Ökumenische Jury bewertet die Jungen Osteuropäischen Filme
Filmfestival in Cottbus
Cottbus (fun) - "Minulost- Vergangenheit" heißt der tschechische Film, in dem 96 Minuten kein Wort gesprochen wird. Die Welt wird aus der Sicht eines Taubstummen geschildert. Langweilig ist dem Zuschauer trotz der fehlenden Worte nicht, die Gesten und die Handlung sprechen für sich. Ein gelungenes Film-Experiment - aufgeführt auf dem 9. Festival des Jungen Osteuropäischen Films vom 3. bis 7. November in Cottbus. Insgesamt 104 Filme aus 25 osteuropäischen Ländern waren in den fünf Tagen des Ausscheids zu sehen. Acht Jurys mussten unter diesen Filmen ihre Wahl treffen
y Mit an der Auswahl beteiligt war in diesem Jahr erstmals eine ökumenische Jury. "Es lag im Interesse des Veranstalters, dem Interessenverband Filkommunikation e.V., dass eine solche Jury dabei ist", erklärt Stefan Förner. Er ist Filmbeauftragter der Erzdiözese Berlin und eines der vier Mitglieder der ökumenischen Jury. Außer ihm gehören noch Ron Holloway, der aus den USA stammt, mittlerweile aber in Deutschland lebt, Anita Uzulniece aus Litauen und Flor Cayhers aus Belgien dazu
Die katholische Filmorganisation OCIC (Organisation Catholique Internationale du Cinema et da l'Audivisuel) und die evangelische Filmorganisation lNTERFILM riefen die ökumenische Jury in Cottbus ins Leben. "Bei fast allen Filmfestivals wie beispielsweise in Cannes oder bei der Berlinale gibt es eine solche Jury", sagt Förner, der bei der Berlinale zu den Jurymitgliedern gehörte. "Die ökumenische Jury hat keinen schlechten Ruf. Es wird zur Kenntnis genommen, welcher Film ausgezeichnet wurde. Und so kann dem Film möglicherweise auch weitergeholfen werden", sagt Förner und spricht damit auch das Ziel eines solchen Festivals an: Unter den vielen Filmen, die alljährlich gedreht werden, muss eine Auswahl getroffen werden. Und dem besten Film muss eine Chance gegeben werden, in den Kinos zu laufen, also die Aufmerksamkeit eines Filmverleihs zu gewinnen. Das sei schwierig, da die Streifen, die hier vorgestellt werden, in Deutschland meist keinen kommerziellen Erfolg garantieren
Diese sogenannten anspruchsvollen Filme werden bei dem Cottbuser Film-Festival in drei Kategorien unterteilt: die Kategorien Spielfilm, Kinder- und Jugendfilm und Kurzspielfilm. Außer Konkurrenz stehen die Filme der Kategorie "Nationale Hits", also Filme, die in ihrem Herkunftsland besonderen Erfolg feierten, und Fokus-Filme aus einer Region, die während des Festivals eine besondere Rolle spielt. In diesem Jahr lag der regionale Fokus auf der Republik Moldau und auf Rumänien
Die ökumenische Jury beurteilt jedoch nicht alle Wettbewerbsfilme. Die katholischen und evanglischen Jurymitglieder konzentrieren sich bei ihrer Preisvergabe auf die zwölf Spielfilme. Außerdem können sie weitere Filme namentlich erwähnen. "Unser Kriterium ist dabei vorrangig die besondere Auseinandersetzung mit bestimmten, wenn möglich kirchlich-biblischen Themen. Die ästhetische Komponente spielt natürlich ebenfalls eine Rolle, aber grundsätzlich achten wir mehr auf den Inhalt als auf Formales, das in gewissen Maßen ja auch den Gesamteindruck bestimmt", erklärt Förner. Der Zuschauer solle durch den Film einen Anstoß zum Nachdenken bekommen. Dabei wollen die Jurymitglieder mit ihrer Auswahl nicht mit dem Zeigefinger moralische Werte herausstellen. Sie urteilen mehr mit ihren eigenen Wertvorstellungen. Förner: "Jeder von uns ist christlich erzogen worden. Der kirchliche Hintergrund spielt also unterbewusst eine Rolle bei unserer Auswahl. Es ist also keine naive Beurteilung, sondern eine nachvollziehbare Bewertung." In diesem Jahr fiel die Wahl auf "Navrat Idiota " (Die Rückkehr des Idioten). Nach einem Roman von Dostojewski wird in diesem tschechischen Film die Rückkehr von Jesus in unsere heutige Zeit thematisiert. Eine lobende Erwähnung waren der ökumenischen Jury die Filme "Die Abendnachrichten" und "Beautiful People" wert
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 21.11.1999