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Die Hoffnung schon verloren?

Die Konsolen in St. Sebastian (2)

Eine der Konsolen in der Magdeburger St. Sebastianskirche zeigt zwei Männer, die in einen Kampf verwi-ckelt sind. Mit Gedanken zu diesem Bild setzen wir unsere Reihe fort:

Zwei Männer befinden sich in einer handgreiflichen Auseinandersetzung. Einer trägt ein Kurzschwert, das er aus der Scheide zu ziehen versucht. Der andere - unbewaffnet - hindert den Schwertträger am Ziehen des Schwertes. Gleichzeitig fasst er ihn am Kinnbart und scheint sich so erfolgreich zu wehren. Die Angst spricht beiden aus den Augen. Der Hintergrund ist schwarz - trostlos und ohne Hoffnung, wo es gefährliche Bedrohung gibt. Darüber aber wölbt sich der blaue Himmel. Darin deutet sich die Nähe Gottes und seine Zukunftsverheißung an

Auseinandersetzungen zwischen Menschen und Mächten ereignen sich ständig. Sie sind auch notwendig zur Klärung von Sachverhalten, Ansprüchen, Rechten, Verhaltensweisen, Gerechtigkeit ... Wenn Auseinandersetzungen sich anzeigen, gilt es, sich zusammenzusetzen, um Möglichkeiten zu einer tragfähigen Lösung zu finden. Wenn es zu einer tätlichen Auseinandersetzung - wie auf dem Bild - kommt, sind im Vorfeld viele Schritte unterlassen worden. Vielleicht "raufen" sie sich zusammen ..

Solange Menschen sich nicht gleichgültig sind (sich auseinander setzen), ist noch Hoffnung auf Klärung der Verhältnisse, auf gedeihliches Miteinander oder sogar auf Gemeinschaft

Beim Betrachten der Darstellung kommen mir drei Assoziationen in den Sinn:

Erstens: Der Ringkampf des Jakob mit dem Unbekannten bei der Furt von Jabbok auf seinem Weg zurück in die Heimat. (Gen 32, 25-27) Ein Ringen, das ohne Sieger und Besiegten ausgeht und das mit dem Segen über Jakob endet. Jakob bleibt vom Ringen mit dem Unbekannten (der als Gott gedeutet wird) sein Leben lang gezeichnet. Es ist wohl so: Wo der Mensch in den Kontakt mit Gott gelangt, geht das nicht spürbar an ihm vorüber. Er ist ein "Gezeichneter" und ein "Gesegneter"

Die zweite Assoziation: Im Buch des Propheten Jesaja (50,6) steht der Satz: "lch hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und denen, die mir den Bart ausrissen meine Wangen". Der Prophet hat sich mit allen Kräften für die Verkündigung der Botschaft Gottes eingesetzt, aber er erntet Verfolgung und Anfeindung bis zur Erniedrigung. Er aber bleibt Gott treu, von dem er sich getragen weiß. Diese Prophetie bezieht sich ebenso auf die Leidensgeschichte des Herrn, wie auf die Leiderfahrung Vieler in der Menschheitsgeschichte. Es ist ein dunkles Geheimnis, weshalb das Gute oft angefeindet wird. Diese Erfahrung machen wir ständig: Wir können mit bestem Gewissen und ganz lauteren Absichten oder absichtslos Gutes tun, der Dank bleibt vielfach aus, manchmal werden sogar böse Absichten unterstellt

Warum? Wollen viele Menschen sich nicht beschenken lassen? Fürchten sie Abhängigkeiten im Freiheitsstreben? Ist die Güte anderen ein Stachel in ihrem Gewissen, das sie nicht geweckt haben wollen? Und doch gilt den Treuen, den Barmherzigen und Friedenstiftern die Verheißung Gottes!

Hier sind wir bei der dritten Assoziation der Prophetie Jesajas (2, 4f): " Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg. Ihr vom Haus Jakob, kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn."

Die Darstellung der beiden Männer erweckt den Eindruck, dass der Unbewaffnete stärker ist als der Bewaffnete. Vielleicht ist hier andeutungsweise die Vision des Jesaja "von Schwertern zu Pflugscharen" dargestellt. Gottes Verheißung geht auf den Sieg des Guten

Theodor Stolpe

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 45 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.11.1999

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