thema. Die Frauen am oberen Ende der Tafel sitzen günstig: Sie haben den Bischof als Tischnachbarn und so die Gelegenheit, mal ein biss-chen mit ihm zu plauschen

Nachdem die Kaffeetassen langsam geleert und sowohl die süßen Teller als auch die herzhaften Platten "übersichtlicher" geworden sind, wird es dann nochmal etwas stiller im Gemeinderaum: Bischof Müller erzählt - mit dem vertrauten "ihr" und "euch" in der Anrede - von den bisherigen Stationen seiner Reise und von der Station, die noch aussteht: Hubertushöhe. Für all diejenigen, die das neue Gotteshaus dort noch nicht kennen, beschreibt er es: "Die Kirche ist ganz und gar in der Form eines Fisches gebaut. Und wenn man drin steht, fühlt man sich fast wie in einem riesigen Fischbauch". Und unter lebhaftem Gebrauch seiner Hände fügt er gleich noch die alttestamentliche Geschichte von Jona im Fischbauch hinzu

Gegen Mittag drängt dann aber doch die Zeit. Schließlich wollen Bischof Müller und der Eisenhüttenstädter Pfarrer Winfried Pohl noch zwei Gemeindemitglieder zu Hause besuchen und ihnen die heilige Kommunion bringen. Damit ist das Tagesprogramm allerdings noch nicht am Ende. Denn ein Besuch in der Pfarrkirche Heilig-Kreuz steht noch auf dem Programm, ebenso wie die Pfarrgemeinderatssitzung am Abend. Und dazwischen möchte sich Bischof Müller gerne noch die Dörfer ansehen, die im Sommer 1997 vom Hochwasser betroffen waren

Nicht nur der Tag in Eisenhüttenstadt ist voll ausgeplant. Auch in den Pfarreien, die Bischof Müller vorher besucht hatte, war seine Zeit gut gefüllt: In allen Pfarreien stand an erster Stelle immer der gemeinsame Gottesdienst. In ihm sieht der Bischof eine Basis für die gemeinsame Zeit. In Beeskow hatte er zudem Gelegenheit, ehrenamtliche Militärseelsorger kennen zu lernen, in Guben dann den Arbeitslosentreff und die Knirpse des Kindergartens und in Neuzelle die Stiftskirche mal aus einem völlig neuen Blickwinkel: von ganz oben nämlich, vom Turm, wo er mit einem Kran hinauf gefahren worden war

Das Fazit des Bischofs nach der gesamten Reise: "Das Dekanat Neuzelle besteht aus nur wenigen Pfarreien, alles große Diasporagebiete. Dennoch bin ich überrascht von dem vielseitigen Leben, das ich dort angetroffen habe - ob es sich um Einzelinitiativen oder Gruppen handelt, die sich zum Beispiel Zugezogener annehmen oder alte Menschen betreuen oder in der Militärseelsorge tätig sind, wie in Beeskow." Vielfalt also während der ganzen Reise! Wiederholt hat sich eigentlich nur eines: das Hühnerragout mit Reis, das gleich drei seiner Gastgeber dem Bischof zum Mittag servierten. Da boten die Fischstäbchen mit Spinat in Eisenhüttenstadt eine willkommene Abwechslung

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 45 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.11.1999

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