Immer das Gleiche - oder?
Das Krippenspiel gehört in Torgau zu Weihnachten
Torgau (mh) - "Hör auf! Ich brauch da nicht mehr rein. Ist doch eh jedes Jahr das Gleiche", stöhnt Günther. Sein Freund Burkhard möchte ihn mit zum Krippenspiel nehmen. Eine ganze Menge Überredungskunst muss er aufwenden, bis die beiden schließlich zusammen durch den Mittelgang der Kirche gehen und sich in die erste Reihe setzen.
In der katholischen Pfarrkirche in Torgau laufen die Vorbereitungen für das diesjährige Krippenspiel. Freitagnachmittag ist Probenzeit - für Martin und Max, die Burkhard und Günther spielen, für ein weiteres Dutzend Kinder aus der Gemeinde und für Margit Schliemann, die das Stück mit ihnen einstudiert. Auch Margit Schliemann könnte stöhnen: Ist doch jedes Jahr das Gleiche. Immerhin ist es diesmal das 20. Weihnachtsspiel unter ihrer Leitung. Doch sie findet es überhaupt nicht langweilig: "Die Arbeit mit den Kindern macht mir einfach Spaß", sagt sie. Und: Das Krippenspiel ist eben nicht in jedem Jahr das Gleiche. Im Mittelpunkt steht zwar immer die typische Weihnachtsgeschichte. Sie bildet -ein wenig variiert - den roten Faden. Doch dazu kommen jeweils aktuelle Bezüge. Margit Schliemann will zeigen, was die Weihnachtsgeschichte den Menschen von heute sagen kann.
Inzwischen sind Maria und Joseph auf der Suche nach einer Unterkunft in Betlehem. Gelegentlich unterbricht Margit Schliemann und gibt Regieanweisungen: Sebastian, der den Josef spielt, soll seine schwangere Frau Maria in den Arm nehmen. "Du musst langsamer sprechen!", sagt sie zu Elisabeth, die einen der Hirten spielt. Und vom Wirt, gespielt von Nicole, erwartet sie mehr Begeisterung beim Anblick der Heiligen Drei Könige, die offensichtlich auch eine Unterkunft gebrauchen könnten. "Stellt dir vor: drei reiche Männer suchen ein Quartier. Da klingelt doch die Kasse!"
Zur Erzählung der Weihnachtsgeschichte kommen in jedem Jahr ein paar Besonderheiten hinzu. "Das ist abhängig von den Kindern, die mitmachen", sagt Margit Schliemann. Sie kommen in der Regel aus den verschiedenen Gruppen der Gemeinde. "Einmal waren sehr viele kleine Kinder dabei", erinnert sie sich. Da hat sie dann ein Stück herausgesucht, in dem viele Tiere mitspielen: Ochse, Esel und Schäfchen.
Tiere spielen in diesem Jahr keine Rolle. Das Besondere ist die Rahmenhandlung, die die Erzählung der Weihnachtsgeschichte mehrmals unterbricht. Sie zeigt, was die Zuschauer des Krippenspiels beschäftigt. Drei ältere Kinder spielen die erwachsenen Zuschauer. Sie unterhalten sich über das Krippenspiel. Der Inhalt ist ihnen dabei nicht so wichtig. Wesentlicher sind die Leistungen ihrer "Kinder", die beim Krippenspiel mitwirken, und Klatsch und Tratsch über die anderen. Auch Burkhard und Günther unterhalten sich über das Stück, vor allem über den Inhalt. Dabei machen sie so manche Entdeckung: Was heißt es, auf Gott zu vertrauen? Gilt Gottes Versprechen auch für die Menschen heute? Was bedeutet Weihnachten wirklich?
"Weihnachtsspiel mit Erkenntnissen" hat Margit Schiemann deshalb als Titel gewählt. Sie will die Zuschauer damit anregen, selbst darüber nachzudenken, was Weihnachten bedeutet. "Ich würde mir so wünschen, dass noch mehr Leute heute Abend Gottes Nachricht verstanden haben und ein richtiges Weihnachtsfest erleben können, so wie ich es heute erlebe ..." , sagt Günther am Ende des Stückes. Und dieser Satz ist wohl auch gesprochen mit Blick auf die vielen Nichtchristen, die jedes Jahr am Heiligen Abend zum Krippenspiel in die Torgauer Pfarrkirche kommen.
Eine Sammlung mit Krippenspiel-Texten ist auch im St. Benno-Verlag erschienen: Christamaria Krahl (Hg.): Neue Advents- und Krippenspiele; ISBN 3-7462-1457; 24,80 Mark
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 12.12.2001