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Deutsch-polnisches Zusammenwachsen in Görlitz

Geschichten an der B6 (1)

katholische Christen aus Zgorzelec und Görlitz "W imie Ojca - i Syna - i Ducha Swietego." Mit dem Kreuzzeichen in polnischer Sprache beginnt Pfarrer Karl-Heinz Grimm den Gottesdienst. Auf Deutsch fährt er fort: "Der Herr sei mit euch!" Rund 50 Christen - je zur Hälfte aus dem deutschen Görlitz und dem polnischen Zgorzelec - haben sich in der Heilig-Kreuz-Kirche auf der deutschen Seite der Neiße zur Andacht versammelt

Ein deutsch-polnischer Gottesdienst - das ist nichts Besonderes mehr. Regelmäßig laden sich in der nach dem Zweiten Weltkrieg geteilten Stadt deutsche und polnische Katholiken ein, denn: die deutsche Heilig-Kreuz-Gemeinde und die polnischen Bonifatius-Gemeinde sind Partnergemeinden

Vor zehn Jahren wäre das undenkbar gewesen. Die Kontakte über die "Oder-Neiße-Friedensgrenze" waren spärlich, denn die DDR hatte, als Polen 1981 aufgrund der Entwicklungen um die Gewerkschaftsbewegung "Solidarität" das Kriegsrecht verhängte, die Grenzen zum Bruderland ziemlich dicht gemacht. An den letzten "offiziellen" Besuch in Polen kann sich der Sprecher des Pfarrgemeinderates von Heilig Kreuz, Heinz Fritsche, noch erinnern: Es war die Grundsteinlegung für eine Kirche

Wenn der deutsche Pfarrer Grimm heute durch die polnische Stadt geht, grüßen ihn die Leute - so bekannt ist er. Vieles hat sich seit dem Ende der DDR geändert. Zwischen den Pfarrgemeinden bestehen nicht nur die Partnerschaften, es gibt gemeinsame Fronleichnamsprozessionen, die Priester treffen sich regelmäßig, die Ministranten spielen Fußball, Kirchenchöre treten zusammen auf und für die Sankt-Martins-Feier in diesen Tagen sind die Kinder aus Polen nach Deutschland eingeladen

Was sich nicht geändert hat, sind die Vorurteile: Auf deutscher Seite erzählt man sich immer noch Polenwitze, und auf polnischer Seite kommt es schon mal vor, dass ein Deutscher als "Faschist" beschimpft wird. "Die nichtchristliche Bevölkerung in Görlitz hat ein Negativ-Image aufgebaut", sagt Pfarrgemeinderats-Sprecher Fritsche. "Die Polen nehmen uns die Arbeitsplätze weg, sagen die Görlitzer, von denen jeder Vierte arbeitslos ist. Sie vergessen aber, dass sie in Polen billiger tanken, zum Friseur gehen und einkaufen können und dass manches Görlitzer Geschäft einen Großteil seines Umsatzes den Polen verdankt", sagt Pfarrer Grimm. Im vorigen Jahr haben die Stadträte beider Städte Görlitz und Zgorcelec zur Europastadt erklärt. "Jetzt müssen wir lernen, was das wirklich heißt. Und dabei helfen nur viele kleine Schritte", sagte der Pfarrer

Die Christen auf beiden Seiten sehen sich dabei besonders gefordert: "Wir müssen versuchen, ein positives Image aufzubauen", sagt Heinz Fritsche. Pfarrer Grimm versichert den polnischen Gästen beim Treffen im Pfarrhaus, das nach dem Gottesdienst stattfindet: "Wir sehen euch als Brüder und Schwestern. Wir sind eine Familie, und wir brauchen euch!" Der polnische Vikar Jacek Krason erinnert in diesem Zusammenhang an eine Inschrift auf Kreuzen: "Rette deine Seele!": "Die Seele retten - das können wir nur gemeinsam. Wir fahren zusammen auf einem Wagen und in eine Richtung: zur Erlösung!"

Ob das Zusammenwachsen gelingt? Pfarrer Grimm und Heinz Fritsche sind zuversichtlich. In zehn Jahren, hoffen sie, sind Görlitz und Zgorcelec "eine Stadt mit zwei Hälften, in der es gelungen ist, dass zwei Völker in allen Bereichen zusammen leben und arbeiten." Die kleinen Schritte dazu werden jetzt gegangen. Einer davon: Vertreter beider Städte werden in diesen Tagen den Papst für nächstes Jahr in die Europa-Stadt Görlitz-Zgorcelec einladen

Matthias Holluba

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 45 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.11.1999

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