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Bistum Magdeburg

Blüte in trockener Landschaft

Kloster Helfta

"Krone der deutschen Frauenklöster" wurde das Zisterzienserinnenkloster Helfta bei Eisleben im 13. Jahrhundert genannt. Vor einigen Jahren waren von der Wirkungsstätte bekannter Mystikerinnen wie Gertrud der Großen, Mechthild von Magdeburg und Mechthild von Hackeborn nur noch einige Ruinen übrig. Zisterzienserinnen aus dem bayrischen Kloster Seligenthal haben jetzt begonnen, Helfta mit neuem Leben zu erfüllen. Eine neue Kirche und das Konventsgebäude mit Kreuzgang sollen am 21. November eingeweiht werden.

Aufheulende Sägen und das unentwegte, durchdringende Scharren eines Spatens bilden die Hintergrundmusik beim Chorgebet, das die Zisterzienserinnen des neuen Konvents auf dem Boden eines alten Speichergebäudes halten. Die zehn Schwestern, die seit August hier im Provisorium auf der Baustelle leben, genießen trotz allem den Zauber des Neuanfangs an historischer Stätte. "Vom ersten Tag an bin ich gern hier gewesen", erzählt Äbtissin Assumpta Schenkl anschließend einigen Förderern, die sie einen Monat vor der Einweihung zu einem "Sponsorentag" eingeladen hatte. Vorher hat sie 45 Jahre lang im Kloster Seligenthal bei Landshut gelebt, die letzten zwölf Jahre als Äbtissin. Ihre Entscheidung, mit weit über 70 Jahren eine abenteuerliche Neugründung zu wagen, war keinesfalls überall auf Verständnis gestoßen. Das Bewusstsein, am richtigen Ort zu sein, "dort, wo der Herrgott mich haben will", werde nun immer stärker, sagt Assumpta Schenkl

Schon am ersten Tag nach ihrer Ankunft in Helfta meldete sich die erste Kandidatin, eine Leipzigerin, die sich der Gemeinschaft im Dezember anschließen will. Zwei weitere junge Frauen sind ihr inzwischen gefolgt. Junge Schwestern, die bereits in anderen deutschen Klöstern leben, sollen noch dazu kommen. Das Konventshaus in einem alten Mühlengebäude, das geplant worden war, als noch von sieben Schwestern die Rede war, ist mit seinen neun Klos-terzellen schon bei der Fertigstellung zu klein. Die Ordensfrauen haben ihre Pläne deshalb kurzerhand geändert. Sie beziehen einen Neubau mit in die Klausur ein, der eigentlich Gäste beherbergen sollte. Ein angrenzender alter Rinderstall wird voraussichtlich ab April als "Kloster auf Zeit" für Gäste umgebaut

Der Gedanke an das zusätzliche Geld, das dafür noch aufgebracht werden muss, bereitet dem Beauftragten des Bistums Magdeburg für den Wiederaufbau Helftas, Ordinariatsrat Willi Kraning, keine schlaflosen Nächte mehr. "Wir erleben hier eine Geschichte von Wundern und Zeichen", erzählt er den Sponsoren. Der Bau sei ohne finanzielles Polster, dafür aber mit einer guten Portion Gottvertrauen begonnen worden. Innerhalb eines Jahres sind mit fast 1000 großen und kleinen Spenden 11,2 Millionen Mark aufgebracht worden, nur noch 4,2 Millionen fehlen zur Fertigstellung des ersten Bauabschnitts. Das Bistum Magdeburg selbst, das eines der katholikenärmsten Bistümer in Deutschland ist, konnte keinen Pfennig dazu geben

Besonders dankbar sind die neuen Helftaer Bewohnerinnen für die herzliche Aufnahme durch die Eislebener Bevölkerung. Schließlich ist die Stadt nicht nur als Wirkungsstätte der Helftaer Mystikerinnen, sondern mehr noch als Geburts- und Sterbeort Martin Luthers bekannt. Befürchtungen vor einer neuen "Gegenreformation" waren in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Klostergründung immer wieder hörbar geworden. Nichts davon ist den Zisterzienserinnen seit ihrer Ankunft zu Ohren gekommen. Im Gegenteil: "Wir freuen uns, dass es hier jetzt wieder schön wird", sagen ihnen evangelische Christen und auch viele Nichtchristen, die den größten Teil der Bevölkerung Eislebens ausmachen. Der Berliner Regisseur Wolfram Christ hätte seinen Film über Untergang und Wiedererstehen Helftas gerne mit ein paar markigen Sprüchen von Klostergegnern gewürzt. Trotz intensiver Suche war das Negativste, was er in Eisleben zu hören bekam: "Ist mir eigentlich egal, was die dort machen."

Auch die Kinder aus den Plattenbauten in Nachbarschaft des Klosters sind bereits von den Schwestern "erobert" worden. Vor ihrer Ankunft hatten die Acht- bis Elfjährigen befürchtet, von ihrem Spielgelände am Klostergartenteich vertrieben zu werden. Mittlerweile haben sie die Ordensfrauen ins Herz geschlossen, vor allem Schwester Luitgard. Die 30-jährige ungarische Erzieherin ist die Jüngste im Konvent. Mit den Kindern, die zum Teil aus schwierigen Familienverhältnissen kommen, untyerhält sie sich gern

Zwei von ihnen, Felix und David, machte der ungewohnte Betrieb am Sponsorentag neugierig. Sie steckten ihre Köpfe von außen durch die Fensternischen des Kreuzgangs und erblickten dabei zufällig den Magdeburger Bischof Leo Nowak. Dem netten älteren Herrn im schwarzen Anzug stellten sie all die Fragen, die sie sich bei den Schwestern bisher immer verkniffen hatten. Ob man gut in der Schule sein muss, um ins Kloster zu dürfen, wollten sie zum Beispiel wissen oder wie es denn mit dem Ordensnachwuchs bestellt sei, wenn die Nonnen doch gar nicht heiraten dürften

"Helfta kann ein Zeichen der Segensfülle für die Menschen in diesem Land sein", hatte Bischof Nowak im Gottesdienst zur Eröffnung des Tages gesagt. "Ein Zeichen dafür, dass in einer geistlich ausgetrockneten Landschaft neues Leben erblüht."

Dorothee Wanzek

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 45 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.11.1999

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