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Bistum Dresden-Meißen

Kirche in Kuba

Stichwort

"Es kommt vor, dass ich die Kubaner verdreschen möchte", meint Pfarrer Michael Bautz augenzwinkernd. Wenn wieder einmal nichts klappt, wenn er um neun Uhr am Sonntag den Gottesdienst beginnen will und niemand kommt: "Weil neun Uhr für Kubaner nicht immer gleich neun Uhr ist." In diesen Augenblicken sei er schon frustriert und wütend. Doch wenn sie dann um zehn Uhr glückstrahlend an die Kirchentür klopfen und ihrem Padre zurufen: "Hier sind wir", dann sei alles vergessen und der Gottesdienst fängt an

"Ein Missionar, der das Volk nicht liebt, wie es ist, der braucht gar nicht erst anzufangen", heißt ein Grundsatz von Michael Bautz, den sie auf Kuba nur Padre Miguel nennen. Vor zwei Jahren kam der Dresdener Priester auf die Karibikinsel. Scherzhaft bezeichnet er sich als ein "Geschenk des Papstes". Denn vor dessen Besuch im Januar 1998 lo-ckerte das sozialistische Kuba die strenge Bevormundung der Kirche und erlaubte ausländischen Priestern die Einreise

Über Adveniat knüpfte Michael Bautz den Kontakt, lernte Spanisch und machte sich auf in die Südsee. Seine neue Wohnung: Zwei Zimmer direkt unter dem Kirchendach von St. Luis. In Kuba ist es üblich, dass der Pfarrer hinter dem Altar wohnt, erzählt Bautz. Die Gemeinden, die er betreut, liegen in dem berühmten Tabak-Anbaugebiet, in dem das Kraut für die legendären Havanna-Zigarren wächst. Hier, im äußersten Westen Kubas, leistet der deutsche Priester Pionierarbeit. Anders als in den kubanischen Städten, gibt es auf dem Lande kein kirchliches Leben. Vielen Jugendlichen erzählt Bautz zum ersten Mal von Jesus

Dabei musste sich der mutige Priester erst mühsam an den typischen Tagesablauf in der Karibik gewöhnen. Häufig fällt der Strom aus, so dass er sich schon morgens mit der Taschenlampe den Weg ins Bad ertasten muss. "Wenn ich Glück habe, gibt es Leitungswasser. Manchmal fällt auch das Wasser vier Wochen lang aus," stöhnt er. Aber dann helfen die Nachbarn aus. Bautz nimmt sich eine Blechbüchse und gießt sich das Wasser über den Kopf. "Wunderbar erfrischend", schwärmt er

Wenn es regnet, hat es gar keinen Sinn, sich mit dem Auto über die Schlammpfade in die Außenstationen vorzukämpfen. Denn bei Regen verlässt kein Kubaner auf dem Lande das Haus. Die Kinder gehen nicht zur Schule, der Gottesdienst fällt aus. Bautz bleibt zu Hause, liest in der Bibel, meditiert, betet. An Sonnentagen hingegen fährt er stundenlang übers Land, um möglichst viele seiner rund 30 Außenstationen in den weit auseinander liegenden Dörfern zu besuchen. Wenn er dann durchgeschwitzt und erschöpft ankommt, wird er mit herzlicher Freundlichkeit begrüßt, Entschädigung für alle Strapazen: "Bei Besuchen in Deutschland musste ich mich immer vorher anmelden - oft hatten die Leute keine Zeit. Hier stehen mir alle Türen offen. Zeit spielt eben auf Kuba keine Rolle"

"Padre - Sie sind da - das ist herrlich", begrüßen die Kubaner ihren Pfarrer: "Kommen Sie herein. Unser Haus ist Ihr Haus." Michael Bautz schwärmt von der Lebensfreude der Kubaner. Auch bewundert er die Solidarität, die er in den Familien erlebt. Kranke und Alte sind zu Hause der Mittelpunkt

Wenn dann allerdings wieder keines der Dorfkinder zur verabredeten Katechese kommt, wird der deutsche Pries-ter doch streng und ermahnt die Gemeindehelferin Maria, dass es so nicht weitergehe, dass die Katechese wichtig sei und er nicht immer Ausreden, wie Karneval, Geburtstag, Krankheit oder Regen gelten lassen könne. Dann stellt sich Maria auf den Dorfplatz, legt die Hände trichterförmig an den Mund und ruft: "Pablo, Pedro, Daniel." Die Kinder kommen dann aus allen Richtungen angelaufen, sind in drei Minuten da. "Also der Dorffunk funktioniert," freut sich Michael Bautz

Als der 59jährige Dresdner seine Arbeit auf Kuba begann, war er froh, in seiner Diözese Pinar del Rio Josef Bocktenk kennenzulernen. Bocktenk, Priester aus dem Bistum Münster, arbeitet bereits seit zehn Jahren auf der Karibikinsel und stand dem Neuling Bautz mit Rat und Tat zur Seite. Oft treffen sich die beiden und helfen sich aus

Auf Kuba müssen ausländische Pries-ter besonders vorsichtig sein. Der sozialistische Staat beobachtet ihre Aktivitäten. "Sonntags sitzen bei mir immer zwei Leute von der Staatssicherheit in der Kirche und verfolgen meine Predigt", klagt Bautz. Ende dieses Jahres läuft seine Aufenthaltsgenehmigung aus und er fürchtet, ausgewiesen zu werden. Die Gemeindearbeit, die er in vielen ländlichen Außenstellen aufgebaut hat, würde dann wahrscheinlich wieder zusammenbrechen

Es gibt viel zu wenig Priester aus Kuba. Weniger als 30 Geistliche arbeiten in den einzelnen Bistümern. Und da der Staat den Einsatz von Diakonen verbietet, würde ohne engagiertes Mitwirken der Laien in vielen Gemeinden sonntags der Gottesdienst ausfallen. "Natürlich predigen bei uns auch Laien", erzählt der Bischof von Camagüey, Adolfo Rodriguez Herrera. Dass Rom gegen predigende Gemeindemitglieder auf Kuba Einwände haben könnte, bekümmert ihn nicht. "Ich bin froh, dass überhaupt etwas läuft", erklärt der Bischof pragmatisch

Die Zukunft Kubas ist ungewiss. Was nach Castros Tod kommt - das weiß nur der liebe Gott. Michael Bautz fürchtet, dass es zu gewaltvollen Unruhen kommen könnte. "Viel hängt davon ab, wie sich die Exil-Kubaner in Florida verhalten", meint sein Amtsbruder Josef Bocktenk

Oppositionelle, die vor Castros Regime ins Ausland geflohen sind, kritisieren die Kubanische Bischofskonferenz, die sich viel zu lasch verhalte, nicht engagiert genug gegen den Diktator Stellung beziehe. Nach dem Papstbesuch habe sich politisch nichts getan, klagen auch die Mitarbeiter der Caritas-Zentrale in Havanna. Im Gegenteil: Freiheiten, die vor dem Papstbesuch der Kirche eingeräumt worden waren, sind jetzt wieder rückgängig gemacht worden

Kardinal Jaime Lucas Ortega y Alamino lässt solche Kritik nicht gelten: "Durch den Papstbesuch ist ein Ruck durch die Bevölkerung gegangen. Besonders Jugendliche interessieren sich auf einmal für die katholische Kirche." Nun dürfe man durch politischen Aktionismus nicht das aufs Spiel setzen, was man erreicht habe, meint der Kardinal und warnt davor, sich von oppositionellen Gruppen instrumentalisieren zu lassen. "Überall, wo die Kirche sich soziopolitisch zu stark eingemischt hat, hat sie auch an Kraft verloren oder ist ganz verschwunden", begründet der Kardinal seine Meinung und verweist auf die Kirche in den Ländern Osteuropas. "Das Evangelium ist unser Auftrag."

Die Kirche Kubas muss sich vor dem Wechsel nicht fürchten. "Wir standen in der Ecke. Doch jetzt sind wir wieder da", meint Pfarrer Josef Bocktenk. Einschneidende politische Veränderungen wird es ohne Mitwirken der Kirche nicht geben. Auch weil inzwischen viele bekennende Christen wichtige Positionen in Firmen, Schulen und Universitäten inne haben. Und als stimme er bereits jetzt eine Art Schwanengesang auf den musealen, auf den gescheiterten Sozialismus an, meint der Erzbischof von Santiago de Cuba Carlo Meurice Estiu: "Natürlich haben wir hier auf Kuba spezifische Probleme mit dem sozialistischen Staat. Aber was ist das gegen den Relativismus der Werte in der westlichen Welt?"

Die klare Ordnung der Welt vor dem Fall der Mauer - auf Kuba scheint sie noch eine Weile zu gelten. Erzbischof Estiu ahnt aber, dass die Arbeit der Kirche in einem pluralistischen Staat nicht unbedingt leichter wird. In den vergangenen Jahren habe es viele Reformen gegeben, beobachtet Bocktenk die Entwicklung: "Es könnte sein, dass Castro die Bevölkerung bereits jetzt langsam auf den Kapitalismus vorbereitet", hofft er. Schließlich scheint bereits jetzt der Dollar das Land zu beherrschen. Für harte amerikanische Währung kann man fast alles kaufen

Alles? Nein - eines bekommt man in ganz Kuba nicht: Weihnachtskrippen! "Wir brauchen zur Weihnachtszeit dringend Krippen", bitten die beiden deutschen Missionare: "Maria, Josef, Jesuskind - das ganze Personal. Und die brauchen künstlerisch nicht besonders wertvoll zu sein. Wir würden uns sehr freuen." Johannes Schröer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 46 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 21.11.1999

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